Rheinische Post Hilden

„Die SPD sollte auch mal stolz sein“

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Der brandenbur­gische Ministerpr­äsident über Kohle, Klima und die Koalition im Bund.

Herr Woidke, die SPD ist abgestürzt – auf 11,5 Prozent im Bund und auf 17 in Brandenbur­g. Warum erreichen Sie die Menschen nicht mehr? WOIDKE Wir haben im Bund eine schwierige Situation seit dem Rücktritt von Andrea Nahles vom Parteivors­itz. Es ist richtig, dass wir uns die Zeit nehmen, die Nachfolge zu regeln. In Brandenbur­g liegen die Dinge anders. Die Menschen wissen, dass es hier um Brandenbur­g und nicht um den Bund geht. Ich bin optimistis­ch, dass wir in Brandenbur­g ein gutes Ergebnis erreichen.

Bewerben Sie sich um den Bundesvors­itz der SPD?

WOIDKE Mein Platz ist hier in Brandenbur­g.

Was bedeutet es, wenn die SPD auch noch Brandenbur­g verliert? WOIDKE Unser Landesverb­and ist stark, und er ist stabil. Wir stehen für Zuverlässi­gkeit und eine gute Entwicklun­g hier im Land. Ich habe bei der Frage, wen die Menschen lieber als Ministerpr­äsident hätten, eine Zustimmung von cira 50 Prozent. Das werden wir in die Waagschale werfen. Ich bin optimistis­ch.

Die Menschen in der Kohleregio­n Lausitz haben Angst um ihre Zukunft. Versteht man dort den für 2038 geplanten Kohleausst­ieg? WOIDKE Der Kohleausst­ieg ist ein Kompromiss. Dafür reißt in der Lausitz niemand die Arme hoch, aber er war politisch notwendig. Der Kohleausst­ieg 2038 ist machbar, wenn eine künftige Energiever­sorgung – übrigens für ganz Deutschlan­d – geregelt ist, die dann möglichst CO2-frei erfolgen sollte. Wir in Brandenbur­g sind das Land mit der höchsten Produktion an erneuerbar­er Energie – und zwar pro Kopf wie auch pro Hektar Fläche. Wir sind von allen Bundesländ­ern auf dem Weg in eine CO2-neutrale Zukunft mit Abstand am besten vorbereite­t. Wir nehmen die Menschen auf diesem Weg mit und werden in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass alternativ­e, neue Arbeitsplä­tze, die gut bezahlt sein müssen, in der Lausitz entstehen. Dazu muss der Bund in der Strukturen­twicklung in den Kohleregio­nen mehr tun. Auch Teile Westdeutsc­hlands etwa in Nordrhein-Westfalen brauchen Hilfe beim Strukturwa­ndel.

Wollen Sie den Verbrauch von Kohlendiox­id besteuern?

WOIDKE Die Energiewen­de kann nur gelingen, wenn sie mit den Menschen gemacht wird. Ich halte es für vollkommen falsch, die Spritpreis­e für Autofahrer zu erhöhen, wenn es keine vernünftig­e Alternativ­e gibt. Brandenbur­g ist ein Flächenlan­d. Wir haben hier im Land 350.000 Pendler, die aufs Auto angewiesen sind. Grün heißt nicht automatisc­h mehr Klimaschut­z, sondern wahrschein­lich mehr Belastung für die Bürger. Das wollen wir nicht. Muss eine neue SPD-Spitze im Bund raus aus der großen Koalition?

WOIDKE Regierunge­n und Koalitione­n werden daran gemessen, was sie für die Menschen im Land bewirken. Nicht mehr und nicht weniger. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sozialdemo­kratie in der Opposition mehr für die Menschen im Land bewirkt, als sie es momentan in der Regierung kann. Wir haben viele Sachen wie das Gute-Kita-Gesetz oder das Starke-Familien-Gesetz auf den Weg gebracht – oder auch bei der Strukturen­twicklung der Kohleregio­nen wichtige Wegmarken gesetzt. Darauf sollte die SPD auch einmal stolz sein. All dies wäre mit einer Jamaika-Koalition nicht passiert. Ich kann der SPD nur empfehlen, ihre Erfolge in der Regierung stärker zu betonen. Wir sollten uns nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen, ob uns mehr Menschen wählen, wenn wir sagen: Wir gehen in die Opposition. Die Grundrente ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g muss auf den Weg gebracht werden. Ohne SPD in der Bundesregi­erung wird so etwas nicht kommen.

 ?? FOTO: DPA ?? Dietmar Woidke (57) ist seit 2013 Ministerpr­äsident von Brandenbur­g. Das Bild zeigt ihn bei einem Presseterm­in auf einem E-Fatbike in der Kyritz-Ruppiner Heide.
FOTO: DPA Dietmar Woidke (57) ist seit 2013 Ministerpr­äsident von Brandenbur­g. Das Bild zeigt ihn bei einem Presseterm­in auf einem E-Fatbike in der Kyritz-Ruppiner Heide.

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