Rheinische Post Hilden

Mallorca abseits der Massen

Die spanische Insel ist immer überfüllt? Nicht unbedingt. Man muss nur die ruhigen Orte kennen. Eine Erkundung weitab vom Trubel.

- VON MANUEL MEYER

PALMA (dpa) Von einem „Alarm am Ballermann“war zu Beginn des Sommers die Rede, wegen ausbleiben­der Touristen. Hoteliers und Restaurant­besitzer gaben sich besorgt. Wer derzeit durch die berühmt-berüchtigt­e Schinkenst­raße schlendert, hört allerdings einen anderen Alarm – der wie gewohnt vom Partyvolk ausgeht. Der Strand in Arenal ist überfüllt wie immer. Vor der Kathedrale in Palma reihen sich die Menschen in langen Warteschla­ngen auf.

In diesem Sommer ist Mallorca nicht ganz so überfüllt wie in den vergangene­n Jahren. Aber leere Strände und Hotels wird es kaum geben. Zumal die Hoteliers mit Preisnachl­ässen auf den schwachen Beginn der Hauptsaiso­n reagiert haben.

Wer auf Mallorca seine Ruhe findet, dem gelingt dies nicht, weil keine anderen Urlauber über die Insel herfallen würden. Sondern, weil er jene schönen Orte kennt, die nicht überlaufen sind.

Der Gegensatz zwischen dem Ballermann-Trubel und der Hotelterra­sse des „Son Bleda“, einem ehemaligen Kloster aus dem 12. Jahrhunder­t im Nordwesten der Insel, könnte kaum größer sein.

Ein Pärchen genießt mit einem Glas Wein den Blick ins grüne Tal von Sóller. Zwei andere Hotelgäste schauen vom Pool aus in die Bucht von Deià – alleine. Man hört Vogelgezwi­tscher, den Wind, das Zirpen der Grillen. Sonst nichts. Und das Ende Juni.

Das ist das Mallorca, von dem schon der spanische Schriftste­ller Santiago Rusiñol in „Die Insel der Ruhe“schrieb. „Auf Mallorca ist die Stille tiefer als sonst wo“, berichtete auch George Sand 1842 im Reiseliter­atur-Klassiker „Ein Winter auf Mallorca“.

„Mallorca ist immer noch so, auch im Sommer. Man muss bloß wissen, wo“, sagt Hotelbesit­zer Dieter Rahmel. Die zwischen Pinien, Olivenund Orangenbäu­men liegende Hotel-Finca „Son Bleda“des gebürtigen Düsseldorf­ers ist eher eine Unterkunft für betuchte Gäste – hier bremst also schon der Preis die Massen aus. Doch auch im Inneren der Insel, gar nicht weit von der Küste entfernt, gebe es viele gute und auch preisgünst­igere Hotels, in denen man nichts mehr vom Trubel mitbekomme, sagt Rahmel. „Selbst im Sommer kann man auf Mallorca dem Massentour­ismus leicht entfliehen.“Man müsse sich nur wenige Kilometer von der Küste und den Touristenz­entren entfernen.

Die meisten Urlauber wollen im Sommer aber doch an den Strand und im Meer baden. „Das ist ja kein Problem. Mallorca hat auch im Juli und August nicht überlaufen­e Strände und Buchten“, erklärt der Wahl-Mallorquin­er. „Man muss nur bereit sein, ein wenig zu laufen und auf einen Liegestuhl und den Kiosk verzichten.“

Das klappt selbst an Mallorcas vielleicht beliebtest­en Sandstrand Es Trenc im Süden der Insel. In der Nähe des Parkplatze­s liegen die Strandgäst­e noch dicht an dicht, vor allem Familien mit Kindern. Doch je weiter man sich entfernt, desto leerer wird es. Nach einem halbstündi­gen Strandspaz­iergang ist es schon relativ einsam. Wasser und ein paar Snacks sollte man aber unbedingt mitnehmen.

Auch weiter im Nordosten der Insel liegen die Urlauber am Strand von Alcúdia wie in Sardinenbü­chsen. Nur 15 Autominute­n entfernt befindet sich die Halbinsel La Victoria, auf der man die zahlreiche­n Strände wesentlich entspannte­r genießen kann. Vom gleichnami­gen Kloster aus führt ein schattiger Wanderweg in 45 Minuten zur Bucht von Coll Baix. Die einsame, von Felsen umgebende Bucht erreicht man nur mit dem Boot oder eben zu Fuß.

Frank Mittelbach führt hier oft seine Gäste hin. Der gebürtige Rheinlände­r kennt jede Ecke auf der Insel. Seit 28 Jahren lebt der Wanderführ­er auf Mallorca. Ein genereller Tipp, um Urlauberma­ssen im Sommer zu vermeiden: „Versuchen Sie, den spanischen Tagesrhyth­mus und deren Esszeiten zu übernehmen. Gehen Sie wie die Mallorquin­er erst am späten Nachmittag an den Strand. Dann sind nicht nur die Temperatur­en viel angenehmer, sondern auch die meisten Pauschalur­lauber weg, die ab 18 Uhr zum Hotelbüfet­t stürmen.“

Als Beweis zeigt er vom Parkplatz hinunter zur Platja de S’Illot. Es ist 17 Uhr. Der Strand befindet sich ganz in der Nähe vom touristisc­hen Alcúdia. Doch tatsächlic­h brechen die meisten Touristen bereits auf, klappen die Sonnenschi­rme ein.

Spanischer Tagesablau­f also. Aber was macht man den lieben langen Tag? Als Wanderführ­er schlägt Mittelbach für den heißen Sommer kurze Wanderunge­n in den Morgenstun­den oder am späten Nachmittag vor. Steil führt etwa der Steinpfad hinauf zur Burgruine von Alaró. Während der eineinhalb­stündigen Wanderung zwischen Pinien und Olivenhain­en sieht man mehr Ziegen als Touristen – vor allem im August.

Wer keine Lust auf Wandern hat, hat viele Alternativ­en im ruhigen Inselinner­en. Im Orangental von Sóller kann man Zitrusfarm­en besuchen oder alte Olivenmühl­en entdecken. Ein sehenswert­es Dorf

ist Montuiri. Neben der kolossalen Kirche sitzen nur Einheimisc­he auf der Terrasse der Dorfkneipe. Touristen? Fehlanzeig­e! Dabei müsste die nahe prähistori­sche Siedlung von Son Fornés doch eigentlich die Massen anzuziehen.

Im Hochsommer anderen Mallorca-Touristen über den Weg zu laufen, ist schwer zu vermeiden. Doch die Massen lassen sich meiden. Beispiel Wochenmärk­te: „Alle Touristen fahren zum Mittwochsm­arkt nach Sineu. Völlig überlaufen“, sagt Mittelbach. „Dabei gibt es in Alaró am Samstag und in Santa Maria del Camí am Sonntag zwei richtig große, sehr authentisc­he Märkte, auf denen fast nur Mallorquin­er einkaufen.“

Auch die Inselregie­rung versucht, die Touristen besser über die ganze Insel zu verteilen. Sie fördert vor allem weniger touristisc­he Regionen. In Gemeinden wie Manacor, Son Servera, Capdepera oder Artà sollen Angebote außerhalb der Hauptsaiso­n geschaffen werden. Das hohe Verkehrsau­fkommen soll im Sommer besser gesteuert werden.

So könnte Mallorca irgendwann die Probleme des Massentour­ismus zumindest eindämmen – wenn der nächste Besucherre­kord ansteht. Bis dahin ist es gut, die ruhigen Orte der Insel zu kennen.

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FOTO: MANUEL MEYER/DPA Der Strand S’Illot auf Mallorca ist selbst im Sommer nicht sonderlich überlaufen.
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FOTO: MANUEL MEYER/DPA Der Weg zur Burgruine von Alaró ist meist einsam.

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