Hauschka erkundet den Wald
Auf dem Album „A Different Forest“bietet der Düsseldorfer den reinen Piano-Klang.
Das neue Album des Düsseldorfer Pianisten Hauschka „A Different Forest“(„Ein anderer Wald“) hat eine besondere ästhetische Form, es ist eingefasst von zwei Wanderungen: Das erste Stück heißt „Hike“, das letzte „Another Hike“. Und die abschließende Wanderung unterscheidet sich ziemlich fundamental von der ersten: Die Komposition wirkt entschlossener, präziser, prägnanter, fröhlicher und auch entspannter als die zwölf vorhergehenden Stücke. „Another Hike“ist das einzige, das Hauschka vor den Aufnahmen auskomponiert hat, die anderen sind Manifestationen einer Suche nach Motiven und Melodien, die der Musiker mit offenen Wanderungen durch die Natur ohne vorher abgesteckten, klaren Verlauf vergleicht.
Hinter dem Pseudonym Hauschka steckt Volker Bertelmann, der seinen Ruhm in den vergangenen Jahren spektakulär gemehrt hat: Hollywoods Wertschätzung für die Filmmusik zu der Kino-Produktion „Lion – Der lange Weg nach Hause“(2016) hat ihn in den kleinen Kreis der deutschen Oscar-Nominierten aufsteigen lassen, seit Ende Juni 2018 sogar zum noch kleineren Kreis der deutschen Mitglieder der Akademie, die die Oscars vergibt. Außerdem gilt er als Inspiration und Vordenker für eine Generation von Musikern, die unter dem Label Neo-Klassik in klassischen Konzertsälen ein Publikum ansprechen, das mit Popmusik sozialisiert wurde.
Hauschka ist in seinem Genre ein Weltstar, und mit den neuen Verdiensten kam ein neues Selbstbewusstsein, das ihm erstmals erlaubte, ein ganzes Album mit unpräpariertem Klavier aufzunehmen. Es gibt also keine Wäscheklammern, die an den Saiten hängen oder Tischtennisbälle, die darüber hüpfen. Erschienen ist das puristische Stück außerdem auf einem neuen Label, einem der weltgrößten für klassische Musik: Sony Classical.
Den letzten Schritt zum puren Klavierklang, der nur durch kompositorische Kniffe glänzt, hat sich Hauschka allerdings doch nicht zu gehen getraut: Fast immer liegt ein Hall- oder Echo-Effekt über den Aufnahmen, der die Räume weiter macht – und bei Stücken wie „Urban Forest“beginnen sanft elektronische Sounds zu flirren und zu pluckern, am Ende scheinen sie das Klavier zu überlagern, zu zerteilen, in eine Endlosschleife zu zwingen.
Der gerade auch in Literatur, Fotografie oder Freizeitgestaltung wieder so populäre Wald ist für Hauschka dabei nicht in erster Linie ein Ort romantischer Naturerfahrung, also Erfahrung des Anderen. Er dient ihm vielmehr als Bild zur radikalen Selbsterkundung, denn auf ausgedehnten Spaziergängen in der Natur begegnet der Mensch sich in erster Linie selbst – so wie beim absichtslosen Komponieren, beim Hangeln von Ton zu Ton, den sich der Düsseldorfer beim amerikanischen Minimal-Music-Komponisten Morton Feldman abgeschaut haben will.
So unterstützen die 13 schwebenden Stücke des Albums auch den Hörer bei der Selbsterfahrung indifferenter Gefühle, von Zwischentönen, vielleicht sogar bei der Suche nach dem Sinn in chaotischen Zeiten.