Da kommt was in die Gänge
78 Millionen Fahrräder gibt es in Deutschland, jedes Jahr kommen Hunderttausende E-Bikes hinzu. Viva Velo!
KÖLN In Köln wurde jetzt vorgestellt, was einmal zum Trend werden soll, und wenn man das sieht, muss man gleich an die SUVs denken, deren lächerlicher Protz seit ein paar Jahren das deutsche Straßenbild dominiert. Breite Reifen, massive Fahrgestelle, ordentlich was unter der Haube und so. Auch Fahrräder sollen so künftig durch Düsseldorf, Geldern und das Bergische Land rollen. Angetrieben von E-Motoren mit 25 Kilometern pro Stunde oder sogar mehr.
Das Fahrrad ist das Verkehrsmittel der Stunde, 78 Millionen Räder gibt es laut Bundesverkehrsministerium in Deutschland, und wahrscheinlich werden es sogar noch ein paar mehr. 4,2 Millionen Räder wurden nämlich nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV ) allein im vergangenen Jahr verkauft, das sind 8,6 Prozent mehr als in 2017, und auch da waren es schon mehr als 2016 und so weiter und so fort. Man spricht seit Jahren von einem Trend hin zum Rad, allerorts werden neue Radwege eingerichtet, es werden Fahrradständer installiert, wo bisher Parkplätze waren. Die Selbstverständlichkeit, mit der Autofahrer den Stadtraum für sich in Anspruch genommen haben, wird infrage gestellt. Es läuft gerade ein Kulturwandel ab, und das ist schon irre, bedenkt man, dass das Rad schon 200 Jahre alt ist. Die Geschichte sollte längst auserzählt sein.
Ist sie aber nicht, und das liegt daran, dass die Leute keine Lust mehr haben, ihre Zeit in Blechschüsseln zu verschwenden. Studien haben gezeigt, dass man auf innerstädtischen Strecken von bis zu fünf Kilometern schneller mit dem Rad ans Ziel kommt als mit dem Auto. Außerdem schont das Rad die Ressourcen und damit die Umwelt. Es ist total zeitgeistig, Fridays for Future, und das nicht nur freitags, sondern von montags an.
Und es gibt ständig Neuentwicklungen, die die Branche beflügeln und das Stadtbild verändern. Die wichtigste ist das E-Bike. 980.000 Elektro-Räder wurden laut ZIV 2018 in Deutschland verkauft. Anteil am Fahrradmarkt: zurzeit 23,5 Prozent. Langfristig werden 35 Prozent erwartet.
Und damit zurück nach Köln, wo nun die Fahrrad-Neuheiten für 2020 vorgestellt wurden. Eine gute Gelegenheit, sich einmal anzusehen, was die
Gesellschaft künftig bewegt. Eingeladen hatte der Pressedienst Fahrrad (PdF), eine Interessenvertretung, die rund 50 Unterstützer zählt, den Fahrradschloss-Hersteller Abus zum Beispiel, den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, einen Metallbauer aus Waldbröl und das Projekt Stadthelm – die Initiative eines Kinderneurologie-Vereins.
Die Fahrrad-Vertreter haben zwei Dutzend neue Fahrradmodelle mitgebracht, und manche sind so neu, dass sie noch gar nicht fahrtüchtig sind. Einzelteile stammen aus dem 3-D-Drucker und dienen nur Anschauungszwecken. Darunter zum Beispiel ein Klapprad, das man nicht mehr Klapprad nennen soll, sondern Faltrad. Klappräder, erklärt einer der Experten, hätten die Dinger in den 70ern geheißen, die seien billig und schnell kaputt gewesen. Klapprädern eile deshalb ein schlechter Ruf voraus.
Nachfrage: Aber auch Falträder sind noch Räder zum klappen, oder? – Ja, das schon. Nur der Name ist ein anderer.
Auch E-Räder gibt es mittlerweile zum klappen, als große 28-Zoll-Variante und klassisch und klein mit 20-Zoll-Rädern.
Wigald Boning interessiert sich vor allem für das kleine Faltbare, weil die Bahn für den Transport kein Zusatzticket verlangt. Boning war in den 90ern ein Star bei
„RTL Samstag Nacht“, mit
Olli Dittrich veröffentlichte er als Die Doofen das Nummer-eins-Album
„Lieder, die die Welt nicht braucht“, heute ist er festes Ensemblemitglied der Fernseh-Quizshow „Genial daneben“. Außerdem ist er bekennender Fahrradfahrer – Auszug aus seiner Radfahrer-Biografie: 2006 nahm er in München an einem 24-StundenMountainbike
Rennen teil, 2012 wurde er zur fahrradfreundlichsten Persönlichkeit des Landes gewählt, 2017 ging er mit Rad auf Lesereise. Boning trägt einen Strohhut, ein gestreiftes Hemd und eine kurze Hose, auf die – lustig – kleine Motorroller gedruckt sind. Er erzählt, was ihn bewegte umzusteigen. Boning wohnt im Allgäu, fuhr öfter nach München und hatte die Staus und das Parkplatzsuchen satt. Deshalb schwang er sich schließlich aufs Rad. Seit 20 Jahren rollt er.
Die Räder-Vertretung hat Boning als prominenten Fürsprecher eingeladen. Er bewundert die von Motocross-Maschinen inspirierten E-Mountainbikes, die Renner mit Funkschaltung und den ersten Erwachsenen-Tretroller vom Kinderrad-Hersteller Puky. Besonders angetan haben es ihm aber eine Lenkertasche mit Innenbeleuchtung und ein sogenanntes Pizza Rack, eine pizzakartongroße Plattform, die man zur Gepäckträger-Erweiterung anschrauben kann.
Das Radfahren soll komfortabler werden. Das lässt sich festhalten. Darum werden auch die Reifen immer breiter. Das gebe Sicherheit und mehr Kontrolle, sagt ein PdF-Sprecher, und sei nicht bloß eine Mode. Geschlechterneutral soll das Fahrradfahren künftig auch werden. Was früher Damenrad hieß, ist heute ein Tiefeinsteiger, außerdem gibt es jetzt Helme mit Zopfloch. Ausdrücklich für alle.