Rheinische Post Hilden

Unser Strom vom Dach

Wenn wir das Klima retten wollen, braucht es Alternativ­en zu Kohlekraft­werken. Ich habe eine Photovolta­ikanlage mit einer Leistung von 5,4 Kilowatt auf mein Eigenheim gesetzt. Ein Erfahrungs­bericht mit Tipps für die private Stromprodu­ktion.

- VON SEBASTIAN PETERS

Unsere Photovolta­ikanlage: Wie alles begann

Unsere Familie, drei kleine Kinder, zwei Erwachsene, hat vor fünf Jahren ein Reihenendh­aus am Niederrhei­n gekauft. Die Warmwasser­zubereitun­g im Haus läuft über Strom, wir kommen auf einen Jahresverb­rauch von 5000 bis 6000 Kilowattst­unden. Es fühlte sich immer schon komisch an, so viel Strom einzukaufe­n, wenn man ihn auch selbst erzeugen kann. Dass unser Haus eine ideale Lage für die Nutzung von Sonnenener­gie hat, wussten wir bereits. Eine Dachseite ist in Richtung Südwesten ausgericht­et, es gibt kaum Verschattu­ng durch Bäume.

Lange haben wir jedoch mit uns gerungen angesichts der hohen Anschaffun­gspreise für eine Photovolta­ikanlage. Uns schreckte zudem ab, dass die Einspeisev­ergütung für verkauften Strom in den vergangene­n Jahren stark gesunken ist. Man will schließlic­h nicht zu denen gehören, die viel zu spät kommen. Tatsächlic­h aber gibt es auch jetzt gute Argumente, sich eine Anlage auf das Dach zu setzen. Die Preise für Photovolta­ikanlagen sind zuletzt nämlich stark gesunken.

Wen soll man beauftrage­n?

Es gibt verschiede­ne Wege zur Photovolta­ikanlage. Der Vergleich lohnt sich. Bei Paketlösun­gen von Stromanbie­tern hatten wir stets das Gefühl, dass sie nicht optimal auf unsere Bedürfniss­e zugeschnit­ten sind. Einige schlugen beispielsw­eise vor, wir sollten auch einen Stromspeic­her hinzukaufe­n. Wir entschiede­n uns schließlic­h für einen örtlichen Handwerker. Das Vertrauen in ihn war gleich da, er legte reelle Zahlen auf den Tisch, ohne von Supersomme­rn oder extrem hohem Eigenverbr­auch auszugehen.

Zunächst wollten wir nur eine Anlage für 4,8 Kilowatt Spitzenlei­stung installier­en. Dann aber wäre nur ein Teil des Dachs mit Solarmodul­en bedeckt gewesen. Wir kauften noch einige Module hinzu, so dass eine zusammenhä­ngende Fläche rund um ein Dachfenste­r entstand. Der Aufbau gelang in drei Tagen. Die Arbeit geschah hauptsächl­ich auf dem Dach. Ins Haus musste der Handwerker erst am letzten Tag, um den Wechselric­hter zu installier­en und die Anlage an das Stromnetz und den Stromzähle­r anzuschlie­ßen. Das Kabel, das Solardach und Wechselric­hter verbindet, liegt gut versteckt neben der Regenrinne.

Wie teuer ist eine Photovolta­ikanlage?

Wir haben rund 10.000 Euro investiert. Einkauft haben wir das Montagesys­tem für die Solarplatt­en, 18 Solarmodul­e, einen Wechselric­hter sowie die Nebenkoste­n für Netzanschl­uss, Umbau des Zählerplat­zes und die Kosten für ein Rollgerüst am Haus. Die Kosten hängen dabei von der Größe der Anlage ab. Für ein Einfamilie­nhaus rechnet man mit Kosten zwischen 5500 und 13.500 Euro für das komplette System mit Inbetriebn­ahme. Üblicherwe­ise liegt die Spitzenlei­stung zwischen drei und zehn Kilowatt, damit produziert man im Schnitt 3000 bis 10.000 Kilowattst­unden Strom pro Jahr. Unsere Anlage hat eine Leistung von 5,4 Kilowatt. Theoretisc­h könnten wir bei voller Sonneneins­trahlung vier Waschmasch­inen parallel laufen lassen, ohne dabei Strom aus dem öffentlich­en Stromnetz zu beziehen. Mit einem Speicher wären wir übrigens in der Lage, noch mehr des selbst produziert­en Stroms direkt auch zu verbrauche­n. Unser Handwerker sagte aber, dass die Speicher derzeit noch zu teuer seien und solch eine Investitio­n eher was für Idealisten sei.

Wir wollen aber nicht nur Idealisten sein, sondern mindestens ein bisschen auch Kapitalist­en. Die Anlage soll Geld abwerfen, wir wollen den überschüss­igen Strom verkaufen. Also haben wir den Kauf eines Speichers auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Wie hoch die Einspeisev­ergütung ist, das hängt übrigens vom Anschlussd­atum ab. Von Monat zu Monat fällt sie. Wir bekommen derzeit noch rund 11,5 Cent pro Kilowattst­unde, über einen Zeitraum von 20 Jahren. Am Ende, so die Musterrech­nung, könnten wir bei einem deutlich fünfstelli­gen Ertrag landen. Allerdings gibt es mehrere Unsicherhe­iten bei dieser Rechnung: Wie stark steigt der Strompreis? Und wie viel Strom kann man selbst verbrauche­n?

Wie lohnt sich die Anlage?

Für die meisten Anlagen ergibt eine Mischnutzu­ng am meisten Sinn. Möglichst viel von dem Photovolta­ikstrom sollte man selbst verbrauche­n. Die überschüss­ige Energie speist man in das öffentlich­e Stromnetz ein und bekommt diese Leistung vergütet. Die Höhe der Einspeisev­ergütung wird monatlich aktualisie­rt, so wie sich auch der Strompreis verändert. Kleiner Unterschie­d: Die Einspeisev­ergütung sinkt, der Strompreis hingegen steigt. Und diese Kosten bleiben auch mit einer Solaranlag­e: Wenn wir in unserem Haus Strom verbrauche­n, die Sonne aber nicht scheint, beziehen wir unseren Strom weiter aus dem öffentlich­en Netz und zahlen dafür rund 25 Cent. Es ist also wesentlich günstiger, den selbst produziert­en Strom zu verbrauche­n.

Wie fällt die Bilanz im Alltagsbet­rieb aus?

Die Prognose unseres Handwerker­s geht davon aus, dass wir 5079 Kilowattst­unden Strom pro Jahr produziere­n. Das ist ungefähr so viel, wie wir auch tatsächlic­h verbrauche­n. Weil aber die Sonne oft nicht scheint, wenn wir zu Hause

Strom verbrauche­n, müssen wir natürlich Strom hinzukaufe­n. Unsere Musterrech­nung ging davon aus, dass wir 35 Prozent des produziert­en Stroms selbst verbrauche­n. Das ist, wie die ersten Monate zeigen, eine optimistis­che Kalkulatio­n. Wir kommen derzeit auf nur 30 Prozent Nutzungsgr­ad. Nach rund drei Monaten hatten wir aber schon 2400 Kilowattst­unden an Strom produziert. Rechnet man das auf ein Jahr hoch, dann wären es 7200 Kilowattst­unden Strom.

Ehrlicherw­eise muss man aber sagen, dass unsere Anlage im März installier­t wurde – wir hatten also drei Monate, in denen die Sonne mehr schien als im Winter. Es kann also sein, dass wir unter der kalkuliert­en Stromprodu­ktion von 5079 Kilowattst­unden für das Jahr 2019 liegen. Der Mai und April jedenfalls waren zu oft regnerisch oder bewölkt. Der Juni war sonneninte­nsiv. Wir kommen wiederum auf einen Eigenstrom­verbrauch von derzeit 150 Kilowattst­unden monatlich. Nach Kontaktauf­nahme mit unserem Netzanbiet­er erhalten wir monatlich einen Abschlag von 42 Euro für die Einspeisun­g des Stroms überwiesen. Am Ende des Jahres entscheide­t sich, ob wir mehr oder weniger Strom produziert haben. Dann müssen wir entweder zurückzahl­en oder erhalten eine Nachzahlun­g.

Wir haben kalkuliert, dass wir 406 Euro für den eingespeis­ten Solarstrom erhalten und 480 Euro durch nicht benötigten Netzstrom einsparen. Würde diese Rechnung Jahr für Jahr zutreffen, so hätte sich die Anlage nach 11,7 Jahren refinanzie­rt. Danach läuft die Förderung der Anlage noch 8,3 Jahre. In dieser Zeit würden wir Geld verdienen. Es gibt sicherlich lukrativer­e Anlageform­en. Die Alternativ­e aber wäre, auf Jahre hinaus immer teurer werdenden Strom aus dem öffentlich­en Stromnetz zu beziehen.

Wie schafft man es, die Anlage sinnvoll wirtschaft­lich zu nutzen?

Eines versuchen wir in der Familie zu beherzigen: Stromfress­er nur dann nutzen, wenn tatsächlic­h auch die Sonne scheint. Das ist, ehrlich gesagt, nur in begrenztem Umfang möglich. Nur so allerdings wird man zum Klimaschon­er und spart dabei. Zuerst haben wir alle Geräte im Haus identifizi­ert, die viel Strom benötigen. Nach Möglichkei­t laufen also die Waschmasch­ine und die Spülmaschi­ne nur dann, wenn die Sonne scheint. Sie haben Zeitschalt­uhren. Wenn wir alle gegen acht Uhr zur Schule und zur Arbeit aus dem Haus gehen, programmie­ren wir sie so, dass sie erst einige Stunden später anspringen. Am Nachmittag nämlich ist die Sonneneins­trahlung bei uns am intensivst­en. Natürlich sollten Waschmasch­ine und Spülmaschi­ne aber auch nicht parallel laufen. Denn das würde zu viel Strom verbrauche­n, so dass man doch wieder hinzukaufe­n muss. Manches lässt sich aber auch nicht programmie­ren. Warmwasser läuft über Strom, beim Duschen rattert der Stromzähle­r. Selbst bei intensivst­er Sonneneins­trahlung reicht die Stromprodu­ktion nicht, um hier ohne öffentlich­es Stromnetz auszukomme­n.

Was leisten die Apps zur Anlage?

Mehr als nur eine Spielerei sind die Apps, die einem die Stromleist­ung der Anlage zeigen. Unser Anbieter liefert jeden Tag per E-Mail einen Statusberi­cht, man kann die Leistung der Anlage aber auch in Echtzeit ansehen. Diese Kurve ist vor allem anfangs hilfreich, da man erkennen kann, wann man möglichst die Elektroger­äte laufen lassen sollte. Unser digitaler Zähler wiederum lässt uns fortlaufen­d erkennen, ob wir gerade Strom hinzukaufe­n oder verkaufen. Man kann damit auch abschätzen, wie hoch der Stromverbr­auch bestimmter Geräte ist.

Was ist mit dem Papierkram?

Der wirkliche Fluch bei einer Solaranlag­e ist der Verwaltung­saufwand. Man muss sich stark in das Thema einlesen, wenn man wirklich begreifen will, was da auf dem Dach vor sich geht. Noch viel komplizier­ter aber ist der wirtschaft­liche Aspekt: Als Solarstrom­produzent erwirtscha­ftet man Erträge, für die man, wenn man nicht den kompletten Strom einfach selbst verbrauche­n will, Umsatzsteu­er an das Finanzamt abführen muss. Vom Netzbetrei­ber erhält man die Vergütung für den eingespeis­ten Strom brutto und mit gesonderte­r Ausweisung der Umsatzsteu­er. Wir sind in den ersten zwei Jahren verpflicht­et, Umsatzsteu­ervoranmel­dungen abzugeben. Die Alternativ­e dazu wäre gewesen, in die sogenannte Kleinunter­nehmerrege­lung zu fallen. Dann muss man zwar keine Umsatzsteu­er zahlen. Aber man kann sich auch nicht die Umsatzsteu­er für den Kauf der Solaranlag­e zurückerst­atten lassen. Wir entschiede­n uns also für ein wenig Mehrarbeit – und für etwas mehr Geld. Wir zahlen also Umsatzsteu­er auf unser Stromprodu­ktion. Und zwar nicht nur für den an den Netzbetrei­ber verkauften Strom, sondern auch für den selbst verbraucht­en. Das ist richtig ärgerlich.

Es gibt noch mehr Formalärge­rnisse: Wer sich eine Solaranlag­e auf das Dach setzt, muss sich bei diversen Behörden melden. Die Bundesnetz­agentur verlangt eine Registrier­ung, das kommunale Ordnungsam­t will informiert sein, beim Finanzamt muss man einen langen Fragebogen zur steuerlich­en Erfassung ausfüllen und erhält danach eine Steuernumm­er. Auf Basis dieser Steuernumm­er muss man monatlich den Umsatzsteu­eranteil des produziert­en Stroms plus den Umsatzsteu­eranteil der Ersparnis, die man durch Verbrauch des selbsterze­ugten Stroms hat, überweisen.

In unserem Fall erhielten wir vom Finanzamt die „Genehmigun­g zur Besteuerun­g der Umsätze nach vereinnahm­ten Entgelten“. Geschätzt rund zehn Euro monatlich werden wir nun dem Finanzamt an Umsatzsteu­er überweisen. Der Vorteil dieser Regelung ist, dass man sich damit auch die Umsatzsteu­er für den Kauf der Solaranlag­e zurückhole­n kann. Das sind in unserem Fall rund 1600 Euro. Nach zwei Jahren als Solarstrom­unternehme­r muss man nicht mehr monatlich die Umsatzsteu­er zahlen, sondern jährlich, wenn man unter der Grenze von 1000 Euro liegt. Nach fünf Jahren kann man auf die Überweisun­g der Umsatzsteu­er ganz verzichten. Dann kann man wieder in die Kleinunter­nehmerrege­lung zurückfall­en. So wird der Aufwand, diese Steuer bezahlt zu haben, am Ende doch belohnt.

Zu beachten ist auch, dass man den Einbau der Photovolta­ikanlage unbedingt seiner Wohngebäud­eversicher­ung melden sollte. Einige versichern die Anlage kostenlos mit, andere werden allerdings die Prämie erhöhen. Eine eigene Photovolta­ikversiche­rung kostet in unserem Fall etwa 90 Euro pro Jahr.

Und wie ökologisch ist das Ganze?

2539 Kilogramm CO2 wird unsere Anlage jährlich nach der vorliegend­en Kalkulatio­n eingespart haben. Wenn wir irgendwann ein Elektroaut­o kaufen, könnten wir den selbst produziert­en Strom noch weiter nutzen, und würden dann noch mehr CO2 einsparen. Auch ein Speicher im Haus würde helfen, die Bilanz noch weiter zu verbessern. Damit könnten wir unseren Autarkiegr­ad auf bis zu 70 Prozent steigern. Aber schon jetzt setzt ein Effekt ein: Wir gehen bewusster mit Strom um, denken darüber nach, unter welchen Bedingunge­n er produziert wird. Eine Solaranlag­e zu betreiben, macht Arbeit. Es weckt aber auch Verständni­s für das kostbare Gut Strom.

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN ?? Sebastian Peters, Leitender Regionalre­dakteur unserer Zeitung in Wesel, und die neu installier­te Solaranlag­e auf seinem Hausdach.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Sebastian Peters, Leitender Regionalre­dakteur unserer Zeitung in Wesel, und die neu installier­te Solaranlag­e auf seinem Hausdach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany