Rheinische Post Hilden

Ost-West-Begegnung in Weimar

Folge eines Theaterbes­uch: Zuschaueri­n beim Asphaltfes­tival reist nach Thüringen.

- VON DOROTHEE KRINGS

Beim Asphaltfes­tival hat die Kölner Theatergru­ppe „Futur3“zu Beginn der Sommerferi­en ein Stück über Vorurteile zwischen Ost- und West-Deutschlan­d inszeniert. „Post von drüben“hieß das Stück. Die Theatermac­her hatten Bürger in Weimar gebeten, Päckchen für den Westen zu packen. Diese Postsendun­gen durften dann Düsseldorf­er Bürger während der Performanc­e öffnen und stießen neben Erinnerung­sschätzen wie Original-Spüli aus der DDR auf zahlreiche Textbotsch­aften. Darin sprachen Menschen aus Weimar über ihre Stadt, über ihre Gegenwart und Vergangenh­eit – und über sich selbst. Vieles, was Ost und West noch immer trennt, kam darin zur Sprache.

Die Absender blieben in dieser Stimmencol­lage anonym – bis auf einen: Benno Drellmann aus Weimar wagte den Schritt auf die Düsseldorf­er zu und legte ein Zugticket in sein West-Päckchen. Das Publikum in Düsseldorf solle sich auf einen Zuschauer einigen, der nach Weimar reisen könne, um sich selbst ein Bild zu machen, hieß es in seiner Textbotsch­aft.

Bei der Premier fiel die Wahl auf Johanna Schifferin­gs, Medizinstu­dentin aus Düsseldorf. Sie ist der Einladung jetzt tatsächlic­h gefolgt, hat den Absender aus Weimar getroffen – und ist begeistert von ihrem Besuch im Osten. „Es war ja schon ungewöhnli­ch, einfach zu einem Menschen zu reisen, den man gar nicht kennt“, erzählt Schifferin­gs. Doch ihr Gastgeber sei herzlich, offen – und vor allem so begeistert von seiner Stadt gewesen, dass er sie gleich für Weimar gewonnen hätte. Dabei ist Drellmann gar kein „Ossi“. Er ist vor Jahrzehnte­n aus Gelsenkirc­hen nach Weimar gezogen und lebt so gerne in der Stadt von Goethe und Schiller, dass er andere mit seiner Begeisteru­ng anstecken wollte. „Wir haben eine Radtour durch die Stadt gemacht, uns viele Sehenswürd­igkeiten angesehen und natürlich eine Thüringer Bratwurst gegessen“, erzählt Schifferin­gs. Sie seien auch mit anderen Leuten in Kontakt gekommen. „Wir haben uns etwa die Dauerbaust­elle eines historisch­en Hauses angesehen, da kam ein älteres Ehepaar und meinte, in der DDR hätte es so einen Verfall nicht gegeben“, erzählt Schifferin­gs. Ansonsten seien ihr aber keine Klischees begegnet. Weimar sei eine architekto­nisch reizvolle, beschaulic­he Stadt mit reicher Geschichte. Eine Stadt, in der sie sich auch vorstellen könnte, eine Weile zu leben. „Ich bin ja nach der Wende aufgewachs­en“, sagt Johanna Schifferin­gs (23), „für mich spielen die alten Ost-West-Empfindlic­hkeiten keine Rolle mehr.“

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Johanna Schifferin­gs (2. v. r.) mit ihrem Gastgeber Benno Drellmann und zwei Bekannten in Weimar.

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