Azubis bauen an ihren Perspektiven
Eine Lehre in der Baubranche ist körperlich anstrengend – wird aber sehr gut bezahlt und bietet gute Job-Aussichten.
Die ersten Tage auf dem Bau waren hart. „Ich hatte geglaubt, ein bisschen Rückenstärken reicht“, sagt Philipp Heymer (18): „Aber als mir am ersten Tag jemand einen großen Stemmhammer in die Hand gedrückt hat, nur zum Tragen, habe ich gedacht: Wie will ich jemals damit arbeiten?“Niclas Schön (21) hatte vorher in einer Abrissfirma gearbeitet, wurde nicht so schlimm überrascht: „Aber wenn man abends nach der Arbeit nach Hause kommt, legt man sich schon erstmal hin.“Die jungen Männer machen beide im dritten Jahr eine Ausbildung zum Stahlbetonbauer, bei Niclas Schön ist sie zudem Teil eines Dualen Studiums: Er studiert parallel Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule Köln.
„Wer die Ausbildung macht“, der hat nach dem Abschluss auch eine Zusage“, sagt Axel Wahl, Geschäftsführender Gesellschafter beim Düsseldorfer Bauunternehmen GWI und Vorstand beim Bauindustrieverband NRW: „Der Bedarf ist riesig.“Der Bauboom ist ungebrochen, zu tun gibt es reichlich, und der Fachkräftemangel schlägt auch hier durch – erst recht in Zeiten, in denen Jobs am Schreibtisch mehr Prestige zu versprechen scheinen. Viele, heißt es in der Branche, wollten sich auch nicht mehr gerne die Hände schmutzig machen. Dabei gebe es hier gute Aufstiegchancen, mit und ohne Studium, betont Thomas Fiedler, Bereichsleiter bei Wayss & Freytag Ingenieurbau: „Es kommt darauf an, ob jemand Verantwortung übernehmen möchte.“
Heymer und Schön gehören zu denen, die die Branche überzeugen konnte. „Die Schule ist mir zum Schluss etwas zu langatmig geworden, den ganzen Tag nur sitzen und lernen“, sagt Schön. Deshalb entschied er sich nach dem Abitur gegen ein reines Studium und für die Kombination mit der Ausbildung am Bau – angeboten von GWI. Stahlbetonbauer rühren unter anderem Betonmischungen an und stellen daraus Bauteile her – eindeutig ein Ausgleich zu Vorlesungen und Seminaren. „Für mich ist das die optimale Mischung“, sagt der 21-Jährige, der zwei Tage pro Woche in der Ausbildung ist und drei Tage an der Uni, anfangs war es umgekehrt.
Nervig sei das manchmal, wenn die anderen Studierenden Semesterferien oder einfach einen Tag ohne Vorlesungen haben, er selbst aber auf der Baustelle ranmuss. „Dafür verdiene ich in dieser Zeit eben auch Geld und sammele praktische Erfahrungen.“Oft ist er erstaunt, wie theoretisch seine Kommilitonen an manches Thema herangehen: „Das würde in der Praxis nie funktionieren. Das weiß man, wenn man schon in dem Bereich arbeitet.“
Sein Kollege Philipp Heymer macht die Ausbildung bei Wayss & Freytag – und ist eher zufällig dort gelandet. Beim Realschulabschluss fehlten ihm ein paar Pünktchen für die Fachoberschulreife, die Schule schickte ihn zum Azubi-Speeddating der Industrie- und Handelskammer. Da stieß er auf seine heutigen Chefs, die ihm den Job schmackhaft machten: „Sie haben gesagt, dass man das, was man geleistet hat, noch nach Jahren in der Stadt sehen kann“, sagt er: „Das hat mir gut gefallen.“Wie finden es die Freunde, dass er einen Job hat, bei dem man sich schmutzig macht? „Natürlich gibt es mal Scherze darüber oder über die orangefarbene Kleidung“, sagt er: „Aber die ist nun mal wichtig. Und wenn ich mich ärgere, dann erwähne ich einfach, dass ich mehr verdiene.“
Die Ausbildung wird in der Tat sehr gut bezahlt, 850 Euro im Monat gibt es im ersten Lehrjahr, bis zum dritten steigt der Betrag auf 1475 Euro an. Zum Vergleich: Bankkaufleute verdienen im dritten Jahr 1109 Euro, Friseure 721, Köche 920 Euro.
Die Stimmung bei der Arbeit, betonen beide Azubis, sei jedenfalls gut: Der Ton ist auf Baustellen manchmal rauer, nicht immer sagen alle „bitte“und „danke“: „Aber wenn was Schweres am Kran hängt, dann ist das so, das hat nichts mit Unfreundlichkeit zu tun“, sagt Niclas Schön. Philipp Heymer ist ebenfalls begeistert – auch von der Geduld und Hilfsbereitschaft, mit der erfahrene Kollegen seine Fragen beantworten. „Wenn ich mit der Ausbildung fertig bin, würde ich sehr gerne bei W&F bleiben“, sagt er. Thomas Fiedler sagt ihm das an Ort und Stelle zu.