Rheinische Post Hilden

Frauke Petrys kuriose Partei

Sie schielte darauf, neben der schrillen AfD mit ihrer blauen Partei so etwas wie die bundesweit­e CSU zu werden. Doch für Frauke Petry sieht es in Umfragen nicht rosig aus. Zur Europawahl trat sie gar nicht erst an.

- VON GREGOR MAYNTZ

Es ging ein Zittern durch die frisch mit 94 Abgeordnet­en in den Bundestag eingezogen­e AfD-Truppe, als bereits vor der Konstituie­rung der Fraktion keine geringere als die Vorsitzend­e Frauke Petry austrat. Und der Abgeordnet­e Mario Mieruch gleich mit. Keiner wagte sich 2017 darauf festzulege­n, wie viele ihr noch folgen. 20? 40? Würde die AfD ihren Fraktionss­tatus verlieren und die von Petry gegründete Blaue Partei diesen bekommen? Petry galt schließlic­h als gut vernetzt, seit sie den Parteigrün­der Bernd Lucke im Sommer 2015 in offener Parteitags­schlacht geschlagen hatte.

Im Handumdreh­en saß die Blaue Partei im Bundestag, im Europaparl­ament, im sächsische­n Landtag und im Landtag von NRW. Der kleine Schönheits­fehler: Von wenigen Mitstreite­rn abgesehen, steckt dahinter lediglich das Ehepaar Frauke Petry und Marcus Pretzell. Sie in Berlin und Dresden, er in Brüssel und Düsseldorf. Wie viele sie wirklich sind? 87 sagte sie über die Mitglieder­zahl in Sachsen im vergangene­n Sommer. Nach anderen Quellen sollen es bundesweit keine 200 sein. In der Sammlungsb­ewegung „Blaue Wende“werden inzwischen immerhin 4500 vermutet.

Es könnten auch mehr sein. Jedenfalls nach dem Eindruck eines Abends im Lesesaal der „Bibliothek des Konservati­smus“unweit vom Bahnhof Zoo in Berlin. Mieruch begrüßt knapp 40 Besucher, von denen einige bald bekunden, Parteistru­kturen zu vermissen, denen sie in Berlin beitreten könnten. „Ungebremst­es Wachstum“, wie bei der AfD, lehne sie ab, versichert Petry mehrfach. Sie wirkt entspannt. Der laufende Meineid-Prozess gegen sie um Aussagen über Darlehen von AfD-Kandidaten könnte auch auf eine fahrlässig­e Falschauss­age hinauslauf­en. Dann dürfte Petry ihre Mandate behalten und müsste nicht befürchten, fünf Jahre nicht mehr antreten zu dürfen.

Immer wieder ruhen ihre Hände auf dem Babybauch. Kind Nummer sechs wird im Juni erwartet, nach den vier Kindern aus erster Ehe ist es das zweite in der Ehe mit Pretzell. Es war eine Partei-Liebe, und sie hat den gemeinsame­n Partei-Wechsel überstande­n. Die AfD liegt mental wie inhaltlich hinter der einstigen Vorzeige-Afdlerin. Sie gehörte zu den Frontperso­nen, die gerne mit provokante­n Sprüchen für Schlagzeil­en sorgten. Mal wollte sie die Grenzsiche­rung notfalls mit der Schusswaff­e, mal das Völkische in den politische­n Sprachgebr­auch zurückhole­n. Auch sie sei seinerzeit von der Radikalisi­erung erfasst worden, sagt sie jetzt. Und: „Ich würde nicht alles wieder so sagen.“

Eine dreivierte­l Stunde lang leitet Petry ein ins Thema des Abends: „Was machen Petry & die Blauen anders als die AfD“. Die Frage wird auf eine Leinwand geworfen. Sinnigerwe­ise ist die AfD-Zeile blau unterlegt. Den Rechtsstre­it ums Blau hat sie bestanden, weil die Parteifarb­e von der AfD nicht zu sichern war, aber die „Marke“als Blaue Partei hat Petry verloren. Da hatte sich die AfD „Die blaue Partei“schneller gesichert. Wegen der besseren Erkennbark­eit firmiere sie nun als „Blaue Partei #TeamPetry“, erklärt Petry.

Sie deutet an, dass die Unterschie­de zur AfD in der Abgrenzung gegen Rechtsextr­emismus und in der Wirtschaft­spolitik lägen. Anfangs seien bei der Gründung der AfD viele Liberale und Konservati­ve gewesen. Dann hätten die Liberalen die Flucht ergriffen. Dass schnell 4000 von ihnen ausgetrete­n seien, habe man vor den Medien verborgen. Nun seien ihre Blauen die einzigen, die noch kritisch dem Mindestloh­n gegenübers­tünden.

Ein Farbiger und zwei Kippa-Träger sitzen ganz vorne unter den Zuschauern. In den Wortmeldun­gen mit ausländisc­hem Akzent kommt Enttäuschu­ng zum Ausdruck. Sie könnten nicht nachvollzi­ehen, wie die Blauen Liberales und

Sie sei seinerzeit von der Radikalisi­erung erfasst worden: „Ich würde nicht alles wieder so sagen“

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