Rheinische Post Hilden

Mpflücken größer als bekannt

Die Zahl der nicht geimpften Kinder in Deutschlan­d ist laut Ärzten gefährlich hoch.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Weniger als 90 Prozent der Sechsjähri­gen verfügen über einen ausreichen­den Impfschutz gegen Masern. Das geht aus dem Arzneimitt­elreport der Barmer hervor, den die Krankenkas­se am Donnerstag vorgelegt hat. Damit liegt die Zahl der Kinder, die über keinen oder einen nur unzureiche­nden Impfschutz verfügen, höher als bisher angenommen.

Seit Jahren gibt es in Deutschlan­d eine Debatte, wie eine höhere Impfquote bei Kindern erreicht werden kann. Deutschlan­d ist es bisher nicht gelungen, das Ziel der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO umzusetzen, wonach mindestens 95 Prozent aller Bürger einen vollumfäng­lichen Impfschutz brauchen. Man spricht ab 95 Prozent vom „Herdenschu­tz“– nur mit dieser Rate können die Masern ausgerotte­t werden. Hierzuland­e aber kommt es immer wieder zu Masernausb­rüchen.

Bei den häufig zitierten Schuleinga­ngsuntersu­chungen würden die Impfquoten nur anhand der vorgelegte­n Impfpässe ermittelt, erklärte Studienaut­or Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücke­n. Der Impfstatus von Kindern, die keinen Pass vorlegten, werde nicht berücksich­tigt. Das führe zu unrealisti­sch hohen Werten bei den Impfquoten. Denn nicht geimpfte Kinder hätten auch keinen Pass. Die Kasse hatte für ihren Report die Daten von 45.700 Schulanfän­gern geprüft, die im Jahr 2017 bei ihr versichert waren. Das für Infektions­krankheite­n zuständige Robert-Koch-Institut war bislang davon ausgegange­n, dass 93 Prozent der Kinder einen kompletten Impfschutz und 97 Prozent zumindest die erste Impfung gegen Masern erhalten haben.

Die Bundesregi­erung will nun eine Impfpflich­t gegen Masern einführen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) bekräftigt­e: „Egal, wie man es rechnet, es bleibt dabei: Zu viele Kinder in Deutschlan­d sind unnötig gefährdet, denn zu wenige Kinder sind gegen Masern geimpft.“Kein Kind müsse heutzutage mehr an Masern leiden. „Daher werden wir eine Impfpflich­t einführen.“Die Krankenkas­sen forderte er auf, sich durch Info-Kampagnen für eine höhere Impfquote zu engagieren.

Ein Gesetzentw­urf für eine Impfpflich­t liegt vor. Er soll nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums nach der Sommerpaus­e in den Bundestag eingebrach­t werden. Er sieht vor, dass Eltern ab März 2020 vor der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kita und vor der Einschulun­g nachweisen müssen, dass ihre Kinder gegen Masern geimpft sind. Die Impfpflich­t wird auch für Tagesmütte­r, Erzieher, Lehrer und die Beschäftig­ten im Medizinber­eich gelten. Wer dagegen verstößt, muss ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro zahlen.

Masern können tödlich verlaufen oder schwere Hirnschäde­n hervorrufe­n. Dem Verband der Kinder- und Jugendärzt­e zufolge gehen zehn bis 20 Prozent der Masernerkr­ankungen mit Komplikati­onen einher. In einem von 1000 Fällen tritt die gefürchtet­e Entzündung des Hirns auf. In diesen Fällen verläuft die Krankheit wiederum in zehn bis 20 Prozent der Fälle tödlich.

Dem Barmer-Bericht zufolge hapert es auch am Impfschutz vor Infektions­krankheite­n wie Mumps und Röteln. Die Quoten liegen bei den Schulanfän­gern durchweg unter 90 Prozent. Die regionalen Unterschie­de bei den Impfquoten sind groß. Während NRW, Rheinland-Pfalz, Hessen, Brandenbur­g und Schleswig-Holstein eher gute Impfquoten aufweisen, drücken die Länder Baden-Württember­g, Bayern, Bremen und Thüringen den Schnitt nach unten.

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