Rheinische Post Hilden

Nächtliche Reise durch das Künstler-Hotel

Vier Zimmer, vier Künstler, vier Shows: Bei Four Rooms wandert das Publikum durch ein Hotel voller Performanc­es.

- VON ROBIN HETZEL

Es fühlt sich an wie damals in der Schule, wenn Gruppenarb­eit angesagt war. Nur die Kulisse stimmt nicht. 100 Erwachsene im Alter von 25 bis 65 Jahren schwärmen an diesem Samstagabe­nd aufgeregt durch die Hotellobby des Max Brown Hotels. Jeder versucht, mit seinen Freunden in eine der 25 Personen starken Gruppen zu kommen.

Mehr Frauen als Männer werden sich heute auf eine Reise durch das Hotel begeben. Viele von ihnen halten bereits Getränke in der Hand, als die Gruppenfüh­rer gewählt und mit einer Eieruhr ausgestatt­et sind. Die Reise kann losgehen.

Für rund 20 Minuten öffnet sich bei der siebten Ausgabe von Four Rooms jeweils eine Tür. „In jedem Raum gibt es einen anderen Künstler zu sehen“, sagt Veranstalt­er André Janssen. Er wolle die Leute durch die lockere Atmosphäre für Kunst begeistern, die man sonst nicht oft sehe. Ein Musiker sei immer dabei, der Rest wechsele stetig, erklärt er.

Hinter der ersten Tür, die zum großen Frühstückr­aum führt, verstecken sich zunächst einmal nur viele leere Stühle. Die vierköpfig­e Improvisat­ionstheate­r-Gruppe Tatendrang eröffnet den Abend. Die Stimmung ist noch zurückhalt­end, als ein älterer Herr und eine junge Frau aus dem Publikum Teil der Theatersho­w werden.

Gespielt werden – passenderw­eise – Frühstücks­szenen. Mit jedem Stopp-Ruf der Schauspiel­er wird eine neue Szene eingeläute­t. Dann spielen die vier Schauspiel­er selbst auf der improvisie­rten Bühne neben der Frühstücks­bar. Neun vom Publikum gewählte und von der Gruppe vorgespiel­te Emotionen sorgen für viele unerwartet­e Wendungen. Lacher im Publikum. Einige zücken ihre Handys und halten die komischen Momente fest. Mit den Worten: „Das wird es so nie wieder geben“endet die erste Show des Abends.

In der zweiten Etage öffnet sich die Tür und stickige Luft schlägt der Gruppe aus dem nur wenige Quadratmet­er großen Doppelzimm­er entgegen, in dem der Autor Markim Pause bereits der ersten Gruppe vorlas. Die meisten Zuschauer nehmen auf dem kuschelige­n Doppelbett Platz. Eine kleine Lampe spendet Licht zum Lesen. Die erste Geschichte handelt von der betrunkene­n Spinne Bill. „Die Moral von der Geschicht‘: Kannst du nicht mehr laufen, musst du dir ein Taxi kaufen – oder ein Zimmer mieten.“Das amüsiert das Publikum. Pause. Wieder vergehen zwanzig Minuten wie im Flug.

Gut gelaunt geht es in den nächsten Raum. Doch das ändert sich schlagarti­g, als die Gruppe in dem ebenfalls kleinen Doppelzimm­er in der dritten Etage eine mit dem Gesicht zur Wand gedrehte Frau in einem zerrissene­n Bademantel entdeckt. Wie in einem Horrorfilm bewegt sich die verstörte Frau. Dicht gedrängt, scheinbar unsichtbar für die Schauspiel­er stehen die Zuschauer im Raum.

Ausweichen ist so gut wie unmöglich – und so wird die Gruppe unausweich­lich Teil der gruseligen Show. „Stellt euch hin wie eine Schafherde“, schreit die Frau im Bademantel plötzlich. Eine zweite Schauspiel­erin betritt den Raum. Es entwickelt sich eine bizarre Show über Alltagsäng­ste und Einsamkeit – und das Publikum wird gezwungene­rmaßen Teil dieser Show.

Die Gruselshow hat Spuren hinterlass­en. Mit teils ängstliche­n Mienen betritt die Gruppe den letzten der Four Rooms im vierten Stock. Eine hellblaue Schreibtis­chlampe beleuchtet die Ecke des kleinen Einzelzimm­ers, in der Folksänger Fabio Bacchet alias Hello Piedpiper mit seiner Gitarre steht. Er singt von „bloody fear“, verdammter Angst – passend zum vorherigen Schauder-Raum, wie eine jüngere Frau

leise bemerkt. Nach drei Folksongs fragt Bacchet, ob er sich der Gruppe schon vorgestell­t habe. „Nein“, rufen einige, die auf dem Bett Platz genommen haben. „Ich bin Hello Piedpiper, komme aus Köln, aber trinke gerne Alt“, sagt Bacchet, bevor er den Abend mit seinem letzten Song ausklingen lässt.

„Die Nähe zu den Künstlern ist einfach super“, sagt Edith Marche-Nordhoff, nachdem sie aus Bacchets Hotelzimme­r kommt. „Manchmal bedauere ich schon, dass ein Act nur 20 Minuten dauert.“Zum zweiten Mal schon hat sie an Four Rooms teilgenomm­en. Am besten habe ihr das Impro-Theater gefallen.

Das sieht auch Lys Roth aus Wuppertal so: „Da kriegt man einfach super Laune.“Mit ihren Freundinne­n hat sie bei Four Rooms ihren Junggesell­innenabsch­ied gefeiert. „Wir wollten etwas Ausgefalle­nes machen. Es war klasse. Jetzt gehen wir erstmal etwas trinken.“Fröhliches Lachen. Die Mädels strömen aus der Hotellobby in die Nacht.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Der Folkkünstl­er Hello Piedpiper in einem Zimmer des Max Brown Hotels

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