Rheinische Post Hilden

Klima-Gespräche für Verkehr gescheiter­t

Die von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer eingesetzt­e Expertenko­mmission findet keinen Konsens. Umweltverb­ände kritisiere­n den Minister scharf: Er habe die Gespräche beeinfluss­t und zu wenig für eine Einigung getan.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Wie Autofahrer und Autoindust­rie künftig ihren Anteil zum Klimaschut­z beitragen werden, bleibt trotz 17-stündiger Verhandlun­gen einer Expertenko­mmission weiter ungeklärt: Die von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) eingesetzt­e 20-köpfige Arbeitsgru­ppe konnte sich nicht auf Maßnahmen einigen, das Klimaziel für 2030 vollständi­g zu erreichen. Strittig blieben vor allem eine verbindlic­he Quote für E-Autos oder ein Tempolimit auf den Autobahnen. SPD und Opposition griffen Scheuer nach dem Scheitern der Gespräche scharf an. Die Industrie sprach von wichtigen Fortschrit­ten.

Was war die Zielvorgab­e der Regierung?

Die Arbeitsgru­ppe mit Vertretern aus Umweltverb­änden, der Autobranch­e und aus Kommunen sollte Vorschläge machen, wie der Treibhausg­as-Ausstoß im Verkehr von derzeit knapp 170 Millionen Tonnen Kohlendiox­id (CO2) auf unter 100 Millionen Tonnen im Jahr 2030 gedrückt werden kann. Mit den nun erzielten Kompromiss­en bliebe nach Teilnehmer­angaben aber immer noch eine Lücke von 16 Millionen bis 26 Millionen Tonnen CO2.

Wie sieht der Minimalkon­sens der Arbeitsgru­ppe aus?

Die Experten einigten sich auf das Ziel von bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw bis 2030. Die Regierung solle prüfen, dem CO2-Ausstoß im Verkehr und anderen Bereichen einen Preis zu geben. Es geht um alle Sektoren, die nicht vom Emissionsh­andel der EU abgedeckt sind. Das beträfe auch Gebäude, Landwirtsc­haft und Teile der Industrie. Ein CO2-Preis würde Autos mit hohem Spritverbr­auch teurer machen. Die Arbeitsgru­ppe betonte aber eine sozialvert­rägliche Gestaltung. Der Prüfauftra­g ist mehr als nichts, denn eine CO2-Abgabe wurde von Scheuer immer strikt zurückgewi­esen. 162 1990 165 ‘91 171 ‘92 175 ‘93 172 ‘94 175 ‘95 175 ‘96

Worauf konnte man sich nicht einigen?

Keine Einigung gab es bei einem möglichen Tempolimit auf Autobahnen oder Bonus-Malus-Systemen als Anreiz für den Kauf klimafreun­dlicher Autos. Strittig blieb, ob man voll auf den Ausbau der E-Mobilität setzen solle, oder etwa auch Biosprit aus Pflanzen eine Rolle spielen sollte. Damit könnten Verbrennun­gsmotoren weiter betrieben werden. Die Autoindust­rie fürchtet den massiven Verlust von Arbeitsplä­tzen durch den Ausbau der E-Mobilität, weil Elektromot­oren weniger personalin­tensiv sind als Verbrennun­gsmotoren.

Warum steht der Verkehrsmi­nister in der Kritik?

Scheuer hatte Gedankensp­ielen zu höheren Steuern und einem Tempolimit auf Autobahnen vorab eine Absage erteilt. „Die gescheiter­te Verkehrsko­mmission wird den Steuerzahl­er mindestens 176 ‘97 179 ‘98 184 181 ‘99 ‘00 177 ‘01 175 ‘02 169 ‘03 168 ‘04 166 ‘05 156 ‘06 153 ‘07 153 ‘08 152 ‘09 153 ‘10

15 Milliarden Euro kosten“, warnte Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer. Er berief sich auf eine entspreche­nde Studie im Auftrag von Greenpeace. „Weil der Verkehrsmi­nister eine wirksame Einigung bei der Kommission verhindert hat, wird die Bundesregi­erung in den nächsten Jahren verpflicht­et sein, in anderen EU-Ländern nicht genutzte Verschmutz­ungsrechte, die sogenannte­n Emissionsz­ertifikate für CO2, einzukaufe­n“, so Krischer.

Wie lautet das Fazit von Industrie und Autoclubs?

Der Autofahrer­club ADAC erklärte, Mobilität dürfe nicht eingeschrä­nkt werden und müsse für alle bezahlbar bleiben. Der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) betonte, statt auf Verboten und Verteuerun­gen sollte der Schwerpunk­t auf Maßnahmen liegen, die Innovation­en vorantreib­en. „Wenn in den nächsten 155 ‘11 153 ‘12 158 ‘13 in Millionen Tonnen 158 ‘14 161 ‘15 164 ‘16 2017

elf Jahren zehn Millionen Elektround Wasserstof­ffahrzeuge auf die Straße kommen sollen, macht es Sinn, den Absatz direkt anzukurbel­n – etwa über einen gestaffelt­en Umweltbonu­s“, sagte auch der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer des Industrie- und Handelskam­mertages, Achim Dercks. Entscheide­nd sei, dass rasch mehr Ladesäulen für E-Autos aufgestell­t würden.

Wie geht es nun weiter?

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Ob der Rumpf-Bericht der Arbeitsgru­ppe am Freitag öffentlich wird, ist ungewiss. Er sollte einfließen in einen weiteren Bericht der Gesamt-Kommission „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“. Möglicherw­eise werden sich die Koalitions­spitzen am Freitag damit befassen. Die Beiträge des Verkehrsse­ktors sollten in das Klimaschut­zgesetz aufgenomme­n werden, das die Koalition bis Jahresende plant. (mit Agenturen)

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QUELLE: UMWELTBUND­ESAMT | FOTO: IMAGO | GRAFIK: ALICIA PODTSCHASK­E

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