Rheinische Post Hilden

Was Unternehme­n gegen Cyberkrimi­nalität tun können

Zehntausen­de Unternehme­n, Vereine und Privatpers­onen werden jedes Jahr in NRW Opfer von Cyberkrimi­nalität. Düsseldorf als wichtiger Wirtschaft­sstandort ist besonders betroffen.

- VON HELENE PAWLITZKI

Cybersiche­rheit wird für Düsseldorf­er Unternehme­n und Vereine immer wichtiger – und komplexer. „Das Thema sollte ganz weit oben auf der Agenda stehen“, sagt Marion Hörsken, Geschäftsf­ührerin der Industrie- und Handelskam­mer. „Wir empfehlen, es zur Chefsache zu machen.“

Bei Stefan Zöllner rennt sie damit offene Türen ein. Der 50-Jährige arbeitet bei der Polizei als Experte für Cyberkrimi­nalität und berät Organisati­onen, wie sie ihre IT sicherer machen und sich gegen Angriffe von Hackern schützen können. „Viele sind noch sehr unbedarft“, sagt der Sachbearbe­iter. „Ich kann das aber auch ein Stück weit verstehen. Es ist nicht das Metier des Arztes oder Werbers, sich mit IT-Sicherheit auseinande­rzusetzen.“

Jedes Unternehme­n – angefangen beim Selbststän­digen als IchAG – kann betroffen sein, betont Zöllner. Er erzählt von PCs in Arztpraxen, deren Webcams von außen aktiviert werden konnten – was Hackern den Blick ins Wartezimme­r ermöglicht­e. Ein anderes Beispiel: Ein deutscher Mittelstän­dler bekommt von einem Geschäftsp­artner in China plötzlich Mails von einer anderen Adresse. Die alte sei wegen Serverprob­lemen aktiviert. Der Chinese stellt einen Top-Deal in Aussicht. Er brauche dafür schnell eine Überweisun­g von 14.000 Euro. „Natürlich steckte hinter dem E-Mail-Schreiber jemand ganz anderes, der die Identität des chinesisch­en Geschäftsp­artners gestohlen hatte.“

Viele Varianten der Cyberkrimi­nalität sind möglich: Hacker können in Computer eindringen und sensible Daten stehlen. Mit Spyware beobachten sie alles, was auf dem Computer passiert. Mail-Accounts werden gehackt und die Adressen missbrauch­t. Computer werden gesperrt, die Daten sind dann nur gegen Lösegeldza­hlung zugänglich. Unter Cyberkrimi­nalität fallen aber auch Betrugsdel­ikte, die übers Netz angebahnt werden – wie etwa im Fall des falschen chinesisch­en Geschäftsp­artners.

Wie viele Unternehme­n, Institutio­nen und Vereine in Düsseldorf betroffen sind, wird nicht statistisc­h ermittelt. Das Landeskrim­inalamt sammelt aber NRW-weite Zahlen. Demnach wurden 2018 mehr als 55.700 „Straftaten mit dem Tatmittel Internet“verübt – knapp 35.000 davon konnten aufgeklärt werden. Das sind 35,5 Prozent. Insgesamt sind die Fallzahlen seit 2017 um 14 Prozent zurückgega­ngen. Allerdings schwankten die Zahlen in den vergangene­n Jahren relativ stark, sodass man nicht von einem Trend sprechen kann. Besonders stark zugenommen hat Computerbe­trug mit geklauter PIN oder anderen digitalen Zahlungsmi­tteln. Beim LKA heißt es, viele Straftäter hätten inzwischen erkannt, dass Cyberkrimi­nalität lukrativer sei als andere Formen des organisier­ten Verbrechen­s – und dabei deutlich weniger gefährlich.

Betroffen sind neben Unternehme­n auch Vereine. Unter Umständen sind sie sogar besonders gefährdet, weil sich dort Ehrenamtli­che in ihrer Freizeit mit dem Thema befassen müssen. Ein Angriffszi­el sind sie aber trotzdem, da sie in vielen Fällen einerseits große Geldsummen verwalten und anderersei­ts die Daten ihrer Mitglieder. Auch sie können sich von der Düsseldorf­er Polizei beraten lassen.

Das sind die wichtigste­n Tipps von Cybersiche­rheits-Experte Stefan Zöllner:

Sensibel werden

Der erste Schritt zur Cybersiche­rheit ist es, sich mit dem Thema zu befassen. Alle Mitarbeite­r sollten regelmäßig über das Thema informiert werden, um es stets im Hinterkopf zu haben. Wichtig: Wenn Laptops beispielsw­eise im Homeoffice eingesetzt und dann mit dem Firmennetz­werk verbunden werden, sind auch sie ein Einfallsto­r. „Neugier und Ahnungslos­igkeit sind die größten Probleme bei der Cybersiche­rheit“, sagt Experte Stefan Zöllner. Manche Firmen machten den Test, erzählt er: „Sie werfen eine Handvoll billige USB-Sticks auf den Parkplatz und schauen dann, wie viele später an einem Firmenrech­ner angeschlos­sen werden.“

Skeptisch bleiben

Viele Cyberangri­ffe lassen sich relativ schnell entdecken: Kommen Mails von einer merkwürdig­en Adresse? Schicken Unbekannte fragwürdig­e Dateien als Anhang? Vor dem Klicken unbedingt nachdenken – und im Zweifel auf einem alternativ­en Kontaktweg (etwa telefonisc­h) nachfragen. Es gibt aber auch versteckte Fallen: Zöllner schildert einen Fall, bei dem Personalab­teilungen Initiativb­ewerbungen per Mail bekamen. Die Lebensläuf­e hatten auf den ersten Blick die unverdächt­ige Dateiendun­g .pdf. Das Kürzel war aber Teil des Dateinamen­s – Windows hatte die echte Dateiart (.exe) verborgen. „Das lässt sich mit einem Klick ausschalte­n – man muss aber wissen, wie es geht.“

Passwörter sichern

Wer sich nicht mit Passwort-Tresor-Software auseinande­rsetzen möchte, dem rät Stefan Zöllner: „Passwörter einfach auf ein Blatt Papier schreiben – und zwar mit Bleistift.“Denn Passwörter sollten regelmäßig geändert werden. Der Notizzette­l sollte dann an einem sicheren Ort verwahrt werden.

Nicht auf Druck reagieren

In der Regel versuchen Betrüger, ihre Opfer durch große Dringlichk­eit oder Lockangebo­te zu ködern. Auch hier sollte man skeptisch bleiben: Muss das Geld wirklich sofort überwiesen werden, muss die Datei sofort geöffnet werden?

Sicherheit zur Chefsache machen

Gerade Führungspe­rsonen sollten über alle Schritte des Sicherheit­sprotokoll­s informiert sein und auf die Einhaltung pochen. Es hilft nicht, wenn nur ein „Beauftragt­er“

sich mit dem Thema befasst.

Praktische Fragen klären

Wenn ein Cyberangri­ff entdeckt wird, sollte es ein Sicherheit­sprotokoll geben. Wer muss informiert werden? Wie sind die Entscheidu­ngsträger im Notfall zu erreichen? Welche Rechner müssen vom Server? Und wie geht das überhaupt? „Wenn es ganz dick kommt, muss klar sein: Alles wird abgeschalt­et“, rät Stefan Zöllner.

In Datensiche­rheit investiere­n

Jede Firma und jeder Verein sollte Daten regelmäßig sichern. Zöller empfiehlt beispielsw­eise, fünf externe Festplatte­n in entspreche­nder Größe anzuschaff­en. Jeden Freitag werden alle Daten gesichert. Am Monatsende gibt es eine Monats-Sicherung. Dann können die Freitags-Festplatte­n wieder überschrie­ben werden. „Für ein kleines Unternehme­n kostet das vielleicht 700 Euro“, sagt Zöllner. „Aber wie teuer ist ein Komplettau­sfall?“

Nie ohne Antivirus-Software

„Ein guter Virenscann­er ist in der Regel nicht kostenlos“, sagt Stefan Zöllner. Es reiche aber, mal eine Computerze­itschrift in die Hand zu nehmen, um den oder die Marktführe­r zu ermitteln. Ein Plus an Sicherheit gibt es dann, wenn auf verschiede­nen Rechnern auch verschiede­ne gute Scanner installier­t werden. „Was der eine nicht aufspürt, findet dann der andere.“

Die Polizei informiere­n

„Man holt sich die Polizei nicht so gern ins Haus“, hat Zöllner beobachtet. „Lieber versuchen Unternehme­n, das Problem inhouse zu lösen.“Dann allerdings hat die Polizei keine Chance, die Aktivitäte­n der Kriminelle­n zu beobachten, Muster zu erkennen – und kann natürlich auch nicht zur Aufklärung beitragen.

 ?? RP-FOTO: MIVI ?? Stefan Zöllner, Regierungs­angestellt­er im Prävention­skommissar­iat, ist Cybercrime-Berater bei der Düsseldorf­er Polizei.
RP-FOTO: MIVI Stefan Zöllner, Regierungs­angestellt­er im Prävention­skommissar­iat, ist Cybercrime-Berater bei der Düsseldorf­er Polizei.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany