Rheinische Post Hilden

Ex-Profi lockt Tour-Stars nach Neuss

Markus Fothen war mal – wie Emanuel Buchmann heute – Deutschlan­ds große Radsport-Hoffnung. Jetzt organisier­t er die Tour de Neuss.

- VON VOLKER KOCH

NEUSS Ob Emanuel Buchmann in zehn Jahren Lust hat, in seiner Heimatstad­t Ravensburg ein Radrennen zu organisier­en, weiß vermutlich nicht mal er selbst. Wenn ja, kann er sich am Mittwoch wertvolle Tipps bei Markus Fothen holen. Denn der Vierte der Tour de France ist der Star bei der Tour de Neuss, die am Mittwochab­end ihre 18. Auflage erlebt – und bei der Markus Fothen erstmals als Sportliche­r Leiter Regie führt.

Der 37-Jährige, in Vorst, einem Ortsteil des „Radsportdo­rfs“Büttgen aufgewachs­en und dort immer noch zu Hause, war vor anderthalb Jahrzehnte­n das, was Emanuel Buchmann heute ist: eine deutsche Radsport-Hoffnung. 2006 durfte er im Trikot des längst in den Geschichts­büchern verschwund­enen „Team Gerolstein­er“seine erste Tour de France fahren, die der damals 24-Jährige mit Bravour bewältigte. Zwei Wochen trug er das weiße Trikot des besten Jungprofis, das er erst auf den Schlusseta­ppen an den Italiener Damiano Cungeo verlor. Im Gesamtklas­sement wurde er 14.

Das weckte Hoffnungen, vielleicht nicht wie bei Buchmann auf einen möglichen Tour-Sieg. Aber darauf, dass ein neuer Stern am damals noch ungetrübte­n deutschen Radsporthi­mmel aufgehen würde, ein Mann der Zukunft für die großen Rundfahrte­n. Auch Markus Fothen glaubte das. „Ich habe gedacht, dass ich das schaffen kann,“sagt er rückblicke­nd. Ein Platz unter den Top Ten war das Ziel für 2007 – am Ende wurde es Rang 34. Keine Katastroph­e, aber eine Enttäuschu­ng, auch für ihn. Schon da hatten seine gesundheit­lichen Probleme begonnen, Schwierigk­eiten mit der Atmung, die sich besonders auf den so wichtigen Bergetappe­n bemerkbar machten. Was sie verursacht­e, fand keiner heraus – heute vermutet der 37-Jährige, „dass sich durch mehrere schwere Stürze irgendetwa­s in meinem Brustkorb verschoben hatte.“

Statt steil bergauf ging es rasant bergab. 2008 wurde er 32., ein Jahr später, jetzt für das Team Milram startend, reichte es nur noch zu Rang 122. 2013 schließlic­h stieg Markus Fothen frustriert vom Rad, das letzte offizielle Rennen seiner Karriere bestritt er bei der Tour de Neuss. Danach wurde es still um den Mann aus Vorst. „Ich brauchte erst mal Abstand zum Radsport,“sagt er heute. Den hat er inzwischen wieder deutlich verringert: Beim größten deutschen Fahrradher­steller ist er im Marketingb­ereich tätig, seit Jahresbegi­nn sportliche­r Berater beim Continenta­l-Team „P&S Metalltech­nik“, dessen Fahrer die Rangliste der Radsport-Bundesliga anführen.

Und seit März ist er Sportliche­r Leiter der Tour de Neuss, deren Organisato­ren einen Nachfolger für den im Vorjahr gerade mal 36 Stunden vor dem Start des Rennens an einer allergisch­en Reaktion auf einen Wespenstic­h verstorben­en Ex-Profi Andreas Kappes suchten. „Es macht Spaß, wieder dabei zu sein, Kontakte zu alten Kumpels und Konkurrent­en, aber auch zu den Fahrern der neuen Generation zu knüpfen,“sagt Fothen. Dabei hat er gemerkt, wie sich der Radsport

verändert hat in den vergangene­n Jahren: „Die heutigen Fahrer gehen das alles viel profession­eller an als wir damals, die arbeiten viel methodisch­er.“Ihre Lockerheit, ihre Nähe zu den Fans, das, was die Radfahrer von vielen anderen Profi-Sportlern unterschei­det, hätten sie dabei allerdings nicht verloren.

Davon können sich die Fans am Mittwochab­end – im Vorjahr kamen 25.000 zur Tour de Neuss – selbst ein Bild machen. Da drehen Radsport-Stars wie Erik Zabel, Jens Voigt oder André Greipel, die alle schon in Neuss gewannen, kurz vor dem Start des eigenen Rennens ein paar Runden mit begeistert­en Kindern und geben im Ziel im durchschwi­tzten Trikot schon Autogramme. „Darum sind diese Nach-Tour-Kriterien so wichtig für den Radsport,“sagt Fothen. Und darum freut es ihn, dass er „mit harter Überredung­skunst“und vergleichs­weise wenigen Euro Emanuel Buchmann dafür begeistern konnte, eines seiner zwei Rennen der nächsten Tage in Neuss zu bestreiten. Denn als vierfacher Tour de France-Teilnehmer weiß Fothen genau, „dass man nach diesen drei Wochen eigentlich genug vom Radfahren hat.“

 ?? FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE ?? Markus Fothen (vorne), Sportliche­r Leiter der Tour de Neuss, startete selbst einige Male als Fahrer bei der Tour de Neuss. Hier jubelt er im Jahr 2007 nach der Zielankunf­t. Damals fuhr er für das Team Gerolstein­er.
FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE Markus Fothen (vorne), Sportliche­r Leiter der Tour de Neuss, startete selbst einige Male als Fahrer bei der Tour de Neuss. Hier jubelt er im Jahr 2007 nach der Zielankunf­t. Damals fuhr er für das Team Gerolstein­er.

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