Das Tannen-Nest unterm Dach
Gegenüber der ehemaligen Ulanenkaserne hat ein junges Paar die ideale Wohnung gefunden – im ehemaligen Trockenboden.
Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Wie es einen erwischen kann, wenn man nach langer Suche das Gefühl hat: Alles stimmt! Die Raumaufteilung und die Details der Wohnung, von den Deckenbalken bis zum Fußboden im Bad. Und dann erst die Umgebung. Die Tannenstraße in Derendorf zählt zu den Orten der Stadt, die in den letzten Jahren an Attraktivität deutlich zulegen konnten, und gleichzeitig ihre Wurzeln nicht verloren haben.
In Wilhelminischer Zeit wurde das Viertel von der Ulanenkaserne geprägt, auf der gegenüberliegenden Seite der Tannenstraße hatten sich die Zulieferer des Militärs angesiedelt: Bäcker, Fleischer, viele Werkstätten. Wo früher exerziert und salutiert wurde, hat sich ein entspanntes Wohnquartier entwickelt. Und gegenüber? Sprießt Vielfalt – vom Änderungsschneider bis zum Sternekoch. „Nur viele der prächtigen alten Kirschbäume gibt‘s nicht mehr“, bedauert Oliver Buddenberg. Der Architekt hat die Tannenstraße schon vor etlichen Jahren entdeckt, als er eines der Häuser von 1890 kaufen konnte, dort mit seinem Architekturbüro einzog und im Hinterhof ein Haus für sich und seine Familie baute.
2015 bot sich diese Gelegenheit noch einmal. Das Objekt ein paar Hausnummern entfernt war allerdings in desolatem Zustand, die meisten Etagen standen leer, nur noch zwei Wohnungen waren vermietet. Buddenberg hat das Haus dann kernsaniert („die alten Mieter sind geblieben“), die Fassade mit ihrem Gründerzeitstuck behutsam renoviert und mit einem modernen Eingang in hellem Holz ergänzt. Wo zu Kasernenzeiten eine Backstube im Hinterhof war, entstand eine Gartenwohnung. Wo das Brot verkauft wurde, macht seit Oktober das „Finns“Genießer glücklich mit Bar-Häppchen wie „Tono del Chianti“und feinen Menüs. Die Gäste kommen mittlerweile aus der ganzen Stadt, andere müssen nun ein paar Treppen gehen.
Wie Jessica Sieron und Christoph Meuter, das Paar ist ebenfalls im Oktober ins Dachgeschoss des sanierten Hauses gezogen ist. „Wir hatten vorher monatelang gesucht und fast 40 Wohnungen angeschaut.“Gleich die zweite war eigentlich schön, erschien ihnen aber zu teuer. „Da hatten wir uns noch nicht an die Düsseldorfer Preise gewöhnt“, erinnern sie sich lachend. Danach erschien ihnen alles zu klein, zu dunkel, zu teuer, zu verwohnt, zu verwinkelt – also völlig ungeeignet. Bis sie schließlich dieses Tannen-Nest entdeckten, rund 90 Quadratmeter im ehemaligen Trockenspeicher und sofort wussten: „Das ist es!“
Vor allem deshalb: Architekt Buddenberg hat den Wohnraum (mit offener Küche) bis zur fünf Meter hohen Dachspitze geöffnet und die alten Holzbalken freigelegt. Zusätzliches Tageslicht fällt durch zwei Dachfenster, die sich elektrisch öffnen lassen. Die Frage, wie man die putzt, wird erst mal vertagt. Wichtiger erscheint die Tatsache, dass diese Fenster der perfekte Ausblick für Himmelsgucker sind. Und umgekehrt keine Einblicke zulassen. „Dass hier keiner reingucken kann, verstärkt die intime Atmosphäre unserer Wohnung“, meint Jessica Sieron.
Die wird noch betont durch Materialien, die den Charakter des Hauses unterstreichen: Holzdielen, alte Türen, Bodenfliesen im großzügigen Bad (wie auch im Hauseingang), die an die historischen Bäckereikacheln erinnern. Das Paar hat die Räume sparsam möbliert. Um den schlichten Esstisch aus hellem Holz setzen vier grüne Velourstühle einen kräftigen Farbakzent, das schlichte graue Sofa wird ergänzt von zwei Beistelltischen mit extravaganter Oberfläche der Düsseldorfer Künstlerin Michele Caspers. Und in der Diele fällt ein weißes, schmales Regal auf, das sich als eine Art Himmelsleiter entpuppt, die führt zum alten Dachboden, der noch über Schlaf- und Ankleidezimmer existiert. Zum Wohnen zu niedrig, um Dinge verschwinden zu lassen gerade richtig.
So sehr sie ihre Wohnung lieben, schätzen sie auch das Flair der Tannenstraße. Und dass beide zum Job radeln können. „Da kommt man schon gut gelaunt ins Büro, einen besseren Start in den Tag gibt‘s nicht.“