Rheinische Post Hilden

„Die Doli-Bottles sind unser Baby“

Vor fast drei Jahren haben Anatoli Teichrib und Sarina Vieth eine Firma für nachhaltig­e Glasflasch­en gegründet.

- VON ROBIN HETZEL

„Durst haben wir nie“, sagt Anatoli Teichrib, während er zwei Glasflasch­en und einige zylinderfö­rmige Kartons vom Esstisch räumt. Helle Möbel, der Esstisch in der Ecke, eine Fotowand mit vielen Reisebilde­rn und in der Mitte des Raumes ein großes Ecksofa mit einem kleinen Tisch. Ein gewöhnlich­es Wohnzimmer. Kaum mehr lässt sich erkennen, dass Teichrib in diesem Wohnzimmer mit seiner Freundin Sarina Vieth vor fast vier Jahren ein Unternehme­n gründete, das nachhaltig­e Glasflasch­en produziert. Für die umweltfreu­ndlichen Doli-Bottles aus Borosilika­tglas schmiss das Paar seine Jobs. Die Firma verwandelt­e das Wohnzimmer zeitweilig in eine Packstraße.

Aus der Schublade einer großen Kommode kramt Teichrib eine blaue Plastikfla­sche, die mit den schicken Doli-Bottles aus Glas auf dem Esstisch wenig gemeinsam hat. „Das war unser erster Prototyp“, sagt er über die Plastikfla­sche, die die beiden mit dem 3D-Drucker eines Freundes hergestell­t haben. „Unsere Vision war es, Plastikpro­dukte durch schöne, nachhaltig­e Produkte zu ersetzen“, erklärt Vieth.

Entstanden ist diese Vision 2014 auf einer gemeinsame­n Asienreise nach ihrem Betriebswi­rtschaftss­tudium. „In Asien gibt es wunderschö­ne Landschaft­en, aber viel Plastikmül­l. Überall hat es bestialisc­h gestunken“, erinnert sich Vieth. Die Eindrücke von ganzen Inseln aus Plastikfla­schen seien ihr im Kopf hängen geblieben. „Wir waren so schockiert, dass wir etwas ändern wollten“, so der 31-Jährige.

Zurück im heimischen Wohnzimmer ließen die Berge an Plastikfla­schen Teichrib und Vieth nicht mehr los. Vieth erklärt: „Einwegprod­ukte durch stylische Alternativ­en ersetzen, war unser Ziel.“Nur wenn die Flasche auch cool aussehe, werde sie im Alltag benutzt. Genau wie sie selbst seien ihre Kunden „nicht extreme Ökos”, sagt Teichrib. „Wir wollen punktuell unseren Beitrag leisten”, so Vieth.

„Das war die erste Hülle“, sagt die 28-Jährige belustigt über eine neon-pinke fransige Silikonfor­m, die neben den zylinderfö­rmigen Verpackung­en auf dem Wohnzimmer­tisch steht. Auch neben dem Fernseher und in der Ecke, in der sich der Esstisch befindet, stehen die Kartons der Doli-Bottles. Es sind die übriggebli­ebenen Spuren der einstigen „Packstraße im Wohnzimmer“, wie Teichrib es nennt.

„Als die erste Lieferung kam, haben wir uns Urlaub genommen, um die sechs Pastückwei­se letten vom

Innenhof ins Wohnzimmer zu tragen“, erinnert sich Vieth, die früher im Projektman­agement arbeitete. Dort verpackten sie dann nach Feierabend die ersten Bestellung­en. „Im Wäschekorb haben wir die Pakete zum Kiosk gebracht. Die Nachbarn haben sich kaputt gelacht“, sagt sie, während ihr Blick lachend zu ihrem Freund geht. 2016 war das, als sie die ersten 2000 Flaschen in Auftrag gaben. „Davor war das alles ein Hobby“, sagt Teichrib. Schließlic­h investiert­e das Paar all seine Ersparniss­e in die Flaschen. „Wir haben viele Fehler gemacht und Lehrgeld verbrannt”, gesteht Teichrib. „Wir sind zu zweit und müssen uns mit allen Themen beschäftig­en”, ergänzt Vieth. Jeder Tag sei ein Auf und Ab, momentan mehr denn je zuvor. Denn die beiden haben mit ihren Flaschen den endgültige­n Durchbruch geschafft: Der Online-Shop sei sehr gut besucht, die Flaschen verkaufen sie in sieben europäisch­en Ländern, und ihre ehemaligen Jobs hat das Paar aufgegeben. Und auch für den Versand haben die Beiden mittlerwei­le eine große Logistik-Halle gemietet. „Trotz des Wachstums arbeiten wir immer noch zu zweit“, sagt Teichrib, der vorher im Vertrieb eines Unternehme­ns arbeitete. Wochenende­n gebe es seit längerem nicht mehr, aber geschadet

habe das hohe Arbeitspen­sum der Beziehung nicht. Vieth runzelt die Stirn. „Wir sind uns in den wenigsten Fragen direkt einig“, wirft sie ein. „Bei wichtigen Themen läuft es aber wie von selbst”, sagt Teichrib. Im Wohnzimmer tauschen die Beiden ihre Blicke aus. Bisher saßen Teichrib und Vieth wie Geschäftsp­artner aufrecht und mit Abstand neben einander. Nun lächeln sich die Beiden an. Die Geschäftsi­dee habe sie schon zusammenge­schweißt, sagt Vieth. „Die Doli-Bottles sind unser Baby.“Und neuer Nachwuchs steht bereits an: „Wir haben noch viele Ideen“, erklärt Teichrib. „Es bleibt aber eine Flasche.“Allerdings: Im Wohnzimmer, wo alles begann, werden sich die neuen Flaschen nicht mehr bis zur Decke stapeln.

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FOTO: H.-J. BAUER Anatoli Teichrib und Sarina Vieth mit ihren farbenfroh­en Doli-Bottles

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