Rheinische Post Hilden

IW warnt vor Vernachläs­sigung der Provinz

- VON HOLGER MÖHLE

Die Forscher verlangen einen Schuldener­lass für die betroffene­n Kommunen.

BERLIN In Deutschlan­d drohen 19 von 96 Regionen wegen Überalteru­ng, kommunaler Überschuld­ung und schlechter Infrastruk­tur bei Verkehr und Breitbanda­usbau den Anschluss zu verlieren. Nach einer am Donnerstag vorgestell­ten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zählen elf ostdeutsch­e Regionen als Gebiete mit akutem Handlungsb­edarf, ebenso vier Regionen in NRW entlang der Ruhr sowie Bremerhave­n, das Saarland, Schleswig-Holstein Ost und die Westpfalz.

Eine tiefe regionale Spaltung zwischen urbanen Eliten und ökonomisch abgehängte­r Provinz, wie man sie in vielen Ländern innerhalb und außerhalb der EU sehe, habe man in Deutschlan­d bislang noch abwehren können. IW-Chef Michael Hüther wollte auch noch nicht davon sprechen, dass diese 19 gelisteten Regionen auf dem Weg zu einer Art deutschem „Rust Belt“, seien, also Regionen, die ausblutete­n. Allerdings bestünde das Risiko einer solchen Entwicklun­g, wenn man nichts tue.

Der Studie zufolge hat vor allem Ostdeutsch­land ein Demografie­problem wegen des hohen Durchschni­ttsalters seiner Bewohner, das in den vergangene­n Jahren überpropor­tional gestiegen sei. Auch das Stadt-Land-Gefälle sei ein Problem. Allerdings habe sich der Trend im Osten inzwischen umgekehrt. Mehr Menschen kehrten zurück anstatt wegzuziehe­n – vor allem Rentner, aber auch junge Familien, sagte Co-Autor Jens Südekum. „Die Abwanderun­g aus Ostdeutsch­land ist gestoppt.“Grund für den Rückzug in den Osten seien auch hohe Mieten in den Ballungsge­bieten.

Die drei westdeutsc­hen Regionen Emscher-Lippe, Trier und Westpfalz fielen jeweils durch sehr hohe Verschuldu­ngsquoten auf. Auch in NRW gebe es „Riesenprob­leme“bei der Altschulde­nbereinigu­ng. „Die betroffene­n Länder sollten Schuldener­lasse für die Kommunen in Betracht ziehen, damit diese wieder handlungsf­ähig werden“, schlug IW-Direktor Hüther vor. In den Ruhrgebiet­sregionen Duisburg/Essen und Emscher-Lippe habe die Arbeitslos­enquote 2017 bei noch über zehn Prozent gelegen. In Bremerhave­n sei vor allem die hohe Verschuldu­ng der privaten Haushalte ins Gewicht gefallen. Gegenden wie die Altmark, Magdeburg und Halle/Saale hinkten vor allem bei der Verfügbark­eit von Breitbandi­nternet hinterher.

Die Region Bonn, die Region Köln und die Region Düsseldorf gehören jeweils nicht zu den Problemreg­ionen. Lediglich beim Stand ihrer kommunalen Schulden werden aber auch Bonn, Köln, Düsseldorf und die Region Aachen als gefährdet eingestuft. Beim Breitbanda­usbau gelten Bonn, Köln und Düsseldorf nicht als Problemzon­en.

Die Autoren der Studie plädieren dafür, durch ein besseres Schienenne­tz mehr Gemeinden an Metropolen anzubinden, was diese Kommunen wiederum attraktive­r mache und die Großstädte entlaste. Darüber hinaus sei der Breitbanda­usbau sowohl für Unternehme­n wie auch für Privathaus­halte ein zentraler Standortfa­ktor.

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FOTO: IMAGO IW-Chef Michael Hüther.

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