Seehofer will Bahnhöfe sichern
Der Innenminister spricht im Fall des vor den ICE gestoßenen Jungen von „kaltblütigem Mord“in Frankfurt. Laut Züricher Kantonspolizei gab es Hinweise auf psychische Probleme des Täters.
BERLIN/ZÜRICH Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Tötung eines achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof als kaltblütigen Mord bezeichnet und erhöhte Sicherheitsmaßnahmen sowie mehr Polizeipräsenz auf öffentlichen Plätzen angekündigt. Nach Beratungen mit den Präsidenten des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei, Holger Münch und Dieter Romann, sagte Seehofer am Dienstag in Berlin: „Wir brauchen dringend mehr Polizeipräsenz. Das ist wichtiger als mancher Paragraf.“
Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesverfassungsschutz müssten konsequent besser ausgestattet werden. Mit der Deutschen Bahn und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wolle Seehofer über eine bessere Sicherung der 5600 Bahnhöfe in Deutschland sprechen. Es dürfe keine Tabus geben bei Kosten, Personalausstattung oder technischen Möglichkeiten, schließlich gehe es um Menschenleben. Videoüberwachung könne ausgeweitet werden. Auch die Sicherheitsvorkehrungen auf Flughäfen seien nach Attentaten verschärft worden.
Am Montagmorgen hatte mutmaßlich ein 40-jähriger eritreischer Staatsbürger den Achtjährigen und dessen Mutter im Frankfurter Hauptbahnhof vor den einfahrenden ICE gestoßen. Das Kind starb. Seine Mutter konnte sich retten.
Nach Angaben von Romann handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen anerkannten Asylbewerber aus der Schweiz, der als gut integriert und nicht auffällig gegolten habe, bis er am vorigen Donnerstag eine Nachbarin bedroht habe und in der Schweiz zur Festnahme ausgeschrieben worden sei. Informationen darüber hätten Deutschland nicht vorgelegen. Allerdings war in der Schweiz niemand von einer Flucht nach Deutschland ausgegangen. Seehofer betonte auch, der Mann sei legal eingereist, es ergäben sich keine ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen aus dem Fall.
Die Kantonspolizei Zürich sprach von großer Betroffenheit im ganzen Kanton. Eine Hausdurchsuchung habe keine Hinweise auf eine Radikalisierung, aber auf psychische Probleme ergeben.
Seehofer, der seinen Urlaub für die Beratungen in Berlin unterbrach, sprach der Familie das Beileid der Bundesregierung aus. „Ein solches Ereignis macht uns alle fassungslos und trifft uns mitten ins Herz.“Er dankte der Polizei, dem Bahnpersonal und Bürgern für ihre Zivilcourage bei der Ergreifung des Täters. Er versicherte, er werde alles tun, damit der Täter einer gerechten Strafe zugeführt werde.
Seehofer beklagte eine „Werte-Erosion“in der Bundesrepublik. Er verwies dabei auf einen Angriff von Jugendlichen auf eine Polizeiwache in Bayern und die Randale im Düsseldorfer Rheinbad. Die allgemeine Kriminalität sei rückläufig, und trotzdem sei das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung angespannt.
Der Minister wies Vorhaltungen zurück, er selbst habe mit seinen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik im vorigen Jahr zu dieser Situation in Deutschland beigetragen. Er kündigte weitere Verbote rechtsextremistischer Organisationen in den nächsten Wochen an. Bundeskriminalamtspräsident Münch versicherte für seine Behörde, bei Ermittlungen gegen Rechtsextreme künftig stärker nach Netzwerken zu suchen. Die Ermittler sollen sich an Erfahrungen im Umgang mit Islamisten orientieren.
Leitartikel, Panorama