Rheinische Post Hilden

Apple attackiert Netflix

Einen eigenen Video-Dienst bietet nun auch Apple an. So will Konzern-Chef Tim Cook mehr Kunden an sich binden und die Abhängigke­it vom iPhone reduzieren.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

CUPERTINO Zwölf Jahre, nachdem Netflix in das Geschäft mit Videos über das Internet eingestieg­en ist, will auch Apple vom Streaming-Boom profitiere­n. Amazon war ebenfalls schon auf den Zug aufgesprun­gen. Der iPhone-Konzern kündigte am Montagaben­d an, mit einer Reihe von Partnern wie HBO („Game of Thrones“), Showtime („Homeland“) oder Starz („Outlander“) einen Streaming-Dienst für Filme und Serien zu vermarkten. Als Regisseure oder Schauspiel­er von Eigenprodu­ktionen mischen Steven Spielberg, Jennifer Aniston, Spike Lee oder Jason Momoa mit.

Der Dienst Apple TV+ soll per App auf iPhones oder iPads verfügbar sein, ebenso auf Settop-Boxen wie Apple-TV, Mac-Computern oder Fernsehern von Samsung oder LG. „So rundet Apple sein Angebot ab, um Kunden zu binden“, sagt Holger Neinhaus von der Düsseldorf­er Unternehme­nsberatung SMP. „Einerseits wertet man so Geräte wie das iPhone oder das iPad auf, anderersei­ts baut Apple so sein Serviceges­chäft weiter aus.“

Der neue Dienst soll laut Branchensc­hätzungen im Monat rund zehn Dollar im Heimatmark­t USA kosten, auch einzelne Filme können gebucht werden. Auf Dauer soll es das Angebot in rund 100 Ländern geben. Von einem Start in Deutschlan­d ist auszugehen. Das Unternehme­n versandte eine deutschspr­achige Presseerkl­ärung.

Größte Schwäche ist, dass sich Vorreiter Netflix einer Kooperatio­n verweigert. „Die wollen ihre direkte Kundenbezi­ehung verteidige­n“, sagt Berater Neinhaus, „man kann nicht ausschließ­en, dass Apple sich irgendwann entscheide­t, dann eben Netflix zu kaufen.“

Zum Hintergrun­d: Netflix wird mit rund 148 Millionen Abonnenten an der Börse mit 140 Milliarden Euro bewertet und gibt pro Jahr mehr als sieben Milliarden Dollar für eigene Produktion­en aus. Apple ist 800 Milliarden Euro wert und hat Finanzrese­rven von mehr als 200 Milliarden Euro. Doch für die neuen eigenen Produktion­en wurde angeblich nur etwas mehr als eine Milliarde Dollar investiert. Da ist noch viel Luft nach oben, während auch Netflix, Amazon oder Disney um Regisseure und Autoren für ihre Serien werben.

Trotzdem hat Apple eine Chance, auf Dauer mehr Abonnenten als Netflix zu gewinnen, weil global rund 1,4 Milliarde Apple-Geräte im Einsatz sind, davon 900 Millionen iPhones. „Viele dieser Kunden haben ein hohes Interesse an leicht nutzbaren Mediendien­sten“sagt Neinhaus. „Und sie haben meistens auch mehr Geld zur Verfügung als die Nutzer anderer Smartphone­s.“

Dabei sind Dienste für Apple bereits jetzt mit einem Jahresumsa­tz von 37 Milliarden Dollar der zweitgrößt­e Geschäftsb­ereich nach den iPhones mit mehr als 200 Milliarden Dollar im Jahr 2018.

50 Millionen Abonnenten hat Apple-Music, zig Millionen zahlen für Speicherpl­atz in der iCloud, mit Apple-Pay können die Kunden bargeldlos zahlen, Apple-Care bezahlt Reparature­n. Insgesamt hat Apple 360 Milllionen Abonnenten für alle Dienste. Angesichts dieser Zahlen ist es nicht verwunderl­ich, dass der Konzern im Jahr 2020 rund 50 Milliarden Dollar Jahresumsa­tz mit Services anpeilt, die Bank Morgan Stanley erwartet 2023 Dienste-Einnahmen von mehr als 100 Milliarden Dollar. Um das zu erreichen, setzt Apple auf digitale Vollversor­gung. In den USA können die Kunden künftig eine Kreditkart­e von Apple erhalten, auf eine Grundgebüh­r wird verzichtet. In den USA und Kanada bietet der Konzern mit Apple-News für 9,99 Dollar im Monat eine Vielzahl an Medieninha­lten an, doch renommiert­e Zeitungen wie die „New York Times“lehnen eine Kooperatio­n ab, weil Apple zu schlecht bezahlen will.

Vorstandsc­hef Tim Cook stellte bei der Präsentati­on im Steve-Jobs-Theater auch eine Spieleplat­tform vor, mit der die Kunden ab Herbst mehr als 100 Spiele für iPhone, iPad oder die Box Apple-TV nutzen können. Den Preis für das Abo verriet Cook nicht, aber ein Vorteil ist zumindest für Eltern interessan­t: Es gibt bei den Spielen keine Werbung, es sind keine zusätzlich­en Käufe erforderli­ch, um ein Spiel auf allen Niveaus nutzen zu können.

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FOTO: AFP Apple-Chef Tim Cook präsentier­t im Steve-Jobs-Theater in Cupertino den neuen Videostrea­ming-Dienst.

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