„Scheitert die Aufklärung im Fall Lügde, scheitert Reul“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag über das Behörden-Versagen, Straßenbaubeiträge und sein Verhältnis zum Landesvorsitzenden.
DÜSSELDORF Thomas Kutschaty (SPD) ist seit fast einem Jahr Oppositionsführer im Landtag. Zum Gespräch erscheint er mit leichter Erkältung – die habe er sich zugezogen, als er im Regen zornigen Bürgern in Stolberg zuhörte, die gegen Straßenbaubeiträge protestierten.
Das Behörden-Versagen bei den Ermittlungen zum Kindesmissbrauch in Lügde nimmt groteske Züge an. Warum zögern Sie, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Pua) einzusetzen? KUTSCHATY Ein Pua könnte jetzt noch nicht richtig arbeiten, weil das Ermittlungsverfahren gegen den Hauptverdächtigen voraussichtlich erst Ende Mai abgeschlossen wird. Wir könnten daher noch keine Zeugen befragen. Außerdem kommen zurzeit ja gefühlt fast täglich neue Vorfälle ans Licht. Aber ein Pua ist nahezu unvermeidbar. Der Fall hat dazu alle Voraussetzungen, das Ganze ist ein unglaublicher Skandal.
Könnte es dann dazu kommen, dass Kinder als Zeugen im Landtag aussagen müssen?
KUTSCHATY Das wollen wir auf jeden Fall vermeiden. Deshalb schlagen wir vor, dass es auch eine Kommission des Landtags geben soll, die sich mit der Frage beschäftigen soll: Wie gehen wir eigentlich mit dem Thema Kindeswohl um? Wir laden dazu alle Fraktionen ein, aber auch Wissenschaftler und Experten. Ich mag nicht hinnehmen, dass es möglich ist, ein Pflegekind einem alleinstehenden Mann mit einer zugemüllten Behausung auf einem Campingplatz zuzusprechen. Da müssen wir dringend klären: Wie ist eigentlich die Situation in NRW? Welche Qualitäts- und Qualifikationsfragen müssen wir beantworten? Wie müssen die Jugendämter ausgestattet sein, wie viele Fälle sollte ein Mitarbeiter gleichzeitig höchstens betreuen dürfen? Im Pua hingegen wird es vor allem um die Ermittlungspannen gehen – und das Vorgehen des Innenministers.
Was werfen Sie Innenminister Herbert Reul konkret vor?
KUTSCHATY Er ist angetreten, um die Sicherheit dieses Landes zu erhöhen. Und nun sind die beiden Minister, die für innere Sicherheit zuständig sind, Reul und Biesenbach, ausgerechnet diejenigen mit den meisten Pannen. Justizminister Biesenbach ist im Mittelpunkt zweier Puas, und Reul steht jetzt durch den Missbrauchsskandal Lügde auch unmittelbar davor. Der Innenminister wird zurzeit ständig von neuen skandalösen Ereignissen überrollt. Er ist mit der Aufklärung sichtlich überfordert.
Welchen Fehler halten Sie für den schwerwiegendsten?
KUTSCHATY In solch einem Fall muss sich der Innenminister vom ersten Tag an vergewissern, dass die Polizeibehörde vor Ort der Sache gewachsen ist. Er hat viele Wochen gebraucht, bis er den Fall nach Bielefeld weitergegeben hat. Er spielt leichtfertig den großen Aufklärer, aber es kommt scheibchenweise immer Neues hinzu. Dadurch erleidet auch die Polizei einen großen Imageverlust. Scheitert die Aufklärung im Fall Lügde, scheitert auch Reul.
Sie sind jetzt seit fast einem Jahr Oppositionsführer im Landtag. Die SPD setzt große Hoffnungen in die Kommunalwahlen 2020. In wie vielen Städten haben die Sozialdemokraten gute Chancen, den Oberbürgermeister zu stellen? KUTSCHATY 14 der 23 Oberbürgermeister in NRW sind Sozialdemokraten, 2020 sollen natürlich noch welche dazukommen. Insbesondere in Essen und Oberhausen wollen wir wieder gewinnen. Von unseren Bürgermeistern kann die ganze Partei lernen.
Und was haben Sie gelernt? KUTSCHATY Unsere Bürgermeister sind nah dran an den Themen, die die Menschen bewegen. Darum müssen wir uns auch im Land kümmern. Dazu gehören vor allem bezahlbarer Wohnraum, Mieterschutz, Kita-Plätze und -Gebühren und Straßenausbaubeiträge. Die empfinden die Bürger als schreiende Ungerechtigkeit. 24 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche müssen sie teilweise bezahlen, wenn die Straße neu gemacht wird, da kommen schnell über 20.000 Euro zusammen. Wir wollen die Straßenausbaubeiträge abschaffen und die Kosten der Anlieger aus Landesmitteln finanzieren. Die Landesregierung von Herrn Laschet sieht das leider anders.
Damit belasten Sie dann also nicht nur die Grundstückseigentümer, sondern auch noch die Steuern zahlenden Mieter.
KUTSCHATY Wir finanzieren doch auch Schwimmbäder, Schulen und sonstige Straßen aus Steuergeldern. Die Straßen gehören zur Infrastruktur und werden von allen genutzt. Steuern haben anders als Abgaben zudem den Vorteil, dass sie Leistungsfähigere stärker belasten.
Warum haben Sie die Straßenausbaubeiträge nicht schon während Ihrer Regierungszeit abgeschafft? KUTSCHATY Das Problem war zu der
KUTSCHATY
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