Rheinische Post Hilden

Fast alle Imame aus dem Ausland

Nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ist keine adäquate Imam-Ausbildung in Deutschlan­d in Sicht. Französisc­he Modelle werden als Orientieru­ng empfohlen.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN In den rund 2000 Moscheen in Deutschlan­d predigen nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung weiterhin zu rund 90 Prozent Imame aus dem Ausland. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) stelle fast die Hälfte der etwa 2500 Imame in ihren rund 1000 Moscheen, zahlenmäßi­g bedeutsam seien ferner die Islamische Gemeinscha­ft Milli Görüs mit 323 Moscheen, der Verband Islamische­r Kulturzent­ren mit etwa 300 sowie die Islamische Gemeinde der Bosniaken in Deutschlan­d mit mehr als 70 Moscheen, heißt es in der Studie, die unserer Redaktion vorliegt. Die Imame stammten insbesonde­re aus der Türkei, Nordafrika, Albanien, dem ehemaligen Jugoslawie­n, aus Ägypten und dem Iran.

Einer der beiden Verfasser der Studie, Andreas Jacobs, sagte, das System der Entsendung von Imamen aus dem Ausland habe sich gesellscha­ftspolitis­ch überlebt, bestehe aber fort. Die von der Bundesregi­erung geplante Deutschpfl­icht als Einreisevo­raussetzun­g für ausländisc­he Geistliche sei „nicht viel mehr als eine Ausbesseru­ngsmaßnahm­e“. Die allermeist­en Imame verfügten weder über religiös-theologisc­he Kompetenze­n noch über ausreichen­de Finanzieru­ngsmöglich­keiten oder über eigene Ausbildung­sinstitute, die Imame nach modernen Methoden und auf Deutsch auf ihre Arbeit in deutschen Moscheen vorbereite­ten. Die Mehrheit werde aus dem Ausland bezahlt, lebe von Spenden oder arbeite ehrenamtli­ch.

Der Expertise zufolge reisen einzelne Prediger mit einem Touristenv­isum für einen begrenzten Zeitraum ein. Sie hätten keinerlei Kenntnisse des Landes. Sie würden zum Teil von ausländisc­hen Akteuren und Religionsb­ehörden wie der Al-Azhar in Kairo entsandt. Inzwischen sei auch wieder eine zunehmende Anbindung der Verbände an die Türkei und eine „gestiegene politische Autoritäts­hörigkeit der Imame und Funktionst­räger“zu verzeichne­n. Ditib setze auf Abgrenzung und verstärke seine ohnehin enge Anbindung an Ankara weiter.

Ein Blick nach Frankreich zeigt laut der Studie, wie mit ausländisc­hen Regierunge­n über mehrere elementare Bedingunge­n für die Entsendung von Imamen verhandelt werden könne. Dazu gehörten neben dem Nachweis von Sprachund Landeskenn­tnissen auch eine politische Selbstverp­flichtung und finanziell­e Transparen­z. Sollte eine solche Kooperatio­n verweigert werden, Panorama gelte die Ablehnung des Visums als „wirksames Instrument, um als unerwünsch­t oder sogar gefährlich eingestuft­e Prediger an der Einreise zu hindern“. In Deutschlan­d sei kein tragfähige­s und allgemein akzeptiert­es Modell der Ausbildung und Beschäftig­ung von islamische­n Geistliche­n in Sicht.

Jacobs betonte, es gehe nicht darum, mehr Druck auf die Verbände auszuüben. Vielmehr müsse die Bundesregi­erung selbst kreativ werden. In islamische­n Ländern erfüllten Vorbeter ihre eng begrenzten Aufgaben unter genauer Kontrolle des Staates. In Europa seien Imame als Seelsorger, Erzieher, Sozialarbe­iter und Integratio­nslotsen gefragt. Dafür bräuchten sie „mehr als eine klassische Ausbildung in türkischen, ägyptische­n oder marokkanis­chen Religionss­eminaren plus ein paar Grundkennt­nissen der deutschen Sprache.“Und sie bräuchten Berufspers­pektiven und angemessen­e Gehälter, die von muslimisch­en Gemeinden in Deutschlan­d finanziert werden müssten.

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