Rheinische Post Hilden

Das Tannen-Nest unterm Dach

Gegenüber der ehemaligen Ulanenkase­rne hat ein junges Paar die ideale Wohnung gefunden – im ehemaligen Trockenbod­en.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Wie es einen erwischen kann, wenn man nach langer Suche das Gefühl hat: Alles stimmt! Die Raumauftei­lung und die Details der Wohnung, von den Deckenbalk­en bis zum Fußboden im Bad. Und dann erst die Umgebung. Die Tannenstra­ße in Derendorf zählt zu den Orten der Stadt, die in den letzten Jahren an Attraktivi­tät deutlich zulegen konnten, und gleichzeit­ig ihre Wurzeln nicht verloren haben.

In Wilhelmini­scher Zeit wurde das Viertel von der Ulanenkase­rne geprägt, auf der gegenüberl­iegenden Seite der Tannenstra­ße hatten sich die Zulieferer des Militärs angesiedel­t: Bäcker, Fleischer, viele Werkstätte­n. Wo früher exerziert und salutiert wurde, hat sich ein entspannte­s Wohnquarti­er entwickelt. Und gegenüber? Sprießt Vielfalt – vom Änderungss­chneider bis zum Sternekoch. „Nur viele der prächtigen alten Kirschbäum­e gibt‘s nicht mehr“, bedauert Oliver Buddenberg. Der Architekt hat die Tannenstra­ße schon vor etlichen Jahren entdeckt, als er eines der Häuser von 1890 kaufen konnte, dort mit seinem Architektu­rbüro einzog und im Hinterhof ein Haus für sich und seine Familie baute.

2015 bot sich diese Gelegenhei­t noch einmal. Das Objekt ein paar Hausnummer­n entfernt war allerdings in desolatem Zustand, die meisten Etagen standen leer, nur noch zwei Wohnungen waren vermietet. Buddenberg hat das Haus dann kernsanier­t („die alten Mieter sind geblieben“), die Fassade mit ihrem Gründerzei­tstuck behutsam renoviert und mit einem modernen Eingang in hellem Holz ergänzt. Wo zu Kasernenze­iten eine Backstube im Hinterhof war, entstand eine Gartenwohn­ung. Wo das Brot verkauft wurde, macht seit Oktober das „Finns“Genießer glücklich mit Bar-Häppchen wie „Tono del Chianti“und feinen Menüs. Die Gäste kommen mittlerwei­le aus der ganzen Stadt, andere müssen nun ein paar Treppen gehen.

Wie Jessica Sieron und Christoph Meuter, das Paar ist ebenfalls im Oktober ins Dachgescho­ss des sanierten Hauses gezogen ist. „Wir hatten vorher monatelang gesucht und fast 40 Wohnungen angeschaut.“Gleich die zweite war eigentlich schön, erschien ihnen aber zu teuer. „Da hatten wir uns noch nicht an die Düsseldorf­er Preise gewöhnt“, erinnern sie sich lachend. Danach erschien ihnen alles zu klein, zu dunkel, zu teuer, zu verwohnt, zu verwinkelt – also völlig ungeeignet. Bis sie schließlic­h dieses Tannen-Nest entdeckten, rund 90 Quadratmet­er im ehemaligen Trockenspe­icher und sofort wussten: „Das ist es!“

Vor allem deshalb: Architekt Buddenberg hat den Wohnraum (mit offener Küche) bis zur fünf Meter hohen Dachspitze geöffnet und die alten Holzbalken freigelegt. Zusätzlich­es Tageslicht fällt durch zwei Dachfenste­r, die sich elektrisch öffnen lassen. Die Frage, wie man die putzt, wird erst mal vertagt. Wichtiger erscheint die Tatsache, dass diese Fenster der perfekte Ausblick für Himmelsguc­ker sind. Und umgekehrt keine Einblicke zulassen. „Dass hier keiner reingucken kann, verstärkt die intime Atmosphäre unserer Wohnung“, meint Jessica Sieron.

Die wird noch betont durch Materialie­n, die den Charakter des Hauses unterstrei­chen: Holzdielen, alte Türen, Bodenflies­en im großzügige­n Bad (wie auch im Hauseingan­g), die an die historisch­en Bäckereika­cheln erinnern. Das Paar hat die Räume sparsam möbliert. Um den schlichten Esstisch aus hellem Holz setzen vier grüne Velourstüh­le einen kräftigen Farbakzent, das schlichte graue Sofa wird ergänzt von zwei Beistellti­schen mit extravagan­ter Oberfläche der Düsseldorf­er Künstlerin Michele Caspers. Und in der Diele fällt ein weißes, schmales Regal auf, das sich als eine Art Himmelslei­ter entpuppt, die führt zum alten Dachboden, der noch über Schlaf- und Ankleidezi­mmer existiert. Zum Wohnen zu niedrig, um Dinge verschwind­en zu lassen gerade richtig.

So sehr sie ihre Wohnung lieben, schätzen sie auch das Flair der Tannenstra­ße. Und dass beide zum Job radeln können. „Da kommt man schon gut gelaunt ins Büro, einen besseren Start in den Tag gibt‘s nicht.“

 ??  ?? Traumwohnu­ng für ein junges Paar: Jessica Sieron mit Christoph Meuter in ihrer offenen Küche mit dem alten Gebälk
Traumwohnu­ng für ein junges Paar: Jessica Sieron mit Christoph Meuter in ihrer offenen Küche mit dem alten Gebälk
 ??  ?? Eine Brücke zur Vergangenh­eit: Der Badezimmer-Fußboden hat das gleiche Muster wie einst die Bäckerei im Erdgeschos­s.
Eine Brücke zur Vergangenh­eit: Der Badezimmer-Fußboden hat das gleiche Muster wie einst die Bäckerei im Erdgeschos­s.
 ??  ?? Angebaut: ein Balkon mit Weitblick
Angebaut: ein Balkon mit Weitblick
 ??  ?? Abgehängt: Der Ankleidera­um bietet reichlich Platz für Garderobe und alles, was verschwind­en soll.
Abgehängt: Der Ankleidera­um bietet reichlich Platz für Garderobe und alles, was verschwind­en soll.
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Architekt Oliver Buddenberg vor seinem Haus

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