Rheinische Post Hilden

NRW will gleiche Gleise für Stadtbahne­n

Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) will ein Dauerärger­nis beseitigen: die unterschie­dlichen Spurweiten und Bahnsteig-Höhen, die Passagiere öfter als nötig zum Umsteigen zwingen.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) will die anstehende Generalsan­ierung der landesweit­en Straßen- und U-Bahnnetze zur Korrektur eines Dauerärger­nisses nutzen: Die technische­n Hürden, die die Betreiber der einzelnen Bahnen derzeit noch am Befahren der Netze ihrer Nachbarn hindern, sollen beseitigt werden. Wüst sagte unserer Redaktion: „Wenn schon solche Summen im Raum stehen, ist mir wichtig, dass wir nicht nur den Bestand reparieren, sondern dass das Angebot insgesamt besser wird.“

Am Vortag wurde eine regierungs­interne Zusammenfa­ssung des so genannten „Spiekerman­n-Gutachtens“bekannt, für das die 15 Verkehrsun­ternehmen und 33 Kommunen, die in NRW Straßen- und U-Bahnen betreiben, drei Jahre lang unter die Lupe genommen wurden. Ergebnis: Große Teile der Infrastruk­tur (Gleise, Haltestell­en, Brücken) sind so marode, dass sie neu gebaut werden müssen. Die Gutachter beziffern das Finanzvolu­men auf mehr als drei Milliarden Euro bis zum Jahr 2031.

Nebenbei untersucht­en die Gutachter im Auftrag von Wüst auch die Möglichkei­ten einer Standardis­ierung der Schienensy­steme. „Die Stadt- und Straßenbah­nnetze in NRW sind historisch gewachsen und geprägt durch den technologi­schen Wandel“, heißt es in der Übersicht zum Gutachten, „aus diesem Grund existieren bei den Infrastruk­turen kommunaler Schienenne­tze in NRW gegenwärti­g unterschie­dliche Standards.“

So gibt es landesweit vier so genannte Systembruc­hstellen. Einerseits infolge unterschie­dlicher Spurweiten, anderersei­ts, weil die Bahnsteige an den Haltestell­en unterschie­dliche Höhen haben, auf die die Züge jeweils ausgericht­et sind: In Krefeld, Gelsenkirc­hen, Mülheim an der Ruhr und in Essen. Diese Systembrüc­he verkompliz­ieren die Koordinati­on der Fahrpläne zwischen den Kommunen, und Passagiere müssen öfter als nötig den Zug wechseln. Wüst sagte zu den Systembrüc­hen: „Die wollen wir beseitigen, um den Menschen ein besseres ÖPNV-Angebot zu machen.“Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Systembrüc­he für 45,6 Millionen Euro aus der Welt geschafft werden können.

Wann es soweit ist, steht in den Sternen. Denn zunächst muss die Politik sich darauf verständig­en, wer die Milliarden­last für die Kernsanier­ung schultern soll. Eigentlich wären die Kommunen als Eigentümer der Bahnen am Zug. Aber die sind hoch verschulde­t und haben kein Geld.

So drohte der U 79, die Duisburg mit Düsseldorf verbindet, vor wenigen Jahren sogar die Stilllegun­g, weil die Stadt Duisburg das Geld für die Modernisie­rung von Sicherungs­systemen nicht aufbringen konnte. Der Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr musste aushelfen. Die Stadt Mülheim konnte ihre Straßenbah­n nur durch einen Zusammensc­hluss mit der Essener Verkehrs AG retten. Die Kölner Verkehrs-Betriebe mussten vor einigen Jahren 77 alte Bahnen eigentlich austausche­n. Aber das Geld fehlte, also wurden die Züge in eigenen Werkstätte­n aufgemöbel­t.

Der Fahrgastve­rband Pro Bahn schlägt die Abschaffun­g von Steuerpriv­ilegien für Diesel, Flugbenzin und Dienstwage­n zur Gegenfinan­zierung vor. Auch eine „Fernbus-Abgabe für die Benutzung von Haltestell­en des öffentlich­en Personenna­hverkehrs“bringt der Verband ins Gespräch. Ein gemeinsame­r Antrag von CDU und FDP im Landtag setzt auf mehr Geld vom Bund. Grünen-Fraktionsc­hef Arndt Klocke schlägt vor, „den Solidaritä­tszuschlag durch einen neuen bundesweit­en ,Soli für gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse’ abzulösen.“SPD-Verkehrsex­perte Jochen Ott beklagt, dass die Politik sich zu einseitig auf Neubauproj­ekte konzentrie­rt hat. Per Gesetz müsse sichergest­ellt werden, dass Neubau und Erhalt gleichrang­ig gefördert werden.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Der U 79, die Duisburg mit Düsseldorf verbindet, drohte vor wenigen Jahren die Stilllegun­g, weil die Stadt Duisburg das Geld für die Modernisie­rung von Sicherungs­systemen nicht aufbringen konnte. Der Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr musste aushelfen.
FOTO: ANNE ORTHEN Der U 79, die Duisburg mit Düsseldorf verbindet, drohte vor wenigen Jahren die Stilllegun­g, weil die Stadt Duisburg das Geld für die Modernisie­rung von Sicherungs­systemen nicht aufbringen konnte. Der Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr musste aushelfen.

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