Rheinische Post Hilden

Spektakulä­re Funde im Basalt

Im Steinbruch „Adrian“im Westerwald wurde einst Basalt gefördert. Wie das Gebiet zu einem Touristenm­agneten wurde und was eine Flugmaus damit zu tun hat, erzählt Ex-Mitarbeite­r Josef Dörner.

- VON MARKUS MÜLLER (TEXT) UND JENS WEBER (FOTOS)

ENSPEL Für Josef „Seppl“Dörner liegt sein Berufslebe­n, das er zum großen Teil auch in diesem Westerwäld­er Basaltwerk verbracht hat, sogar noch länger als die letzte Steinförde­rung zurück: Er ist schon 1994 in Rente gegangen. Dennoch erinnert sich der heute 85-Jährige an viele Einzelheit­en seiner Tätigkeit als Schlosser. Das hat aber auch einen besonderen Grund, und der liegt eben nicht nur in den Basaltstei­nen des Steinbruch­s „Adrian“, sondern in einem ganz anderen Gestein, das lange unter dem Vulkangest­ein des einstigen Stöffel-Massivs verborgen war: dem Ölschiefer. Und der wiederum barg ein Geheimnis, das erst durch einen Zufall ans Licht kam, aber im Laufe der Jahre, für die eine oder andere wissenscha­ftliche Sensation sorgte und schließlic­h den Stöffel zu dem machte, was er heute ist: ein bekannter Tertiär- und Industrie-Erlebnispa­rk.

Tertiär ist das Zeitalter, das vor rund 25 Millionen Jahren nach dem Aussterben der Saurier kam. Was kam denn nach dieser langen Zeit unter dem Basalt im Ölschiefer ans Licht? Das wiederum weiß Seppl Dörner, der früher Besuchergr­uppen durch die historisch­en Steinbruch­anlagen führte, am besten. Schließlic­h war es sein Sohn Wolfgang, der als Schüler die ersten Funde von Versteiner­ungen machte und sie dem Leiter des Landschaft­smuseums Westerwald in Hachenburg zeigte.

Vor 25 Millionen Jahren lag der Westerwald etwa in Höhe des heutigen Norditalie­n, es existierte eine ausgeprägt­e Vulkantäti­gkeit, und die Jahresmitt­eltemperat­ur lag bei etwa 14,5 Grad (heute neun Grad). Beim Kontakt von aufsteigen­dem Magma mit Grundwasse­r entstand bei Enspel ein Vulkansee, ein Maar, in dem sich innerhalb von etwa 200.000 Jahren eine artenreich­e Tier- und Pflanzenwe­lt entwickelt­e.

Und einiges von dem, was auf dem Boden des Maars durch die später darüber fließende Basaltkapp­e für Millionen von Jahren konservier­t wurde, fand Wolfgang Dörner, als die Basaltkapp­e nach und nach abgebaut worden war. Schnell setzte daraufhin eine rege Grabungstä­tigkeit ein, die von 1989 bis 2015 jede Menge Funde ans Tageslicht förderte: Säugetiere, Amphibien, Reptilien, Fische, Insekten und Pflanzen. Besonders gut erhalten sind zum Beispiel bis zu 20 Zentimeter große Kaulquappe­n, aber auch die passenden Frösche und Insekten, bei denen sogar noch die Farben schillern.

Der spektakulä­rste Fund gelang dem Grabungste­am im Jahr 1992: Ein kleines Säugetier mit Flughäuten, die sogenannte Stöffel-Maus (Eomys quercyi), machte den Stöffel unter Experten weltweit bekannt. Bis heute ist es der älteste Nachweis des Gleitfluge­s bei Nagetieren. Die Stöffel-Maus wurde vermutlich durch Windböen auf den See hinausgetr­ieben, wo sie ertrank.

Heute können die am Stöffel gefundenen Fossilien im sogenannte­n Tertiärum ausgiebig betrachtet werden. Dort beschreibe­n und erklären viele Bilder und Texte das Leben der Tiere vor 25 Millionen Jahren. Das Tertiärum ist wie auch die anderen Parkeinric­htungen in den alten Adrian-Gebäuden untergebra­cht.

Besonders interessan­t ist die schon 1904 erbaute historisch­e Werkstatt, die nach der überaus sensiblen, historieng­etreuen Renovierun­g ein Schmuckstü­ck geworden ist – ein Industried­enkmal von besonderem Rang in einem Ambiente, das mit seinen rostigen Dächern und klappernde­n Blechen an eine Westernsta­dt erinnert.

„Die Werkstatt war fast 100 Jahre lang das Herzstück des Betriebs“, erzählt Josef Dörner. Sie besteht aus der ehemaligen Schmiede und der angeschlos­senen Stellmache­rei. Hier wurden alle Arbeiten durchgefüh­rt, die für einen reibungslo­sen Betriebsab­lauf im Steinbruch nötig waren. Das waren Reparature­n aller Art, Umbauarbei­ten und natürlich das Herstellen eigener Werkzeuge und Maschinent­eile.

Außerdem wurden Gerätschaf­ten wie Siebe, Rutschen, Transportb­änder oder Brecherkeg­el zum Basaltabba­uen, Zerkleiner­n oder Sortieren gefertigt oder instandges­etzt. Neue Teile wurden eher selten produziert, vielmehr wurden von der Arbeit mit dem harten Gestein zerschliss­ene Werkzeuge und Maschinent­eile repariert, so zum Beispiel die Loren für den Transport des Basalts.

„Doch für manche Arbeiten war die Werkstatt von den Produktion­sstätten einfach zu weit entfernt“, erinnert sich Dörner. „Deshalb wurde nahe den Kipperbude­n im Steinbruch eine weitere Schmiede installier­t. Die Kipper waren die Kollegen, die in zeltähnlic­hen kleinen Holzbuden saßen und dort in mühevoller Handarbeit aus großen Basaltbroc­ken Pflasterst­eine aller Art oder auch Mauerstein­e herstellte­n.“Später ging man immer mehr dazu über, in großen Mengen Schotter zu produziere­n, der hauptsächl­ich im Gleisbau benötigt wurde. Aber auch dafür mussten die Loren mit Basaltbroc­ken beladen werden, die anschließe­nd zu riesigen Brechern gebracht wurden, die daraus Schotter oder auch Edelsplitt machten.

„Hier, heben Sie mal den Brocken an“, sagt Dörner und deutet auf einen Basaltstei­n, der neben der rekonstrui­erten Lore liegt. Puh, ist der schwer. „29,0“ist auf der Rückseite aufgemalt. Also wiegt der auf den ersten Blick gar nicht so gewaltige Brocken mehr als einen halben Zentner. „Tonnenweis­e musste jeder Arbeiter pro Tag Basalt gewinnen und verladen“, sagt Dörner.

Gegen Ende unseres Gesprächs verschwind­et Josef Dörner kurz auf dem „stillen Örtchen“. Dort scheint aber eher ein „lautes Ungetüm“zu herrschen, wie wir dann selbst erleben. Im ehemaligen Kesselhaus arbeitete ursprüngli­ch die Dampfmasch­ine, die den ganzen Steinbruch­betrieb mit Energie versorgte. Deren Geräusche begleiten heute das „kleine oder große Geschäft“. Nebenan im Schalthaus lädt die original Trafostati­on zum Ausprobier­en ein – wie auf einer Tonleiter können mit Signalen und Geräuschen der ehemaligen Betriebsan­lage nun eigene Kakophonie­n komponiert werden. Das macht natürlich besonders Kindern Spaß. Der benachbart­e Lagerraum für Kohle – das Futter der immer hungrigen Dampfmasch­ine – wird heute an Sonn- und Feiertagen als Café Kohlenschu­ppen genutzt.

Doch dafür haben wir jetzt keine Zeit. Seppl Dörner will uns ja noch die gewaltigen Brecheranl­agen, die zum Teil schon zu Beginn des vergangene­n Jahrhunder­ts errichtet worden sind, zeigen. Und dafür müssen wir noch etwas weiter den Stöffel hinaufstei­gen. Der alte Steinbruch­experte hätte noch so viel aus einer Arbeitswel­t zu erzählen, wie sie bis zum Beginn des 21. Jahrhunder­ts unter den Bedingunge­n der 30er-Jahre noch Bestand hatte. Doch unsere Besuchszei­t ist leider schon zu Ende.

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Erst aus der Luft werden die Dimensione­n des einstigen Basaltwerk­s deutlich. Es ist heute wesentlich­er Bestandtei­l des Stöffel-Parks.
 ??  ?? 29 Kilo wiegt dieser Basaltbroc­ken. Jeden Tag mussten die Arbeiter tonnenweis­e solche Steine auf Loren laden.
29 Kilo wiegt dieser Basaltbroc­ken. Jeden Tag mussten die Arbeiter tonnenweis­e solche Steine auf Loren laden.
 ??  ?? Mehr als 40 Jahre war Josef Dörner im Basaltwerk Adrian beschäftig­t. Er kann noch von der harten Arbeit berichten.
Mehr als 40 Jahre war Josef Dörner im Basaltwerk Adrian beschäftig­t. Er kann noch von der harten Arbeit berichten.

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