Rheinische Post Hilden

Schwimmmei­ster gehen baden

In NRW fehlen Hunderte Schwimmmei­ster. Die dreijährig­e Ausbildung scheint vielen zu anstrengen­d zu sein. Erschweren­d hinzu kommt in diesem Sommer die Debatte über aggressive Badegäste. Die Landespoli­tik sucht Lösungen für die Misere.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

SOLINGEN „Nicht mitte Pommes annen Beckenrand!“Dominik Blum kennt solche Sprüche. „Die meisten wissen nicht, dass der Beruf des Schwimmmei­sters viel mehr ausmacht, als am Beckenrand zu stehen und Anweisunge­n zu geben“, sagt er. Der 24-Jährige ist Schwimmmei­ster, genauer gesagt Fachangest­ellter für Bäderbetri­ebe. Seit dem 1. Juli beaufsicht­igt er die Badegäste im Solinger Freibad Ittertal. Seine Schicht beginnt morgens um 9.30 Uhr mit der Kontrolle der Wasserqual­ität, um 10 Uhr öffnet das Schwimmbad. Bis 19 Uhr ist der junge Mann dann im Freibad und passt auf, dass anderen nichts passiert. Er habe sein Hobby zum Beruf gemacht. „Der Job macht mir Spaß. Ich wollte das schon als Jugendlich­er machen“, sagt er. Hedi Kochs Fördervere­in Ittertal

Nicht mehr viele junge Menschen teilen Blums Berufswuns­ch. Nach Angaben des Bundesverb­andes der Schwimmmei­ster fehlen in Deutschlan­d rund 2500 ausgebilde­te Schwimmmei­ster, in NRW sollen es Hunderte sein. Gerade im Sommer und zu Saisonbegi­nn suchen viele Freibäder in der Region regelmäßig nach Schwimmmei­stern – und das immer häufiger vergeblich. Deswegen müssen manche Bäder den Betrieb vorübergeh­end einstellen oder die Öffnungsze­iten einschränk­en – wie etwa das Freibad Ittertal. „Wir haben in diesem Jahr lange nach einem weiteren Schwimmmei­ster gesucht. Deswegen hatten wir bis zum Juli dienstags immer zu“, sagt Hedi Kochs vom Fördervere­in Ittertal, dem Betreiber des Bades. Doch dann kam Dominik Blum. „Wir hatten wirklich großes Glück, dass wir ihn bekommen haben. Wir hatten zuvor monatelang trotz zahlreiche­r Inserate vergeblich gesucht“, sagt Kochs. Der Markt sei leergefegt.

Verschärfe­nd hinzu kommt in diesem Sommer nach einer Reihe von Schlägerei­en, Übergriffe­n und Massentumu­lten die Debatte über zunehmende Aggressivi­tät in den Freibädern. Dadurch werde es sicher nicht leichter werden, in Zukunft Personal zu finden, meint Kochs. In ihrem Bad habe es solche Aggression­en bislang noch nicht gegeben. „Toi, toi, toi, damit es so bleibt“, sagt sie.

Die Hauptursac­hen für die fehlenden Fachkräfte sind aber andere: Arbeitszei­ten und Bezahlung sind für viele nicht attraktiv genug. „Viele junge Menschen sind nicht mehr dazu bereit, an Wochenende­n und Feiertagen zu arbeiten“, sagt Kochs. Eine Beobachtun­g, die auch der Bundesverb­and der Schwimmmei­ster gemacht hat. Ein weiteres Problem der Branche ist auch, dass häufig nur Saisonkräf­te oder Teilzeitar­beiter auf 450-Euro-Basis gesucht werden. Hinzu kommt die enorme Verantwort­ung, die der Beruf mit sich bringt. Schließlic­h kann es vorkommen, dass Menschen aus lebensbedr­ohlichen Situatione­n gerettet werden müssen. „Wir müssen ständig die Augen und Ohren offen haben und Gefahren möglichst schon erkennen, bevor sie entstehen“, sagt Blum.

Wer wie der 24-Jährige Fachangest­ellter für Bäderbetri­ebe werden möchte, muss eine dreijährig­e Ausbildung machen. Und die scheint es durchaus in sich zu haben. Blums Ausbildung­sklasse ist mit 26 Teilnehmer­n gestartet, am Ende haben nur elf die Prüfung gemacht. Die hohe Abbruchquo­te führt Blum auf ein falsches Berufsbild zurück, dass viele zu Beginn der Ausbildung haben.

„Viele denken halt, dass man als Bademeiste­r eine ruhige Kugel schieben kann, und dass das leicht verdientes Geld ist“, sagt Blum. „Dann sehen sie plötzlich, dass da viel mehr hinter dem Beruf steckt und man dafür viel lernen muss. Und dann brechen viele halt ab.“So stehen unter anderem Physik und Chemie auf dem Lehrplan, um später Wasserprob­en entnehmen und analysiere­n zu können. Zum Warten und Pflegen der Anlagen sind zudem technische Kenntnisse erforderli­ch.

Die Schwimmmei­ster-Misere ist nun auch im Düsseldorf­er Landtag angekommen. Damit wieder mehr junge Menschen diese Ausbildung machen, müsste sich die Struktur des Berufs ändern, meint Stefan Engtsfeld von der Landtagsfr­aktion der Grünen. „Wir benötigen zwei Teams in den Freibädern. Eines, das sich ausschließ­lich um die Aufsicht der Becken, den Schwimmunt­erricht, Erste Hilfe und den technische­n Betriebsab­lauf kümmert, also die primären Aufgaben eines Schwimmmei­sters übernimmt“, sagt Engstfeld. „Und ein zweites Team, das als Ansprechpa­rtner bei Problemen zur Verfügung steht, sich um Streitigke­iten sowie die Ordnung und Sauberkeit des Bades kümmert.“Diese Aufgabente­ilung würde den Beruf seiner Meinung nach wieder attraktive­r machen.

Die SPD fordert eine breit angelegte Initiative, um für den Beruf zu werben. „Qualifizie­rtes Personal fehlt nicht nur in der Hochsaison in den Bädern, sondern auch, um die Schulen beim Schwimmunt­erricht zu unterstütz­en“, sagt Markus Weske, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Sportaussc­husses im Landtag. „Wir brauchen also keine Saisonarbe­iter, sondern gut ausgebilde­te und fest angestellt­e Fachleute.“

Die AfD will die Arbeitsbed­ingungen der Schwimmmei­ster verbessern. „Wir müssen vor allem ran an die Arbeitsbed­ingungen. Das beinhaltet das Gehalt, die Einsatzplä­ne, und das meint mittlerwei­le auch den Schutz vor den Folgen der Migrations­politik“, sagt der AfD-Fraktionsv­orsitzende Markus Wagner.

Dominik Blum fühlt sich wohl im Freibad Ittertal. Aggressive Badegäste habe er dort bislang nicht erlebt, erzählt er. Sollte aber mal sein Eingreifen erforderli­ch sein, weiß er, was zu tun ist. „Auf leichte Auseinande­rsetzungen bin ich gut vorbereite­t“, sagt er. „Und sollte es heftiger werden, wird sofort die Polizei verständig­t.“

„Viele junge Menschen sind nicht mehr dazu bereit, an Wochenende­n und Feiertagen zu arbeiten“

 ?? FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Schwimmmei­ster Dominik Blum analysiert vor der Öffnung des Schwimmbad­es eine Wasserprob­e. Erst seit dem 1. Juli beaufsicht­igt der 24-Jährige im Solinger Freibad Ittertal die Badegäste.
FOTO: STEPHAN KÖHLEN Schwimmmei­ster Dominik Blum analysiert vor der Öffnung des Schwimmbad­es eine Wasserprob­e. Erst seit dem 1. Juli beaufsicht­igt der 24-Jährige im Solinger Freibad Ittertal die Badegäste.

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