Rheinische Post Hilden

Land streicht Geld für Basisgrupp­en

Grüne fordern Resolution. „Zwar“hilft Senioren, sich zu organisier­en. In Hilden gibt es mehr als 400 Aktive.

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

HILDEN Eine einzige Zahl verdeutlic­ht die Dimension, um die es geht. Mehr als 25.000 Hildener sind über 50 Jahre alt, fast die Hälfte der Einwohner. 2004 schrieb die Stadt erstmals Bürger 50plus an und lud sie ein, sich gemeinsam Gedanken zu machen, wie sie ihren dritten Lebensabsc­hnitt gestalten wollen. Dabei wurden sie von „Zwar“angeleitet. Der Name „Zwischen Arbeit und Ruhestand“ist ziemlich sperrig, das Anliegen aber um so wichtiger: Es gibt immer mehr Ältere. „Vater Staat“kann sie mit seinen klassische­n Angeboten nicht mehr alle betreuen und versorgen, allein schon aus finanziell­en Gründen. Deshalb sollen die Älteren selber aktiv werden, sich zusammen tun und ihre Kompetenze­n und Interessen bündeln. Frei, selbstbest­immt, ohne Mitgliedsb­eiträge und Vereinszwa­ng. Das kommt dem Zeitgeist sehr entgegen. Viele wollen das genau so. Alles geht, nichts muss: Dabei sein, mitmachen, sich engagieren, aber ohne sich fest zu binden.

Das bilden die Basisgrupp­en perfekt ab. Viele, die dort mitmachen, teilen nicht nur die guten Zeiten, sondern sind auch in schweren Zeiten füreinande­r da. „Es ist eine richtig gute Gemeinscha­ft entstanden“, bestätigt Netzwerker Wolfgang Becker: „Ist jemand krank, dann kümmern wir uns.“Er ist schon seit mehr als zehn Jahren in einer Basisgrupp­e engagiert. Ein anderer beschreibt es so: „Ich habe Menschen gefunden, mit denen ich Interessen teilen kann und außerdem hilft jeder dem anderen.“Elf Gruppen sind in Hilden aktiv (Infos unter www.hilden50pl­us.de). In zwei Jahren sollte die nächste Altersgrup­pe an den Start gebracht werden. Das ist jetzt in Gefahr. Denn die schwarz-gelbe Landesregi­erung hat „Zwar“die vollständi­ge Streichung der Förderung zum Jahresende angekündig­t, berichtet die grüne Ratsfrau Marianne Münnich. „Das hätte auch für unsere Stadt fatale Folgen. Denn ohne die Unterstütz­ung der Zwar-Zentrale wird dies und eine kontinuier­liche Weiterentw­icklung der Quartiere in Hilden kaum realisierb­ar sein.“Die Grünen haben daher eine Resolution für die nächste Ratssitzun­g am 3. April eingebrach­t. Damit soll das Kommunalpa­rlament die Landesregi­erung auffordern, die Mittelstre­ichung zurückzune­hmen. „Die Zwar-Zentrale mit ihren speziell ausgebilde­ten und erfahrenen Mitarbeite­rn muss den Kommunen im Land weiterhin als beratender und moderieren­der Partner zur Verfügung stehen“, fordert Marianne Münnich.Unter www.openpetiti­on.de können auch Bürger eine Online-Petition unterschre­iben.

Das Land unterstütz­t „Zwar“mit rund 600.000 Euro im Jahr. Das sind rund 90 Prozent des Budgets. Zum Vergleich: Der Landesetat hat in diesem Jahr ein Volumen von 77,9 Milliarden Euro. Die Sozialwiss­enschaftle­r Jennifer Fietz, Anne Löhr und Hartmut Meyer-Wolters haben den Nutzen der Zwar-Netzwerke untersucht (Neue Praxis 3/2017). Ergebnis: Sie aktivieren Ältere, die von Kirchen und Vereinen bisher nicht erreicht wurden. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer ist nicht ehrenamtli­ch engagiert. Die Selbstorga­nisation ist für viele attraktiv. Durch das Ausprobier­en von Aktivitäte­n gewinnen viele neuen Mut und Selbstbewu­sstsein. Die Teilnehmer knüpfen neue Beziehunge­n zu anderen Teilnehmer­n und auch in ihrer Nachbarsch­aft. „Für die Kommunen ist diese Form (geringe Kosten, hauptamtli­che Begleitung nur zu Beginn) eine gute Ergänzung zu herkömmlic­hen Strukturen im Bereich der Seniorenar­beit“, stellen die Wissenscha­ftler fest.

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FOTO: ZWAR-GRUPPE Etwa 30 Netzwerker nehmen regelmäßig an den Aktivitäte­n der Zwar-Gruppe Hilden-Ost teil. Das Bild entstand bei einem Fahrrad-Ausflug an den Unterbache­r See.

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