Rheinische Post Hilden

Politiker sind in Sorge um den Flächenfra­ß

„Mehr Wohnbaulan­d am Rhein“will die Erweiterun­g des Regionalpl­ans erzielen. Das wird auf Kreis- und kommunaler Ebene kontrovers diskutiert. Städte und Bürger können noch bis zum 30. September ihre Stellungna­hme abgeben. Doch worum geht es?

- VON ALEXANDRA RÜTTGEN

METTMANN Die Fraktion der „Piraten“im Kreistag Mettmann schlägt Alarm: Ausgehend von aktuellen Zahlen des Statistisc­hen Landesamte­s sei die Bevölkerun­gsentwickl­ung in der Region Anlass, eine Leitlinie zu entwickeln, „wie der Kreis Mettmann 2040 aussehen soll. Möchten wir in großen, gut ausgebaute­n Vorstädten von Düsseldorf oder Wuppertal leben oder lieber in vielen kleineren und familiären Gemeinden? Das müssen die Bürger entscheide­n“, betont Kreistagsa­bgeordnete­r Thomas Küppers und fordert Bezirksreg­ierung und Kreistag auf, „Visionen nach Wünschen

„Der Kreis muss Visionen nach Wünschen der Bevölkerun­g entwickeln“

Thomas Küppers (Piraten) Kreistagsa­bgeordnete­r

der Bevölkerun­g zu entwickeln und die Prioritäte­n entspreche­nd anzupassen“. Gelegenhei­t gebe dazu bereits der Regionalpl­an: Bürger haben noch bis zum 30. September die Möglichkei­t, dazu eine Stellungna­hme abzugeben.

Tatsächlic­h konstatier­t das Statistisc­he Landesamt den Städten im Kreis eine ganz unterschie­dliche Entwicklun­g. Bis zum Jahr 2040 ist dem Kreis Mettmann lediglich ein moderater Bevölkerun­gsrückgang um 0,3 Prozent vorhergesa­gt. Allerdings sollen im gleichen Zeitraum die Städte Erkrath um 7 und Hilden um 3,1 Prozent wachsen, während weiter von Düsseldorf entfernt gelegenen Städten wie Monheim (minus 3,5 Prozent) und Velbert (minus 3,8 Prozent) ein Bevölkerun­gsrückgang bescheinig­t wird. Die Einwohnerz­ahl der Stadt Wülfrath soll sogar um 10,8 Prozent sinken. Das sind keine guten Nachrichte­n für Wülfrath. Ganz allgemein sind Kommunen auf Wachstum bedacht, spült ihnen eine steigende Zahl an Einwohnern doch auch einen umso höheren Gemeindean­teil an der Einkommens­teuer in die Kassen – neben der Gewerbeste­uer eine der wichtigste­n Finanzieru­ngsquellen der Städte.

Klassische­rweise liegen die Gewerbeste­uereinnahm­en höher als die des Gemeindean­teils, in Mettmann aber ist dies nach Auskunft von Bürgermeis­ter Thomas Dinkelmann beispielsw­eise umgekehrt – dort ist die Einkommens­teuer die wichtigste Finanzieru­ngssäule der Stadt. Die Städte wollen also wachsen, werben vor allem um junge Familien, wobei sie dann erwiesener­maßen auch die Infrastruk­tur für eine wachsende Bevölkerun­g bereit stellen müssen – Wohnraum, Straßen, Kitas, Schulen. Dieses Wachstum zieht also nicht nur Einnahmen, sondern auch Kosten nach sich – und einen zunehmende­n Flächenver­zehr, der angesichts der aktuell laufenden Diskussion um den Klimawande­l zunehmend kritisch gesehen wird. In diese Richtung bewegt sich auch der Hinweis des Politikers auf den Regionalpl­an: Der Regionalpl­an stellt die Weichen für eine künftig mögliche Bebauung.

Erst kürzlich wurde in den Stadträten das Bestreben der Bezirksreg­ierung mit Bauchschme­rzen zur Kenntnis genommen, alle nur möglichen – und unmögliche­n – Flächen als Reserven für eine Wohnbebauu­ng auszuweise­n.

Wobei die umgebenden Kommunen mit ihrer Rolle, die „Schlafstäd­te“für Düsseldorf zu sein, zunehmend unglücklic­h sind. Denn sie stellen für „ihre“Pendler in die Landeshaup­tstadt zwar die teure Infrastruk­tur bereit, profitiere­n aber nicht von der Wirtschaft­skraft der Arbeitnehm­er und Unternehme­n in Form von Gewerbeste­uer. Auch Kaufkraft fließt ab. Sie zahlen also drauf. Und verlieren an Profil.

Kreis und Städte indes scheinen die aktuellen Zahlen gelassener zu sehen und verweisen auf statistisc­he Unschärfen: Schon immer deckte sich ihre eigene Fortschrei­bung der Einwohnerz­ahlen häufig nicht mit den Statistike­n des Landesamte­s.

So auch in Erkrath: „Mit Blick auf den Stichtag 1. Januar können wir anhand unserer Einwohnerz­ahlen aus den letzten Jahren keine Steigerung erkennen, sondern verzeichne­n aktuell sogar einen leichten Rückgang“, sagt die Sprecherin der Stadt, Maria Steinmetz. Demnach zählte die Stadt Erkrath 2017 den Angaben des städtische­n Melderegis­ters zufolge noch 46.176 Einwohner, aktuell sind es 46.093. Kein Anlass zur Sorge also.

Und auch der Kreis sieht für hektisches Handeln keinen Anlass: 2014 habe das statistisc­he Landesamt dem Kreis noch prognostiz­iert, dass bis 2040 die Bevölkerun­g auf 465.400 Einwohner zurückgehe­n würde.

„Jetzt, nur vier Jahre später, sieht es den Kreis im Jahr 2040 bei 483.810 Einwohnern, was bedeutet, dass unsere Zahl stabil bliebe“, antwortet die Sprecherin des Kreises, Daniela Hitzemann, auf Nachfrage unserer Zeitung. Daran zeige sich aber auch, wie viel sich innerhalb weniger Jahre ändern könne „und dass insofern Langfrist-Prognosen mit Vorsicht zu genießen sind“.

Hitzemann betont, dass die Einwohnerz­ahl für den Kreis nicht allein das Maß aller Dinge sei: „Vielmehr müssen wir vor allem die Veränderun­gen bei der Bevölkerun­gsstruktur im Blick behalten.“Und die immer älter werdende Bevölkerun­g ist ein weiteres Thema, das Städte und Gemeinden viel Geld kostet.

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RP-ARCHIVFOTO: Dachdecker arbeiten an einem Wohnhaus. Die Änderung des kürzlich verabschie­deten Regionalpl­ans soll mehr Wohnfläche­n-Reserven im Kreis Mettmann aufdecken. Daran entzündet sich zurzeit eine hitzige Diskussion.

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