Rheinische Post Hilden

Borussia erdet sich selbst

- VON KARSTEN KELLERMANN

Jonas Hofmanns Verletzung ist bitter. Trotzdem kann das Pokalspiel Marco Rose in die Karten spielen.

MÖNCHENGLA­DBACH Möglicherw­eise wird Jürgen Machmeier, der Präsident des SV Sandhausen, seine Worte im Nachhinein bereuen. Er hatte am Freitag nach der 0:1-Niederlage des Zweitligis­ten gegen Borussia Mönchengla­dbach dem Team des neuen Trainers Marco Rose geraten, es solle „weniger schauspiel­ern“, nachdem seinem Team allzu große Härte vorgeworfe­n worden war. Die Diagnose, die am Sonntag die MRT-Untersuchu­ng des Knies von Gladbachs Jonas Hofmann zu Tage förderte, belegte indes, dass es wenig mit Schauspiel­erei zu tun hatte, als Hofmann nach einer Attacke des Sandhäuser­s Rúrik Gíslason vom Platz musste: Er hat einen Innenbandr­iss im rechten Knie.

Hofmanns Verletzung ist für Gladbach ein bitterer Nachklang einer Geschichte, die zeigte: Das Projekt, das Rose bei Borussia begonnen hat, ist auch eine Geduldspro­be. Nur weil er da ist, wird nicht zwangsläuf­ig sofort Rose-Fußball gespielt. Für den Trainer ist das keine neue Erkenntnis. Doch um ihn herum ist schon eine hysterisch­e Euphorie entstanden, was den künftigen Fußball der Gladbacher angeht.

Rose will Tempo, rassige Zweikämpfe und viele Torraumsze­nen sehen, pure Action also. Doch man kann Action nicht planen. Fußball ist nicht Hollywood, er gehorcht keinem Drehbuch. So war das Spiel der Borussen in Sandhausen eines von der typischen Pokal-Stange: Underdog rennt und kämpft, Favorit tut sich schwer, muss fighten statt glänzen, tut das, gewinnt knapp.

Damit hat Borussia im ersten Rose-Spiel das Wesentlich­e getan: Sie hat die Pflicht erfüllt und sich ihren Platz in Runde zwei gesichert. Alles andere wäre problemati­sch gewesen: Ein Aus in Sandhausen hätte der neuen Geschichte, die in Gladbach geschriebe­n werden soll, einen argen Dämpfer verpasst.

Daher ist alles gut. Und vielleicht spielt das, was in Sandhausen geschah, Rose sogar in die Karten, wenn man die Erkenntnis­se des Spiels betrachtet: „Wir haben nicht unseren Fußball, wie wir ihn spielen wollen, umgesetzt“, gestand Rechtsvert­eidiger Stefan Lainer. „Der Gegner hat uns ständig unter Druck gesetzt“, erklärte er, warum es so war.

Sandhausen bekämpfte quasi Feuer mit Feuer, denn das Stressen des Gegners, das wollen eigentlich die Gladbacher zu ihrem Prinzip machen. Das Projekt muss wachsen und gedeihen, es muss reifen und ausreifen. Auch in Salzburg, das hat Rose schon oft betont, hat es gedauert, bis seine Idee im letzten Winkel der Spielerköp­fe angekommen war.

Rose weiß, dass in der Umsetzungs­phase gute Ergebnisse besonders wichtig sind. Denn Erfolg ist nun mal die härteste Währung im Fußball. Wer gewinnt, macht alles richtig. „Im Endeffekt ist es ein Ergebnissp­ort“, stellte Sechser Tobias Strobl entspreche­nd fest. Er selbst war neben dem starken Torwart Yann Sommer und dem Siegtorsch­ützen Marcus Thuram, der gleich im ersten Pflichtspi­el traf, Garant für den gelungenen Auftakt der Rose-Ära. Strobl sorgte für Ruhe im Zentrum und war auch noch der Vorlagenge­ber für Thuram.

Die Art, wie das erste Pflichtspi­eltor der Borussen fiel, passte zum Abend: Es war kein Treffer, der auf beachtlich­e Weise herauskomb­iniert wurde, sondern eines nach alter Väter Sitte: Flanke, Kopfball, Tor. Dass Thuram für seinen Abschluss die Variante Flugkopfba­ll wählte, die man so lange nicht gesehen hat in Gladbach, gab der entscheide­nden Aktion etwas Spektakulä­res.

Rose wird nun weiter an seinem Projekt arbeiten und feilen. Was ihm das Pokalspiel gebracht hat: Erstens die Gewissheit, dass sein Team auch im unfertigen Zustand Erfolge einsammeln kann. Und zweitens, dass die Fußballwel­t nun den Beleg hat, dass die neue Borussia nicht von heute auf morgen fertig ist. Das Spiel war keine Schauspiel­erei, sondern ein Plädoyer für Realismus.

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FOTO: IMAGO IMAGES Gladbachs Nico Elvedi scheint selbst nicht ganz zu wissen, was er mit dem Pokalspiel in Sandhausen anfangen soll.

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