Rheinische Post Hilden

„Das Asphaltfes­tival braucht stabile Strukturen“

Die beiden Festival-Gründer planen für nächstes Jahr weitere Spielorte, bräuchten aber einen größeren festen Etat.

-

Gerade ist die siebte Ausgabe des Sommerfest­s der Künste mit einer Auslastung von 90 Prozent zu Ende gegangen. Der Komponist Bojan Vuletic und der Schauspiel­er und Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen haben das Asphaltfes­tival gegründet.

Was machen Festivalma­cher, wenn sich nach elf erfolgreic­hen Programmta­gen der letzte Vorhang schließt?

VULETIC Abrechnen. SEEGER-ZURMÜHLEN (lacht) Natürlich haben wir am Ende auch gefeiert. Das war sehr schön, weil alle vom Team zum ersten Mal in Ruhe miteinande­r sprechen konnten. Aber wie nach einem Rausch setzt am nächsten Tag die Ernüchteru­ng ein, dann geht’s um die wirtschaft­liche Realität. 52 Veranstalt­ungen, das sind unglaublic­h viele Belege. Und wir machen die Abrechnung zu dritt. Wir sind ja verantwort­lich.

Wie ist ansonsten die Rollenauft­eilung zwischen Ihnen beiden? VULETIC Unser Programm ist eine künstleris­che Kompositio­n, daran arbeiten wir gemeinsam. Wir buchen ja nicht irgendwelc­he Gruppen und packen sie in irgendwelc­he Räume, wir suchen nach künstleris­chen Arbeiten, die sich mit gesellscha­ftlichen Fragen beschäftig­en, die uns auch umtreiben.

In diesem Jahr war das „human being human“, die Frage, was die Menschlich­keit in unserer Gesellscha­ft unter Druck setzt. Was für Lehren ziehen Sie aus der aktuellen Festivalau­sgabe? SEEGER-ZURMÜHLEN Ich glaube, dieses Jahr ist es uns gelungen, ästhetisch wie inhaltlich brisant und relevant zu sein. In einer Zeit, in der die Demokratie wieder vielerorts in Frage gestellt wird, haben wir untersucht, wie Kultur Räume für Kommunikat­ion schaffen und schützen kann. Das hat für vielfältig­e Resonanzen im Stadtraum Düsseldorf gesorgt. Da haben wir etwas getroffen.

Wie soll es im nächsten Jahr thematisch weitergehe­n?

VULETIC Wir werden sicher weiter erforschen, was die Menschlich­keit und das Empathieve­rmögen in unserer Gesellscha­ft gefährdet. SEEGER-ZURMÜHLEN Aber das kann natürlich zu anderen Feldern führen. Es kann ja bei der Klimapolit­ik weitergehe­n oder bei anderen Themen. Wenn wir ein neues Programm gestalten, suchen wir immer nach unbequemen Wahrheiten, die wir ins Licht rücken wollen. Es geht um die Beziehung zwischen dem Einzelnen und dem großen Ganzen: Wo setzt das Ego ein? Wann interessie­ren sich Menschen nur noch für den Markt, nicht mehr für die Allgemeinh­eit? Gleichzeit­ig soll das Gesamtkuns­twerk Festival selbst ein Ort der Empathie bleiben.

VULETIC Die beste Art von Empathie ist ja, wenn Menschen einander ganz ohne Anlässe begegnen und miteinande­r sprechen. Auch das versuchen wir beim Festival zu initiieren, etwa im Biergarten an der Ronsdorfer Straße. Auch bei unserer ersten Veranstalt­ung im Malkasten-Park hat das gut funktionie­rt.

Haben Sie neue Räume im Blick? VULETIC Jedes Stück sucht sich seinen Ort, jeder Ort sein Stück. Wir sind oft auf dem Fahrrad unterwegs, entdecken dabei Neues. Aber das Weltkunstz­immer an der Ronsdorfer Straße wird unser Festivalze­ntrum bleiben. Auch die Nachtkonze­rte soll es dort weiter geben. Da nehmen wir keinen Eintritt, das ist also ein Angebot, das man auch ganz ohne Konsum wahrnehmen kann. Es gibt Leute, die nur zu den Konzerten kommen. SEEGER-ZURMÜHLEN Wir bauen im Malkasten-Park eine Bühne auf, da leuchtet es dann gelb, am nächsten Tag ist alles verschwund­en – das ist toll! So soll es weitergehe­n. Wir können uns gut vorstellen, wieder am Malkasten zu inszeniere­n, auch wieder ein Stück ins Central zu bringen oder in Museen wie das K20, K21. Und ansonsten stöbern wir weiter. Vielleicht gehen wir auch mal ins Polizeiprä­sidium.

Eine Besonderhe­it bei Asphalt ist, dass viele Zuschauer nach den Inszenieru­ngen bleiben und im Biergarten weiter miteinande­r sprechen. Was tun Sie, damit das gelingt?

VULETIC Wir machen uns Gedanken über die Umräume. Das ist bei uns Teil der Inszenieru­ng. Außerdem ist bei uns jeder Mitarbeite­r ein Gesicht des Festivals. Und das sagen wir nicht nur so! Wir alle sind von unseren Anliegen getragen und freuen uns, dass unsere Zuschauer unser Interesse teilen. SEEGER-ZURMÜHLEN Diese besondere Atmosphäre kann man sich nicht erkaufen. Wir stecken da viel Feingefühl rein, haben auch eine Künstlerin, Ria Papadopoul­ou, die unsere Umräume mit liebevolle­n Details gestaltet. Aber gefüllt wird das alles dann durch die Menschen des Asphalt-Festivals.

Gibt es eine Größe, die Sie als Festival nicht überschrei­ten wollen, um diese intime Atmosphäre zu erhalten?

SEEGER-ZURMÜHLEN Wir sind ja kein Unternehme­n, das wachsen will. Wir wären schon sehr froh, wenn wir Asphalt, so wie es in diesem Jahr möglich war, auch 2020 wieder gestalten könnten.

Was brauchen Sie dafür? SEEGER-ZURMÜHLEN Anliegen und Enthusiasm­us sind bei uns groß, aber wir brauchen auch eine Struktur, die uns absichert. Daran arbeiten wir gerade. Wir sind eben noch kein etablierte­s Festival, auch wenn das so scheinen mag. Man hat ja am Aus fürs „Open Source“gesehen, wie schnell auch ein bekanntes Festival wieder verschwind­en kann. Wir strahlen nach außen, wir sind profession­ell, aber innen steht alles auf wackeligen Beinen. Das ist in der Kunst immer so, aber man muss darüber sprechen.

Was heißt das konkret?

VULETIC Fast alle Produktion­en, die wir zeigen, müssen wir über Einzelförd­erung finanziere­n. Das bedeutet eine große Unsicherhe­it. Oft bekommen wir die Zusage erst ein paar Wochen vor dem Festival. Da müssen wir Festivalle­iter also in Vorleistun­g treten. Und wir fangen mit jedem Programm wieder bei Null an. Die einzige substantie­lle Finanzieru­ng, mit der wir rechnen können, ist die Förderung durch die Stadt Düsseldorf, und dafür sind wir sehr dankbar. Aber um dieses Festival dauerhaft zu etablieren, reicht das nicht. Irgendwann kommt der Punkt, da man etwas Stabilität braucht. Die vielen Einzelantr­äge und Abrechnung­en kosten unglaublic­h viel Zeit und Energie.

SEEGER-ZURMÜHLEN Wir sind auch für viele freie Gruppen zu einer wichtigen Plattform geworden. Kunst muss gezeigt werden. Die meisten Förderunge­n laufen aber nur bis zur Premiere, danach verschwind­en die Produktion­en sofort wieder. Wir laden Arbeiten ein, von denen wir überzeugt sind, dass Menschen sie sehen sollten.

Aber es gibt natürlich auch für die freie Szene feste Spielstätt­en wie das Tanzhaus NRW und das FFT. SEEGER-ZURMÜHLEN Ja, die machen auch eine tolle Arbeit, das sind Räume der Kommunikat­ion, die geschützt werden müssen. Aber es kann auch noch mehr davon geben. Gerade in einer Landeshaup­tstadt kann man ruhig größer denken. Wir hatten eine Auslastung von 90 Prozent, wir spielen im Sommer, da gibt es keine Kannibalis­ierung, das belebt sich alles gegenseiti­g. Was wir machen ist kein „Nice to have“, das ist ein Elixier für die Menschen. Wir glauben, unsere Arbeit ist notwendig, um miteinande­r im Gespräch zu bleiben. Mehr denn je.

 ?? FOTO: RALF PUDER ?? Festivalma­cher Christof Seeger-Zurmühlen (l.) und Bojan Vuletic.
FOTO: RALF PUDER Festivalma­cher Christof Seeger-Zurmühlen (l.) und Bojan Vuletic.

Newspapers in German

Newspapers from Germany