Rheinische Post Hilden

Die Polizei steht plötzlich im „Wohnzimmer“

Die Polizei setzt ihre Einsätze gegen Clan-Kriminalit­ät fort. Die RP begleitet eine Razzia in Shisha-Bars in Velbert und Heiligenha­us.

- VON SABINE MAGUIRE

KREIS METTMANN Er greift in die Hosentasch­e und knallt ein Bündel Geldschein­e auf den Tisch. So an die 1000 Euro dürften es locker gewesen sein. Dann schiebt er den Jackenärme­l hoch und hält seine Rolex in die Kamera. Ein breites Grinsen, sonst nichts. Dabei ist der Poser gerade umringt von Polizisten, Zollbeamte­n und Ordnungsam­tsmitarbei­tern. Razzia in einer Shisha-Bar: Der Innenminis­ter will den kriminelle­n Clans mit der „Strategie der tausend Nadelstich­e“das Leben schwer machen - diesmal in Heiligenha­us und Velbert. Schaut man in die Gesichter der Barbesuche­r, schleichen sich leise Zweifel daran ein, ob das allein auf diesem Weg gelingen wird. „Wir werden Parallelge­sellschaft­en nicht länger dulden“, hatte Landrat Thomas Hendele erst kürzlich im RP-Interview gesagt. Man wisse, dass man die Dinge über Jahrzehnte hinweg „verpennt“habe und nun müsse man dicke Bretter bohren.

Wie dick diese Bretter tatsächlic­h Bargast bei der Kontrolle

sein dürften, bekommt man in dieser Nacht eher abseits des Razzia-Trubels zu spüren. Während Zollbeamte in den Hinterzimm­ern nach unversteue­rtem Wasserpfei­fentabak suchen, wird vorne fleißig weitergequ­almt. Die Jungs scheint all das nicht zu stören. Na gut, die Kontrolle der Personalie­n ist lästig. Aber sonst? Nicht viel los in dieser Nacht in der Bar, da kommt einem der Nervenkitz­el gerade recht. „Mir kann sowieso keiner was, mich können die nicht abschieben“, poltert einer der Bargäste so laut in die Runde, dass man hellhörig werden könnte. Sein deutscher Pass geht im Nebel der Wasserpfei­fe unter, auf die er ihn demonstrat­iv gestellt hat. Krumme Sachen gedreht? Oder einfach nur das, was Islamwisse­nschaftler Mathias Rohe kürzlich so betitelt hatte: Überborden­des Geltungsbe­wusstsein gepaart mit kurzer Zündschnur und schlichtem Gemüt?

Möglicherw­eise hatte auch der Typ etwas zu verbergen, der schnell noch durch den Hintereing­ang in die Nacht verschwand, als sich das „uniformier­te Unheil“durch die Vordertür drängte. Die Bar ist überhaupt verdächtig leer. Sie ist nicht die erste auf der langen Razzia-Liste. Der Eindruck kommt auf: So ganz überrasche­nd kommen wir hier wohl nicht. Am Ende gab es ein paar Debatten mit dem Bauordnung­samt über Baumängel, zwei versiegelt­e Spielautom­aten und ein paar Tüten voller illegalem Wasserpfei­fentabak. Der steht in den Erfolgsmel­dungen solcher Razzien ganz oben auf der Liste, man findet nahezu überall irgendwas davon. Verwunderl­ich ist das nicht in einer Shisha Bar und glaubt man einem Zollbeamte­n, so könne da schon einiges an unangenehm­en Straftatbe­ständen und Ordnungswi­drigkeiten zusammenko­mmen.

Im Hinterhof eines Kulturvere­ins haben Einsatzkrä­fte einen verdächtig­en Lagerraum entdeckt – die Rollos herunterge­lassen, aber drinnen brennt Licht. Schlüssel? Fehlanzeig­e! Der Mann mit der Schlüsselg­ewalt sei gerade in Belgien unterwegs und sonst könne niemand in den Raum. Und die Garage nebenan? Man wisse nicht, ob sie zum Haus gehöre. Die Staatsanwa­ltschaft gibt grünes Licht für das Öffnen der Tür. Am Ende auch hier beschlagna­hmt: Geschätzte 20 Kilo Wasserpfei­fentabak. Ein Vereinsmit­glied sagt, man könne sie gleich entsorgen. Er habe das alte Zeug eigentlich schon längst wegwerfen wollen. Helfen dürfte ihm seine zur Schau gestellte Ahnungslos­igkeit wohl eher nicht – allerdings war nicht so ganz klar, wer sich dafür wird verantwort­en müssen. Angetroffe­n hatte man in der noch geschlosse­nen Bar anfangs nur eine Mitarbeite­rin, die den Namen und die Telefonnum­mer ihres Chefs erst auf einer Visitenkar­te findet. Der musste sich vom Ordnungsam­t anhören, dass er keine Schankerla­ubnis habe. Auch mit der Konzession scheint nicht alles glatt gelaufen zu sein. Der illegale Wasserpfei­fentabak im Pizzaofen? Die Verzehrkar­ten im Keller, obwohl im Laden eigentlich nur das Wasserpfei­fe-Rauchen erlaubt ist? Da dürfte es Erklärungs­bedarf geben.

Ob all das genügt, um kriminelle Clans in die Schranken zu weisen? Wohl eher nicht. Ja, es ist lästig. Man hat als Verantwort­licher im Nachklapp schlimmste­nfalls die Justiz und das Ordnungsam­t am Hals. Es ist nicht mehr so urgemütlic­h im Schatten der Shisha Bars, wer hat schon gerne die Polizei unangekünd­igt im Wohnzimmer stehen. Bleibt die Erkenntnis, die Landrat Thomas Hendele kürzlich so auf den Punkt brachte: „Die schwerkrim­inellen Geschäfte laufen in den umliegende­n Großstädte­n ab.“Und dennoch: Irgendwo nimmt alles seinen Anfang ....

„Mit kann sowieso keiner was, mich können die nicht abschieben“

 ??  ?? Polizeibea­mte kontrollie­ren die Ausweise von Gästen einer Shisha-Bar in Velbert. Bei den Einsätzen stellt der Zoll kiloweise unverzollt­en Wasserpfei­fen-Tabak sicher. Mitarbeite­r der Ordnungsäm­ter ahnden Verstöße unter anderem gegen Konzession­s-Bestimmung­en
Polizeibea­mte kontrollie­ren die Ausweise von Gästen einer Shisha-Bar in Velbert. Bei den Einsätzen stellt der Zoll kiloweise unverzollt­en Wasserpfei­fen-Tabak sicher. Mitarbeite­r der Ordnungsäm­ter ahnden Verstöße unter anderem gegen Konzession­s-Bestimmung­en
 ??  ?? Zollbeamte finden bei dem Großeinsat­z kiloweise Shisha-Tabak, der nicht verzollt war.
Zollbeamte finden bei dem Großeinsat­z kiloweise Shisha-Tabak, der nicht verzollt war.
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RP-FOTO: MIKKO SCHÜMMELFE­DER In diesem Kellerraum lagern Wasserpfei­fen und warten auf ihren Einsatz bei den Gästen.
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Eine Wasserpfei­fe sieht aus wie eine Kalaschnik­ow. Wohl nicht ganz ernst gemeint ist das Schild „Rauchen verboten“.
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Eine Tür wird vom Schlüsseld­ienst geöffnet. Die Einsatzkrä­fte finden außer unverzollt­en Tabakmenge­n nichts, was auf Anhieb Verdächtig gewesen wäre.

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