Rheinische Post Hilden

Performanc­e ohne Performer

Das NRW-Forum zeigt Kunst im virtuellen Raum. Für das Ausstellun­gshaus hat das Künstlerko­llektiv New Scenario die Schau „Whiteout“entwickelt, in der man in die Unendlichk­eit blicken kann.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Fiatsi, ein Transgende­r-Künstler aus Ghana, demonstrie­rt auf drastische Weise, wie er im Morast der Vorurteile und Kränkungen zu ersticken droht, und die New Yorker Choreograp­hin Maria Hassabi zelebriert die Schönheit der Langsamkei­t.

Der Performanc­e ist ursprüngli­ch die Unmittelba­rkeit zu eigen. Sie ist als offener künstleris­cher Prozess angelegt, in den das Publikum einbezogen wird. Der Performer sucht den direkten Dialog mit ihm. In „Whiteout“sind diese Charakteri­stika der Kunstform getilgt. Die Gegenseiti­gkeit existiert nicht mehr, nur ein Für-Sich-Sein. Kann es also gelingen, die Dynamik einer Performanc­e, deren wichtigste Zutat das physische Mit-Erleben ist, im virtuellen Raum zu erhalten oder vielleicht sogar zu verstärken? Dieser Grundfrage geht das Kollektiv New Scenario mit seinem aktuellen Projekt nach.

Die Performanc­es wurden vorab allesamt in Studios aufgenomme­n und für die virtuelle Schau technisch aufbereite­t. Sie sind als Dauerschle­ife angelegt, beginnen also nach zehn Minuten jeweils wieder von vorn.

Allein die zehn Minuten durchzuhal­ten, ist mühsam, denn der Fokus ist enorm. Es gibt nur die künstleris­che Aktion in dieser weiten weißen Leere, keine optische Ablenkung. Die vertraute Wahrnehmun­g wird unterwande­rt von einer neuen Ästhetik. Dort herrscht Zwang zur Konzentrat­ion, was eine ganz außerorden­tliche Erfahrung ist. Der Betrachter wird in „Whiteout“isoliert und fügt sich beinahe bereitwill­ig.

Dabei könnte er jederzeit sein Headset absetzen, die virtuelle Vorstellun­g verlassen und im Parterre einen ganz realen Kaffee trinken. Das geschieht aber selten, sagt die Mitarbeite­rin des NRW-Forums, die den Besuchern die Technik erklärt. Die meisten schauten sich jede Performanc­e bis zum Ende an, weil sie wissen möchten, wie sie ausgehen. Dann muss sich das Auge in der Lichtwüste wieder den einen Fixpunkt suchen, aus dem die Kunst erneut erwächst.

 ?? FOTO: NRW-FORUM DÜSSELDORF/NEW SCENARIO ?? Ausschnitt aus der Performanc­e von Maria Hassabi, die für die virtuelle Schau aufgenomme­n und technisch aufbereite­t wurde.
FOTO: NRW-FORUM DÜSSELDORF/NEW SCENARIO Ausschnitt aus der Performanc­e von Maria Hassabi, die für die virtuelle Schau aufgenomme­n und technisch aufbereite­t wurde.
 ?? FOTO: KATJA ILLNER ?? So sieht die Ausstellun­g „Whiteout“im Obergescho­ss des NRW-Forums aus, wenn man sie nicht mit Virtual-Reality-Headset, sondern mit bloßen Augen betrachtet.
FOTO: KATJA ILLNER So sieht die Ausstellun­g „Whiteout“im Obergescho­ss des NRW-Forums aus, wenn man sie nicht mit Virtual-Reality-Headset, sondern mit bloßen Augen betrachtet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany