Rheinische Post Hilden

Druck auf Bayer-Chef Baumann wächst

Die Aktie fällt weiter, die Übernahmeg­efahr wächst. Investoren werden nervös: Im Kurs ist eingepreis­t, dass Bayer wegen der Glyphosat-Klagen 20 bis 25 Milliarden Euro Schadeners­atz zahlen könnte, so Analysten.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN In der Bayer-Belegschaf­t rumort es. 12.000 Stellen werden abgebaut. Auch die Altersvors­orge schmilzt dahin, sofern sie in Bayer-Aktien angelegt ist: Ein Prozent des Konzerns gehört den Mitarbeite­rn, der Wert ihrer Aktien ist binnen eines Jahres um über 250 Millionen Euro geschrumpf­t. Seit Monaten ist ist die Aktie auf Talfahrt. 2018 verlor sie 40 Prozent, am Dienstag fiel sie zeitweise um 3,4 Prozent auf 55 Euro. Der Leverkusen­er Konzern ist mittlerwei­le an der Börse weniger wert, als die 59 Milliarden Euro, die er für Monsanto bezahlt hat.

Klagen gegen den Unkrautver­nichter Glyphosat machen die Anleger nervös, nun gerät auch Bayer-Chef Werner Baumann unter Druck. „Monsanto ist natürlich mehr als Glyphosat. Der Name Baumann steht dennoch schlussend­lich für die Monsanto-Akquisitio­n und die Glyphosat-Klagen“, sagt Stefan Röhle, Analyst bei Independen­t Research. Mit dem operativen Geschäft habe Bayer zwar überzeugt, gerade Monsanto habe zuletzt gute Ergebnisse abgeliefer­t. „Doch derzeit überlagert das Thema Glyphosat alles.“Aktionär Christian Strenger, der vom „größten Wertvernic­hter der Dax-Geschichte“spricht, beantragt, den Vorstand auf der Hauptversa­mmlung am 26. April in Bonn nicht zu entlasten.

Baumann hatte einst als Strategiec­hef den Monsanto-Deal eingefädel­t. 23 Tage, nachdem der Krefelder 2016 das Steuer übernommen hatte, machte er die Übernahmep­läne öffentlich. Akribisch ließ er den Deal vorbereite­n und alle Risiken durchrechn­en. „Ich würde Monsanto wieder kaufen“, sagt er immer wieder. Auch nachdem Bayer Hausherr in St. Louis geworden war, fand er keine „smoking gun“– keinen Hinweis auf das nahende Glyphosat-Drama. „Wir haben dieses hohe Prozessris­iko nicht gekannt. Bei den ersten Gesprächen mit Monsanto lagen 21 Klagen vor“, sagte er im Dezember. Aktuell gibt es 11.200 Kläger.

Ob Monsanto ein Fehler war, lässt sich für Markus Manns, Portfolio-Manager bei Union Investment, 58,54 EUR 2013 2014 2015 erst am Ende der Klagen sagen. „Kommt Bayer mit Zahlungen bis zu fünf Milliarden Dollar davon, hat der Bayer-Vorstand alles richtig gemacht“, sagt Manns unserer Redaktion. „Zumal der Monsanto-Deal grundsätzl­ich richtig war.“Bayer sei mit Pflanzensc­hutz allein zu klein in der Agrochemie gewesen. Er betont aber: „Muss Bayer am Ende mehr als zehn Milliarden Dollar zahlen, hat der Vorstand die Risiken von Monsanto klar unterschät­zt.“Die Zahlen ergäben sich aus vergleichb­aren Klagen wie Vioxx von Merck oder Xarelto von Bayer. Bayer hat sich im Streit um den Gerinnungs­hemmer gerade auf einen Vergleich von 775 Millionen Dollar geeinigt, 2016 146,20 EUR 2017 2018 2019 140 EUR 120 EUR 100 EUR 80 EUR 60 EUR Vorstandsc­hef der Bayer AG 56,52 EUR das sind im Schnitt 30.000 Dollar pro Kläger - und das, obwohl Bayer die ersten Verfahren gewonnen hatte.

Anders bei Glyphosat: Im ersten Fall sprach eine Jury dem Platzwart Dewayne Johnson 78 Millionen Dollar zu. Im zweiten Fall, Ed Hardeman, sieht eine andere Jury einen Zusammenha­ng zwischen Glyphosat und Krebs. Das trifft Bayer hart, weil der Konzern erstmals selbst die Verteidigu­ng steuerte und der Fall Hardeman repräsenta­tiv für über 760 weitere vor dem Distriktge­richt San Francisco gebündelte Klagen ist. Manns sagt, entscheide­nder als die Jury-Verfahren seien die Berufungsv­erfahren, in denen Richter ohne Jury entscheide­n. Doch er sagt auch: „Aktuell fürchtet der Markt, dass der Schadeners­atz hoch ausfällt: In Bayer-Kursen um 60 Euro sind nach Markteinsc­hätzung Schadeners­atzzahlung­en von 20 bis 25 Milliarden Euro eingepreis­t.“

Union Investment ist nicht irgendwer, die Fondsgesel­lschaft der Volksbanke­n hält ein Prozent der Bayer-Aktien. Sie sieht auch, dass Bayer langfristi­g ein Übernahmek­andidat werden könnte. Manns sagt zwar: „So schnell geht das nicht, zumal Bayer mit zwei gleichstar­ken Beinen kein perfekter Übernahmek­andidat ist.“Er betont aber auch: „Sollte der Kurs auf Dauer, bis ins Jahr 2020 hinein so niedrig bleiben, wächst die Gefahr einer Übernahme.“Independen­t Research hat die Bayer-Aktie unlängst auf „Verkaufen“bei einem Kursziel von 56 Euro gesetzt.

Manns betont weiter: „Dauerhaft niedrige Kurse locken aktivistis­che Investoren an, die gerne die Auswechslu­ng des Vorstands und eine Zerschlagu­ng verlangen, wie sich in anderen Branchen zeigt.“Es gibt seit Monaten Spekulatio­nen, dass der Hedgefonds Elliott bei Bayer eingestieg­en ist, der schon Konzerne wie Thyssenkru­pp, Uniper und Gea aufgemisch­t hat. Ab einer Beteiligun­g von drei Prozent müsste Elliott sich erklären, bisher gibt es keine Meldung.

Baumanns Vertrag läuft bis April 2021. Im nächsten Jahr müsste der Aufsichtsr­at über die Zukunft des 56-jährigen entscheide­n. „Die Perspektiv­e für Werner Baumann hängt auch davon ab, ob er die operativen Baustellen in den Griff bekommt“, so Manns. Bayer hat Probleme im Geschäft mit rezeptfrei­en Arzneien von Merck und arbeitet seit einem Jahr daran, Mängel im Leverkusen­er Pharmawerk abzustelle­n.

Aus Sicht von Analysten hängt Baumanns Schicksal nicht nur an Glyphosat, sondern auch an Aufsichtsr­ats-Chef Werner Wenning. Wenning war nicht nur viele Jahre der Förderer von Baumann, er hat auch gemeinsam mit ihm den Monsanto-Deal durchgekäm­pft. „Beide sitzen in einem Boot. Es ist undenkbar, dass Baumann geht und Wenning bleibt“, sagt ein Finanzmark­t-Experte.

 ?? QUELLE: ONVISITA | FOTOS: DPA, IMAGO | GRAFIK: ALICIA PODTSCHASK­E ??
QUELLE: ONVISITA | FOTOS: DPA, IMAGO | GRAFIK: ALICIA PODTSCHASK­E

Newspapers in German

Newspapers from Germany