Unser Strom vom Dach
Wenn wir das Klima retten wollen, braucht es Alternativen zu Kohlekraftwerken. Ich habe eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 5,4 Kilowatt auf mein Eigenheim gesetzt. Ein Erfahrungsbericht mit Tipps für die private Stromproduktion.
Unsere Photovoltaikanlage: Wie alles begann
Unsere Familie, drei kleine Kinder, zwei Erwachsene, hat vor fünf Jahren ein Reihenendhaus am Niederrhein gekauft. Die Warmwasserzubereitung im Haus läuft über Strom, wir kommen auf einen Jahresverbrauch von 5000 bis 6000 Kilowattstunden. Es fühlte sich immer schon komisch an, so viel Strom einzukaufen, wenn man ihn auch selbst erzeugen kann. Dass unser Haus eine ideale Lage für die Nutzung von Sonnenenergie hat, wussten wir bereits. Eine Dachseite ist in Richtung Südwesten ausgerichtet, es gibt kaum Verschattung durch Bäume.
Lange haben wir jedoch mit uns gerungen angesichts der hohen Anschaffungspreise für eine Photovoltaikanlage. Uns schreckte zudem ab, dass die Einspeisevergütung für verkauften Strom in den vergangenen Jahren stark gesunken ist. Man will schließlich nicht zu denen gehören, die viel zu spät kommen. Tatsächlich aber gibt es auch jetzt gute Argumente, sich eine Anlage auf das Dach zu setzen. Die Preise für Photovoltaikanlagen sind zuletzt nämlich stark gesunken.
Wen soll man beauftragen?
Es gibt verschiedene Wege zur Photovoltaikanlage. Der Vergleich lohnt sich. Bei Paketlösungen von Stromanbietern hatten wir stets das Gefühl, dass sie nicht optimal auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten sind. Einige schlugen beispielsweise vor, wir sollten auch einen Stromspeicher hinzukaufen. Wir entschieden uns schließlich für einen örtlichen Handwerker. Das Vertrauen in ihn war gleich da, er legte reelle Zahlen auf den Tisch, ohne von Supersommern oder extrem hohem Eigenverbrauch auszugehen.
Zunächst wollten wir nur eine Anlage für 4,8 Kilowatt Spitzenleistung installieren. Dann aber wäre nur ein Teil des Dachs mit Solarmodulen bedeckt gewesen. Wir kauften noch einige Module hinzu, so dass eine zusammenhängende Fläche rund um ein Dachfenster entstand. Der Aufbau gelang in drei Tagen. Die Arbeit geschah hauptsächlich auf dem Dach. Ins Haus musste der Handwerker erst am letzten Tag, um den Wechselrichter zu installieren und die Anlage an das Stromnetz und den Stromzähler anzuschließen. Das Kabel, das Solardach und Wechselrichter verbindet, liegt gut versteckt neben der Regenrinne.
Wie teuer ist eine Photovoltaikanlage?
Wir haben rund 10.000 Euro investiert. Einkauft haben wir das Montagesystem für die Solarplatten, 18 Solarmodule, einen Wechselrichter sowie die Nebenkosten für Netzanschluss, Umbau des Zählerplatzes und die Kosten für ein Rollgerüst am Haus. Die Kosten hängen dabei von der Größe der Anlage ab. Für ein Einfamilienhaus rechnet man mit Kosten zwischen 5500 und 13.500 Euro für das komplette System mit Inbetriebnahme. Üblicherweise liegt die Spitzenleistung zwischen drei und zehn Kilowatt, damit produziert man im Schnitt 3000 bis 10.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Unsere Anlage hat eine Leistung von 5,4 Kilowatt. Theoretisch könnten wir bei voller Sonneneinstrahlung vier Waschmaschinen parallel laufen lassen, ohne dabei Strom aus dem öffentlichen Stromnetz zu beziehen. Mit einem Speicher wären wir übrigens in der Lage, noch mehr des selbst produzierten Stroms direkt auch zu verbrauchen. Unser Handwerker sagte aber, dass die Speicher derzeit noch zu teuer seien und solch eine Investition eher was für Idealisten sei.
Wir wollen aber nicht nur Idealisten sein, sondern mindestens ein bisschen auch Kapitalisten. Die Anlage soll Geld abwerfen, wir wollen den überschüssigen Strom verkaufen. Also haben wir den Kauf eines Speichers auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Wie hoch die Einspeisevergütung ist, das hängt übrigens vom Anschlussdatum ab. Von Monat zu Monat fällt sie. Wir bekommen derzeit noch rund 11,5 Cent pro Kilowattstunde, über einen Zeitraum von 20 Jahren. Am Ende, so die Musterrechnung, könnten wir bei einem deutlich fünfstelligen Ertrag landen. Allerdings gibt es mehrere Unsicherheiten bei dieser Rechnung: Wie stark steigt der Strompreis? Und wie viel Strom kann man selbst verbrauchen?
Wie lohnt sich die Anlage?
Für die meisten Anlagen ergibt eine Mischnutzung am meisten Sinn. Möglichst viel von dem Photovoltaikstrom sollte man selbst verbrauchen. Die überschüssige Energie speist man in das öffentliche Stromnetz ein und bekommt diese Leistung vergütet. Die Höhe der Einspeisevergütung wird monatlich aktualisiert, so wie sich auch der Strompreis verändert. Kleiner Unterschied: Die Einspeisevergütung sinkt, der Strompreis hingegen steigt. Und diese Kosten bleiben auch mit einer Solaranlage: Wenn wir in unserem Haus Strom verbrauchen, die Sonne aber nicht scheint, beziehen wir unseren Strom weiter aus dem öffentlichen Netz und zahlen dafür rund 25 Cent. Es ist also wesentlich günstiger, den selbst produzierten Strom zu verbrauchen.
Wie fällt die Bilanz im Alltagsbetrieb aus?
Die Prognose unseres Handwerkers geht davon aus, dass wir 5079 Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren. Das ist ungefähr so viel, wie wir auch tatsächlich verbrauchen. Weil aber die Sonne oft nicht scheint, wenn wir zu Hause
Strom verbrauchen, müssen wir natürlich Strom hinzukaufen. Unsere Musterrechnung ging davon aus, dass wir 35 Prozent des produzierten Stroms selbst verbrauchen. Das ist, wie die ersten Monate zeigen, eine optimistische Kalkulation. Wir kommen derzeit auf nur 30 Prozent Nutzungsgrad. Nach rund drei Monaten hatten wir aber schon 2400 Kilowattstunden an Strom produziert. Rechnet man das auf ein Jahr hoch, dann wären es 7200 Kilowattstunden Strom.
Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass unsere Anlage im März installiert wurde – wir hatten also drei Monate, in denen die Sonne mehr schien als im Winter. Es kann also sein, dass wir unter der kalkulierten Stromproduktion von 5079 Kilowattstunden für das Jahr 2019 liegen. Der Mai und April jedenfalls waren zu oft regnerisch oder bewölkt. Der Juni war sonnenintensiv. Wir kommen wiederum auf einen Eigenstromverbrauch von derzeit 150 Kilowattstunden monatlich. Nach Kontaktaufnahme mit unserem Netzanbieter erhalten wir monatlich einen Abschlag von 42 Euro für die Einspeisung des Stroms überwiesen. Am Ende des Jahres entscheidet sich, ob wir mehr oder weniger Strom produziert haben. Dann müssen wir entweder zurückzahlen oder erhalten eine Nachzahlung.
Wir haben kalkuliert, dass wir 406 Euro für den eingespeisten Solarstrom erhalten und 480 Euro durch nicht benötigten Netzstrom einsparen. Würde diese Rechnung Jahr für Jahr zutreffen, so hätte sich die Anlage nach 11,7 Jahren refinanziert. Danach läuft die Förderung der Anlage noch 8,3 Jahre. In dieser Zeit würden wir Geld verdienen. Es gibt sicherlich lukrativere Anlageformen. Die Alternative aber wäre, auf Jahre hinaus immer teurer werdenden Strom aus dem öffentlichen Stromnetz zu beziehen.
Wie schafft man es, die Anlage sinnvoll wirtschaftlich zu nutzen?
Eines versuchen wir in der Familie zu beherzigen: Stromfresser nur dann nutzen, wenn tatsächlich auch die Sonne scheint. Das ist, ehrlich gesagt, nur in begrenztem Umfang möglich. Nur so allerdings wird man zum Klimaschoner und spart dabei. Zuerst haben wir alle Geräte im Haus identifiziert, die viel Strom benötigen. Nach Möglichkeit laufen also die Waschmaschine und die Spülmaschine nur dann, wenn die Sonne scheint. Sie haben Zeitschaltuhren. Wenn wir alle gegen acht Uhr zur Schule und zur Arbeit aus dem Haus gehen, programmieren wir sie so, dass sie erst einige Stunden später anspringen. Am Nachmittag nämlich ist die Sonneneinstrahlung bei uns am intensivsten. Natürlich sollten Waschmaschine und Spülmaschine aber auch nicht parallel laufen. Denn das würde zu viel Strom verbrauchen, so dass man doch wieder hinzukaufen muss. Manches lässt sich aber auch nicht programmieren. Warmwasser läuft über Strom, beim Duschen rattert der Stromzähler. Selbst bei intensivster Sonneneinstrahlung reicht die Stromproduktion nicht, um hier ohne öffentliches Stromnetz auszukommen.
Was leisten die Apps zur Anlage?
Mehr als nur eine Spielerei sind die Apps, die einem die Stromleistung der Anlage zeigen. Unser Anbieter liefert jeden Tag per E-Mail einen Statusbericht, man kann die Leistung der Anlage aber auch in Echtzeit ansehen. Diese Kurve ist vor allem anfangs hilfreich, da man erkennen kann, wann man möglichst die Elektrogeräte laufen lassen sollte. Unser digitaler Zähler wiederum lässt uns fortlaufend erkennen, ob wir gerade Strom hinzukaufen oder verkaufen. Man kann damit auch abschätzen, wie hoch der Stromverbrauch bestimmter Geräte ist.
Was ist mit dem Papierkram?
Der wirkliche Fluch bei einer Solaranlage ist der Verwaltungsaufwand. Man muss sich stark in das Thema einlesen, wenn man wirklich begreifen will, was da auf dem Dach vor sich geht. Noch viel komplizierter aber ist der wirtschaftliche Aspekt: Als Solarstromproduzent erwirtschaftet man Erträge, für die man, wenn man nicht den kompletten Strom einfach selbst verbrauchen will, Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss. Vom Netzbetreiber erhält man die Vergütung für den eingespeisten Strom brutto und mit gesonderter Ausweisung der Umsatzsteuer. Wir sind in den ersten zwei Jahren verpflichtet, Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Die Alternative dazu wäre gewesen, in die sogenannte Kleinunternehmerregelung zu fallen. Dann muss man zwar keine Umsatzsteuer zahlen. Aber man kann sich auch nicht die Umsatzsteuer für den Kauf der Solaranlage zurückerstatten lassen. Wir entschieden uns also für ein wenig Mehrarbeit – und für etwas mehr Geld. Wir zahlen also Umsatzsteuer auf unser Stromproduktion. Und zwar nicht nur für den an den Netzbetreiber verkauften Strom, sondern auch für den selbst verbrauchten. Das ist richtig ärgerlich.
Es gibt noch mehr Formalärgernisse: Wer sich eine Solaranlage auf das Dach setzt, muss sich bei diversen Behörden melden. Die Bundesnetzagentur verlangt eine Registrierung, das kommunale Ordnungsamt will informiert sein, beim Finanzamt muss man einen langen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ausfüllen und erhält danach eine Steuernummer. Auf Basis dieser Steuernummer muss man monatlich den Umsatzsteueranteil des produzierten Stroms plus den Umsatzsteueranteil der Ersparnis, die man durch Verbrauch des selbsterzeugten Stroms hat, überweisen.
In unserem Fall erhielten wir vom Finanzamt die „Genehmigung zur Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten“. Geschätzt rund zehn Euro monatlich werden wir nun dem Finanzamt an Umsatzsteuer überweisen. Der Vorteil dieser Regelung ist, dass man sich damit auch die Umsatzsteuer für den Kauf der Solaranlage zurückholen kann. Das sind in unserem Fall rund 1600 Euro. Nach zwei Jahren als Solarstromunternehmer muss man nicht mehr monatlich die Umsatzsteuer zahlen, sondern jährlich, wenn man unter der Grenze von 1000 Euro liegt. Nach fünf Jahren kann man auf die Überweisung der Umsatzsteuer ganz verzichten. Dann kann man wieder in die Kleinunternehmerregelung zurückfallen. So wird der Aufwand, diese Steuer bezahlt zu haben, am Ende doch belohnt.
Zu beachten ist auch, dass man den Einbau der Photovoltaikanlage unbedingt seiner Wohngebäudeversicherung melden sollte. Einige versichern die Anlage kostenlos mit, andere werden allerdings die Prämie erhöhen. Eine eigene Photovoltaikversicherung kostet in unserem Fall etwa 90 Euro pro Jahr.
Und wie ökologisch ist das Ganze?
2539 Kilogramm CO2 wird unsere Anlage jährlich nach der vorliegenden Kalkulation eingespart haben. Wenn wir irgendwann ein Elektroauto kaufen, könnten wir den selbst produzierten Strom noch weiter nutzen, und würden dann noch mehr CO2 einsparen. Auch ein Speicher im Haus würde helfen, die Bilanz noch weiter zu verbessern. Damit könnten wir unseren Autarkiegrad auf bis zu 70 Prozent steigern. Aber schon jetzt setzt ein Effekt ein: Wir gehen bewusster mit Strom um, denken darüber nach, unter welchen Bedingungen er produziert wird. Eine Solaranlage zu betreiben, macht Arbeit. Es weckt aber auch Verständnis für das kostbare Gut Strom.