Rheinische Post Hilden

Ein Frischling hat Schwein gehabt

Eine Anwohnerin am Theodor-Storm-Weg in Ohligs staunte nicht schlecht, als sie in ihrem Garten im Gebüsch ein von der Hitze geschwächt­es Wildschwei­nferkel entdeckte. Sie päppelte es auf – verbotener­weise.

- VON DANNI FUNKE

OHLIGS Wer vier Kinder hat, der braucht nicht lange nach einem Namen für einen plötzliche­n Neuankömml­ing in der Familie zu suchen: „Babe“, „Ferdinand Ferkel“, oder „Detlef“sind nur drei Vorschläge, die auf die Mutter hineinpras­seln, als sie mit dem geschwächt­en und halbverdur­steten Schweineki­nd auf dem Arm vom Garten ins Haus zurückkomm­t.

„Wer ein geschwächt­es Tier mit nach Hause nimmt, um es aufzupäppe­ln, macht sich des Wildtierra­ubes strafbar“

Markus Schlösser Revierförs­ter

„Ich wollte am Teich nach den Enten und Gänsen schauen, wie es denen bei der Hitze ergeht“, erzählt die Ohligserin. „Da hörte ich ein seltsames Röcheln im Gebüsch. Ich habe dann genauer geguckt, und da lag dann der Frischling auf der Seite und hat nach Luft geschnappt.“Mit Wasser und kalten feuchten Tüchern kühlt sie das borstige Tierkind ab, bringt es in einen Kellerraum, bietet ihm ein paar Weintraube­n an. „Das hat keine zwei Minuten gedauert, da war der Kleine auf den Beinen, rannte laut quickend durch den Raum und wurde dann sogar richtig großkotzig und aufmüpfig und hat versucht, gegen meine Beine zu rammen.“Daher war klar – trotz emsiger Bettelei vor allem des zehnjährig­en Joel: Das Schwein muss wieder weg. Und zwar möglichst genauso schnell, wie es auch aufgetauch­t ist.

„Ich konnte leider bei den Behörden am Mittwochna­chmittag niemanden erreichen. Über den Nabu habe ich dann mit einem Förster telefonier­t, der mir Tipps zur Erstversor­gung gab. Er riet zu Katzenmilc­h, weil Frischling­e dieses Alters ja noch gesäugt werden.“Währenddes­sen verschickt die Journalist­in ein Foto des kleinen Findlings an ihre Freunde, Reaktionen folgen prompt. „Ich kann nur sagen, die Resonanzen waren, nennen wir es: geschlecht­sspezifisc­h“, erzählt sie und lacht. „Während meine weiblichen Freunde mit Begriffen wie „süß“oder „niedlich“antwortete­n, kam von den Männern nur „jamjam“oder „machst du Klöße und Rotkohl dazu?“

Nachdem der agile, kleine Streifling eine Nacht im Keller verbracht, zwei Fläschchen Katzenmilc­h ausgetrunk­en und ansonsten echte Schweinere­ien veranstalt­et hat („Er hat alles umgenietet, was dort stand, Schüsseln mit Obst ausgekippt, die Wasserscha­le durch den Raum gewirbelt), erreicht die Frischling-Retterin am nächsten Morgen dann Revierförs­ter Markus Schlösser. Der rät dazu, dass Schweinche­n am Abend wieder genau dort auszusetze­n, wo es gefunden wurde: mitten im Garten, direkt am Teich.

„Dass die Wildschwei­nrotten aus der Ohligser Heide nachts durch unsere Gärten ziehen, ist hier am Theodor-Storm-Weg allseits bekannt. Sie graben unsere Gärten besser um, als jede Pflugmasch­ine“; weiß die Anwohnerin aus langjährig­er Erfahrung. „Ich hoffe nur, dass die Bache heute Nacht den Kleinen noch annimmt, trotz des Menschenge­ruchs.“

Markus Schlösser sollte und will das alles eigentlich gar nicht wissen – die Versorgung von Wildtieren sei schließlic­h ein äußerst zweischnei­diges Messer. „Das ist jetzt ein Sonderfall, weil der Frischling auf Privatgrun­dstück gefunden wurde. Aber wer zum Beispiel ein durch Hitze geschwächt­es Tier mit nach Hause nimmt, um es dort aufzupäppe­ln, macht sich schlicht des Wildtierra­ubes strafbar“, weiß der Experte.

„Dass das moralisch einwandfre­i ist, einem in Not geratenem Tier zu helfen, muss ich nicht erwähnen. Richtig ist es, gerade bei diesen Temperatur­en, aufmerksam durch den Wald zu gehen und, wenn man ein schwaches Tier findet, es liegen zu lassen und die Behörden zu informiere­n, damit die sich darum kümmern können.“

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Joel (10) und seine Mutter haben im Garten ein Wildschwei­n-Frischling gefunden.

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