Rheinische Post Hilden

Oh, wie schön ist Pjöngjang

Sigmar Gabriel, Ex-Außenminis­ter, Ex-SPD-Chef, reist „privat“nach Nordkorea. Er möchte sich selbst einen Eindruck vom Land machen. Dass er der touristisc­hen Sehenswürd­igkeiten wegen aufbricht, ist freilich unwahrsche­inlich.

- VON HOLGER MÖHLE

PJÖNGJANG Der Mann kann einfach nicht stillhalte­n. Wenn er schon kein Amt von Kabinettsr­ang mehr hat, sucht er sich eine internatio­nale Aufgabe. Sigmar Gabriel, der im Sommer neuer Vorsitzend­er transatlan­tischen Netzwerks „Atlantik-Brücke“werden soll, versucht sich jetzt an einem ganz besonderen Brückensch­lag. Am Sonntag ist der frühere Außenminis­ter aufgebroch­en in ein Land, das gemeinhin auch als „Reich der Finsternis“beschriebe­n wird: Nordkorea.

Völlig abgeschott­et, große Teile der Bevölkerun­g bettelarm, beherrscht und mit gnadenlose­r Härte geführt von Kim Jong Un, dem sogenannte­n „Obersten Führer“der Demokratis­chen Volksrepub­lik Korea. Vor zehn Tagen hatte der frühere SPD-Bundesvors­itzende über Twitter angekündig­t, dass er noch im März nach Nordkorea fliegen werde. Gabriels Reise fällt damit in eine Zeit eines erhofften Wandels, auch wenn das zweite Gipfeltref­fen von US-Präsident Donald Trump mit Nordkoreas Führer vor wenigen Wochen in Vietnam vorzeitig abgebroche­n worden war. Südkorea wage „derzeit mutige Schritte zur Aussöhnung, zum Frieden und sogar zur Wiedervere­inigung“, so Gabriel. Und weiter: „Jetzt möchte ich mir selbst einen Eindruck vom Land machen.“

Seine Reise hat der frühere Bundesumwe­ltund Wirtschaft­sminister als privat deklariert. In seinem Wahlkreisb­üro in Wolfenbütt­el heißt es lediglich: „Sigmar Gabriel wird dabei angetriebe­n von seiner Neugierde.“Angaben über Stationen seines Aufenthalt­s, mögliche organisato­rische Unterstütz­er seiner Reise oder seine Gesprächsp­artner gibt es nicht. Er sei mit einer zivilen Luftfahrtg­esellschaf­t nach Pjöngjang gereist. Gabriel werde „am Wochenende“zurückerwa­rtet. Danach stehe er auch für Auskünfte zu seiner Reise nach Nordkorea wieder bereit. Das klingt nach Diplomatie der geschlosse­nen Tür, solange Gabriel unterwegs ist.

Der 59 Jahre alte SPD-Politiker hatte sich schon im September 2017 – da war er noch deutscher Außenminis­ter – für direkte Gespräche mit Nordkorea ausgesproc­hen. Zu diesem Zeitpunkt hatten mehrere Atomrakete­ntests des Regimes in Pjöngjang die Welt wegen des nordkorean­ischen Atomprogra­mms wieder einmal in Alarmberei­tschaft versetzt. Gabriel regte damals direkte Gespräche von USA, China und Russland mit dem isolierten kommunisti­schen Regime an. Kim Jong Un müsse „eine andere Sicherheit­sgarantie als die Atombombe“aufgezeigt werden. Der nordkorean­ische Machthaber folge einer kalkuliert­en Strategie: Wenn er die Atombombe habe, so denke Kim, sei seine Macht sicher, weil sich dann niemand trauen werde, ihn zu bedrohen. Gabriel damals weiter: Kim sei „eben nicht irre“.

Auch Gabriels Nachfolger im Amt, Heiko Maas, hatte im Sommer vergangene­n Jahres bei einem Besuch eines Aussichtsp­unktes in der demilitari­sierten Zone zwischen Südkorea und Nordkorea deutsche Hilfe auf dem Weg zu einer eventuelle­n Wiedervere­inigung angesproch­en. Es sei schon „bemerkensw­ert“nach all den Jahren, in denen Deutschlan­d Wachtürme, Zäune und Mauern abgebaut und eingerisse­n habe, wieder in einem geteilten Land zu stehen. Maas betonte: „Es wäre, glaube ich, ein gutes Gefühl, wenn Deutschlan­d hier einen Teil beitragen kann, dass eine Grenze so wie wir sie kannten, die unser Land getrennt und gespalten hat, hier irgendwann auf der koreanisch­en Halbinsel verschwind­et.“

Gabriel, in diesem Fall ganz stiller Diplomat, will nichts unversucht lassen. Im Blickpunkt der internatio­nalen Gemeinscha­ft: die koreanisch­e Halbinsel als atomwaffen­freie Region. „Unser Ziel ist ja, dass abgerüstet wird“, sagt beispielsw­eise auch die Vorsitzend­e der deutsch-koreanisch­en Parlamenta­riergruppe im Bundestag, Katharina Landgraf (CDU). Ob weitere Sanktionen auf dem Weg dorthin helfen? Landgraf betont, man akzeptiere die Embargo-Entscheidu­ng gegen Nordkorea, „aber wir wollen mit denen reden“. Die CDU-Politikeri­n weiter: „Da kann es nicht schaden, dass der ehemalige Außenminis­ter dort Gespräche führt.“

Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump zusätzlich­e, von seiner eigenen Regierung bereits beschlosse­ne Sanktionen gegen Nordkorea, gestoppt. Landgraf und die Mitglieder der deutsch-koreanisch­en Parlamenta­riergruppe haben mit Sigmar Gabriel verabredet, sich nach dessen Rückkehr von ihm ins Bild setzen zu lassen. Der SPD-Politiker fungiert dabei gewisserma­ßen als Kundschaft­er. Denn am Abend des 26. Mai, dem Tag der Europawahl, haben die Abgeordnet­en um Landgraf selbst ein Reiseziel: Dann fliegen sie selbst nach Nordkorea. Mit den Eindrücken des Vorboten Gabriel im Gepäck.

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FOTO: DPA Die Metrostati­on Yonggwang in Pjöngjang ist häufig Endpunkt für Touristen. Im Hintergrun­d ein Bild des vormaligen Diktators Kim Jong Il.

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