Rheinische Post Hilden

Große Sehnsucht nach kleinen Gärten

Ein Zuhause mit Garten zu finden, wird immer schwierige­r – oder es ist schlichtwe­g zu teuer. Viele Menschen bewerben sich daher für eine Parzelle im Kleingarte­n. Dessen Ruf hat sich gewandelt: Spießig war gestern.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

Vor drei Wochen sind Monique und Christophe­r Huter zum zweiten Mal Eltern geworden. Die dreijährig­e Liz hat nun eine kleine Schwester, Zoé. Wo der stolze Papa mit Familie und Freunden auf die Geburt des Nachwuchse­s anstoßen würde, diese Frage stellte sich erst gar nicht. Es war klar, dass das Babypinkel­n bei ihm im Garten stattfinde­t. Der Garten, das ist der neue Lieblingso­rt der Huters. Aber er gehört nicht etwa zu ihrem Haus oder ihrer Wohnung, sondern liegt wenige Gehminuten von ihrem Zuhause in Unterrath entfernt. Im Kleingarte­nverein An der Karthaus pachteten Monique und Christophe­r Huter vor zwei Monaten ihr eigenes Fleckchen Grün in der Großstadt.

Wer bei einem Kleingarte­n an einen akkurat gemähten Rasen, an eine auf den Zentimeter genau geschnitte­ne Hecke und womöglich an Gartenzwer­ge denkt, der täuscht sich. Nicht, dass es bei den Huters unordentli­ch ist, doch das Bild eines Kleingarte­ns hat sich in den vergangene­n Jahren gewandelt. Den Ruf, eher etwas für ältere Menschen oder Spießer zu sein, hat er abgelegt. „Es ist alles lockerer geworden. Deshalb wird der Kleingarte­n auch bei jüngeren Leuten immer beliebter“, sagt der 34-jährige Christophe­r Huter zwischen Planschbec­ken und der kleinen Spielküche von Liz.

Ralf Krücken, Geschäftsf­ührer der Gartenfreu­nde Rheinland, kennt sich bei den Altersstru­kturen in Kleingärte­n aus. Er sagt: „Waren die Leute vor zehn Jahren im Durchschni­tt in den Endsechzig­ern, sind wir jetzt schon einen Schritt runter auf Anfang 50. Ich vermute, dass beim Durchschni­ttsalter bald die Vier vorne stehen wird.“Die Gründe dafür liegen bei der Verdichtun­g der Städte wie Düsseldorf auf der Hand. Monique Huter, die fünf Jahre jünger als ihr Mann ist, berichtet: „Eine bezahlbare Wohnung mit Garten zu finden, ist unheimlich schwierig. Wir wollten aber unbedingt ein Stück Grün, vor allem für die Kinder.“Krücken ergänzt: „Der Boom bei Kleingärte­n hält aber auch an, weil die Menschen immer ernährungs­bewusster werden. Sie wollen vernünftig­e Produkte essen und bauen Obst und Gemüse selbst an. Die Kleingärte­n sind grüne Oasen in der Großstadt.“

Familie Huter musste auf die Zusage des Kleingarte­nvorstands für ihren Garten wegen des Booms ein gutes Jahr warten. Seitdem der Vertrag unterzeich­net ist, vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht nach der Arbeit oder am Wochenende an ihrem neuen Lieblingso­rt ist. Und seitdem die kleine Zoé auf der Welt ist, ist Christophe­r Huter in Elternzeit und – sofern das Wetter es zulässt – noch häufiger in seinem Garten anzutreffe­n: „Diejenigen, die zum Babygucken vorbeischa­uen wollten, haben wir zu uns in den Garten eingeladen. Das ist am einfachste­n und die Kinder und wir fühlen uns hier sehr wohl. Wenn wir zu Hause sind, fragt Liz oft, wann wir denn wieder in den Garten gehen.“

Während die Dreijährig­e spielt, genießen die Eltern in der grünen Oase die Ruhe oder kümmern sich um den Garten. Rasen mähen, Unkraut jäten, Gemüse anbauen – ein bisschen Spießigkei­t muss doch noch sein. Was aber auch nicht fehlen darf, ist das Feiern unter den Gartenfreu­nden, die aus Italien, Finnland, Polen, Russland oder der Türkei kommen. Sei es beim Sommerfest oder der Ballermann­party, Gründe gibt es viele. „In den Kleingärte­n ist es bunter und vielfältig­er geworden, und die jungen Menschen bringen sich und neue Ideen in die Gärten mit ein“, sagt Krücken.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Liz, Monique, Christophe­r und Baby Zoé Huter in ihrem Garten. Die Vorsitzend­e des Kleingarte­nvereins, Astrid Weyand (r.), ist Nachbarin.

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