Spektakuläre Funde im Basalt
Im Steinbruch „Adrian“im Westerwald wurde einst Basalt gefördert. Wie das Gebiet zu einem Touristenmagneten wurde und was eine Flugmaus damit zu tun hat, erzählt Ex-Mitarbeiter Josef Dörner.
ENSPEL Für Josef „Seppl“Dörner liegt sein Berufsleben, das er zum großen Teil auch in diesem Westerwälder Basaltwerk verbracht hat, sogar noch länger als die letzte Steinförderung zurück: Er ist schon 1994 in Rente gegangen. Dennoch erinnert sich der heute 85-Jährige an viele Einzelheiten seiner Tätigkeit als Schlosser. Das hat aber auch einen besonderen Grund, und der liegt eben nicht nur in den Basaltsteinen des Steinbruchs „Adrian“, sondern in einem ganz anderen Gestein, das lange unter dem Vulkangestein des einstigen Stöffel-Massivs verborgen war: dem Ölschiefer. Und der wiederum barg ein Geheimnis, das erst durch einen Zufall ans Licht kam, aber im Laufe der Jahre, für die eine oder andere wissenschaftliche Sensation sorgte und schließlich den Stöffel zu dem machte, was er heute ist: ein bekannter Tertiär- und Industrie-Erlebnispark.
Tertiär ist das Zeitalter, das vor rund 25 Millionen Jahren nach dem Aussterben der Saurier kam. Was kam denn nach dieser langen Zeit unter dem Basalt im Ölschiefer ans Licht? Das wiederum weiß Seppl Dörner, der früher Besuchergruppen durch die historischen Steinbruchanlagen führte, am besten. Schließlich war es sein Sohn Wolfgang, der als Schüler die ersten Funde von Versteinerungen machte und sie dem Leiter des Landschaftsmuseums Westerwald in Hachenburg zeigte.
Vor 25 Millionen Jahren lag der Westerwald etwa in Höhe des heutigen Norditalien, es existierte eine ausgeprägte Vulkantätigkeit, und die Jahresmitteltemperatur lag bei etwa 14,5 Grad (heute neun Grad). Beim Kontakt von aufsteigendem Magma mit Grundwasser entstand bei Enspel ein Vulkansee, ein Maar, in dem sich innerhalb von etwa 200.000 Jahren eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt entwickelte.
Und einiges von dem, was auf dem Boden des Maars durch die später darüber fließende Basaltkappe für Millionen von Jahren konserviert wurde, fand Wolfgang Dörner, als die Basaltkappe nach und nach abgebaut worden war. Schnell setzte daraufhin eine rege Grabungstätigkeit ein, die von 1989 bis 2015 jede Menge Funde ans Tageslicht förderte: Säugetiere, Amphibien, Reptilien, Fische, Insekten und Pflanzen. Besonders gut erhalten sind zum Beispiel bis zu 20 Zentimeter große Kaulquappen, aber auch die passenden Frösche und Insekten, bei denen sogar noch die Farben schillern.
Der spektakulärste Fund gelang dem Grabungsteam im Jahr 1992: Ein kleines Säugetier mit Flughäuten, die sogenannte Stöffel-Maus (Eomys quercyi), machte den Stöffel unter Experten weltweit bekannt. Bis heute ist es der älteste Nachweis des Gleitfluges bei Nagetieren. Die Stöffel-Maus wurde vermutlich durch Windböen auf den See hinausgetrieben, wo sie ertrank.
Heute können die am Stöffel gefundenen Fossilien im sogenannten Tertiärum ausgiebig betrachtet werden. Dort beschreiben und erklären viele Bilder und Texte das Leben der Tiere vor 25 Millionen Jahren. Das Tertiärum ist wie auch die anderen Parkeinrichtungen in den alten Adrian-Gebäuden untergebracht.
Besonders interessant ist die schon 1904 erbaute historische Werkstatt, die nach der überaus sensiblen, historiengetreuen Renovierung ein Schmuckstück geworden ist – ein Industriedenkmal von besonderem Rang in einem Ambiente, das mit seinen rostigen Dächern und klappernden Blechen an eine Westernstadt erinnert.
„Die Werkstatt war fast 100 Jahre lang das Herzstück des Betriebs“, erzählt Josef Dörner. Sie besteht aus der ehemaligen Schmiede und der angeschlossenen Stellmacherei. Hier wurden alle Arbeiten durchgeführt, die für einen reibungslosen Betriebsablauf im Steinbruch nötig waren. Das waren Reparaturen aller Art, Umbauarbeiten und natürlich das Herstellen eigener Werkzeuge und Maschinenteile.
Außerdem wurden Gerätschaften wie Siebe, Rutschen, Transportbänder oder Brecherkegel zum Basaltabbauen, Zerkleinern oder Sortieren gefertigt oder instandgesetzt. Neue Teile wurden eher selten produziert, vielmehr wurden von der Arbeit mit dem harten Gestein zerschlissene Werkzeuge und Maschinenteile repariert, so zum Beispiel die Loren für den Transport des Basalts.
„Doch für manche Arbeiten war die Werkstatt von den Produktionsstätten einfach zu weit entfernt“, erinnert sich Dörner. „Deshalb wurde nahe den Kipperbuden im Steinbruch eine weitere Schmiede installiert. Die Kipper waren die Kollegen, die in zeltähnlichen kleinen Holzbuden saßen und dort in mühevoller Handarbeit aus großen Basaltbrocken Pflastersteine aller Art oder auch Mauersteine herstellten.“Später ging man immer mehr dazu über, in großen Mengen Schotter zu produzieren, der hauptsächlich im Gleisbau benötigt wurde. Aber auch dafür mussten die Loren mit Basaltbrocken beladen werden, die anschließend zu riesigen Brechern gebracht wurden, die daraus Schotter oder auch Edelsplitt machten.
„Hier, heben Sie mal den Brocken an“, sagt Dörner und deutet auf einen Basaltstein, der neben der rekonstruierten Lore liegt. Puh, ist der schwer. „29,0“ist auf der Rückseite aufgemalt. Also wiegt der auf den ersten Blick gar nicht so gewaltige Brocken mehr als einen halben Zentner. „Tonnenweise musste jeder Arbeiter pro Tag Basalt gewinnen und verladen“, sagt Dörner.
Gegen Ende unseres Gesprächs verschwindet Josef Dörner kurz auf dem „stillen Örtchen“. Dort scheint aber eher ein „lautes Ungetüm“zu herrschen, wie wir dann selbst erleben. Im ehemaligen Kesselhaus arbeitete ursprünglich die Dampfmaschine, die den ganzen Steinbruchbetrieb mit Energie versorgte. Deren Geräusche begleiten heute das „kleine oder große Geschäft“. Nebenan im Schalthaus lädt die original Trafostation zum Ausprobieren ein – wie auf einer Tonleiter können mit Signalen und Geräuschen der ehemaligen Betriebsanlage nun eigene Kakophonien komponiert werden. Das macht natürlich besonders Kindern Spaß. Der benachbarte Lagerraum für Kohle – das Futter der immer hungrigen Dampfmaschine – wird heute an Sonn- und Feiertagen als Café Kohlenschuppen genutzt.
Doch dafür haben wir jetzt keine Zeit. Seppl Dörner will uns ja noch die gewaltigen Brecheranlagen, die zum Teil schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts errichtet worden sind, zeigen. Und dafür müssen wir noch etwas weiter den Stöffel hinaufsteigen. Der alte Steinbruchexperte hätte noch so viel aus einer Arbeitswelt zu erzählen, wie sie bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts unter den Bedingungen der 30er-Jahre noch Bestand hatte. Doch unsere Besuchszeit ist leider schon zu Ende.