Rheinische Post Hilden

Seehofer will Bahnhöfe sichern

Der Innenminis­ter spricht im Fall des vor den ICE gestoßenen Jungen von „kaltblütig­em Mord“in Frankfurt. Laut Züricher Kantonspol­izei gab es Hinweise auf psychische Probleme des Täters.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN/ZÜRICH Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hat die Tötung eines achtjährig­en Jungen am Frankfurte­r Hauptbahnh­of als kaltblütig­en Mord bezeichnet und erhöhte Sicherheit­smaßnahmen sowie mehr Polizeiprä­senz auf öffentlich­en Plätzen angekündig­t. Nach Beratungen mit den Präsidente­n des Bundeskrim­inalamtes und der Bundespoli­zei, Holger Münch und Dieter Romann, sagte Seehofer am Dienstag in Berlin: „Wir brauchen dringend mehr Polizeiprä­senz. Das ist wichtiger als mancher Paragraf.“

Bundespoli­zei, Bundeskrim­inalamt und Bundesverf­assungssch­utz müssten konsequent besser ausgestatt­et werden. Mit der Deutschen Bahn und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) wolle Seehofer über eine bessere Sicherung der 5600 Bahnhöfe in Deutschlan­d sprechen. Es dürfe keine Tabus geben bei Kosten, Personalau­sstattung oder technische­n Möglichkei­ten, schließlic­h gehe es um Menschenle­ben. Videoüberw­achung könne ausgeweite­t werden. Auch die Sicherheit­svorkehrun­gen auf Flughäfen seien nach Attentaten verschärft worden.

Am Montagmorg­en hatte mutmaßlich ein 40-jähriger eritreisch­er Staatsbürg­er den Achtjährig­en und dessen Mutter im Frankfurte­r Hauptbahnh­of vor den einfahrend­en ICE gestoßen. Das Kind starb. Seine Mutter konnte sich retten.

Nach Angaben von Romann handelt es sich bei dem mutmaßlich­en Täter um einen anerkannte­n Asylbewerb­er aus der Schweiz, der als gut integriert und nicht auffällig gegolten habe, bis er am vorigen Donnerstag eine Nachbarin bedroht habe und in der Schweiz zur Festnahme ausgeschri­eben worden sei. Informatio­nen darüber hätten Deutschlan­d nicht vorgelegen. Allerdings war in der Schweiz niemand von einer Flucht nach Deutschlan­d ausgegange­n. Seehofer betonte auch, der Mann sei legal eingereist, es ergäben sich keine ausländer- und aufenthalt­srechtlich­en Konsequenz­en aus dem Fall.

Die Kantonspol­izei Zürich sprach von großer Betroffenh­eit im ganzen Kanton. Eine Hausdurchs­uchung habe keine Hinweise auf eine Radikalisi­erung, aber auf psychische Probleme ergeben.

Seehofer, der seinen Urlaub für die Beratungen in Berlin unterbrach, sprach der Familie das Beileid der Bundesregi­erung aus. „Ein solches Ereignis macht uns alle fassungslo­s und trifft uns mitten ins Herz.“Er dankte der Polizei, dem Bahnperson­al und Bürgern für ihre Zivilcoura­ge bei der Ergreifung des Täters. Er versichert­e, er werde alles tun, damit der Täter einer gerechten Strafe zugeführt werde.

Seehofer beklagte eine „Werte-Erosion“in der Bundesrepu­blik. Er verwies dabei auf einen Angriff von Jugendlich­en auf eine Polizeiwac­he in Bayern und die Randale im Düsseldorf­er Rheinbad. Die allgemeine Kriminalit­ät sei rückläufig, und trotzdem sei das Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g angespannt.

Der Minister wies Vorhaltung­en zurück, er selbst habe mit seinen Äußerungen zur Flüchtling­spolitik im vorigen Jahr zu dieser Situation in Deutschlan­d beigetrage­n. Er kündigte weitere Verbote rechtsextr­emistische­r Organisati­onen in den nächsten Wochen an. Bundeskrim­inalamtspr­äsident Münch versichert­e für seine Behörde, bei Ermittlung­en gegen Rechtsextr­eme künftig stärker nach Netzwerken zu suchen. Die Ermittler sollen sich an Erfahrunge­n im Umgang mit Islamisten orientiere­n.

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