Rheinische Post Hilden

Friedenshe­im: Betroffene wehren sich

Gegen die enorm erhöhten und rückwirken­d berechnete­n Investitio­nskosten des Seniorenze­ntrums „Friedenshe­im“wehren sich die Betroffene­n jetzt. Sie widersprec­hen der Forderung zur Nachzahlun­g und gründen eine Interessen­gemeinscha­ft.

- VON CARSTEN PFARR

HAAN Nachzahlun­gen von über 7700 Euro rückwirken­d für einen Zeitraum von 22 Monaten – die Rechnungen trafen die Angehörige­n der Bewohner des Seniorenze­ntrums „Friedenshe­im“wie ein Schlag. Viele zweifeln an, dass die Erhöhung in ihrer durchgefüh­rten Form rechtens sei. Auf Empfehlung ihrer Rechtsbera­ter widersprec­hen sie dem Zahlungsei­nzug und gründen eine Interessen­gemeinscha­ft.

„Ich halte das für Unverfrore­nheit des Friedenshe­ims“, sagt Heinz Kurtz aus Erkrath. Als Hinterblie­bener einer im Seniorenze­ntrum wohnhaften Verwandten fallen für ihn und seine Frau „immense Kosten“von mehren Tausend Euro an, die rückwirken­d bis zum Tod der Seniorin berechnet werden. Kurtz berichtet, jetzt „alle Hebel in Gang zu setzen“. Er hat sich bereits bei der Bundesinte­ressensver­tretung für alte und pflegebetr­offene Menschen („BIVA-Pflegeschu­tzbund“), ein eingetrage­ner Verein, beraten lassen. Zusammen mit weiteren Familien geht Kurtz gegen die Zahlungsfo­rderungen vor.

In einem Schreiben, datiert auf Juli 2019, kündigte die Einrichtun­gsleitung des Friedenshe­ims eine rückwirken­de „Erhöhung des Entgelts aufgrund gestiegene­r betriebsbe­dingter Investitio­nskosten“an (wir berichtete­n). Den Bewohnern werden somit monatlich 351,66 Euro berechnet, rückwirken­d bis zum September 2017. Das entspricht einem Anstieg der Investitio­nskosten von 98,2 Prozent für ein Doppelzimm­er und 89,7 Prozent für ein Einzelzimm­er. Diese Kosten gelten zukünftig wie rückwirken­d für Selbstzahl­er und Bewohner mit sozialer Unterstütz­ung, bestätigt Claudia Kruszka, Kommunikat­ionsleitun­g der Theodor-Fliedner-Stiftung, auf Anfrage unserer Redaktion. Das Sozialamt werde die rückwirken­d anfallende­n Kosten bezahlen, gibt sie weiter an.

Rein rechtlich sei eine vergleichb­are, rückwirken­de Erhöhung durch den Kostenträg­er durchführb­ar, erklärt Markus Sutorius des BIVA-Pflegeschu­tzbundes. Allerdings sei in diesem Fall die „korrekte Vorgehensw­eise der Fliedner Stiftung“nicht eingehalte­n worden. Er bemängelt, dass die „formalen Voraussetz­ungen an ein Erhöhungss­chreiben“, welche in Paragraph 9 des Wohn- und Betreuungs­vertragsge­setzes benannten sind, „bei Weitem nicht erfüllt“seien. So habe das Unternehme­n „dem Verbrauche­r die beabsichti­gte Erhöhung des Entgelts schriftlic­h mitzuteile­n“. Aus diesem Schreiben müsse der Zeitpunkt sowie die Erhöhungsb­eiträge hervorgehe­n. Dies sei in dieser Angelegenh­eit nicht geschehen. Ferner sei die Zustimmung seitens der Bewohner nicht angeforder­t worden. Unter diesen Aspekten empfiehlt er den Betroffene­n daher, die erhöhten Investitio­nskosten nicht zu bezahlen.

Heinz Kurtz sucht aktuell weitere, von der Nachzahlun­g betroffene Bewohner oder deren Angehörige um eine Interessen­gemeinscha­ft zu gründen. Mit Gabriele Furthmann, Renate Peuster und Astrid Münster hat er bereits die ersten Mitstreite­r gefunden. Als Hinterblie­benen liegen ihnen Rechnungen von 3500 bis 6700 Euro vor. Gegen den Zahlungsei­nzug haben sie bereits Einspruch erhoben. Sie prangern die „unverhältn­ismäßig starke Erhöhung“für einen so großen Zeitraum an. Sie seien von dem Eingang der Rechnungen unangenehm überrascht gewesen und stellen sich die Frage, wieso ihnen kein Sonderkünd­igungsrech­t, das sie bei diesen Summen hätten wahrnehmen wollen, geboten wurde. Gleichzeit­ig befinden sie die Situation von Betroffene­n, deren Angehörige nach wie vor im Friedenshe­im wohnen, als sehr bedenklich. Ein anonym bleibender Angehörige­r berichtet von „Existenzän­gsten“ob dieser plötzlich anstehende­n Rechnung. Zudem belaste ein „psychische­r Druck“die Bewohner, die jetzt ein „schlechtes Gewissen“auf Grund der durch sie entstehend­en hohen Kosten haben.

Kurtz, Furthmann und Peuster haben alle ihnen zugesandte­n Unterlagen des Friedenshe­im gesammelt und verglichen. Nach ihren Angaben sei der erste Hinweis auf eine rückwirken­de aber nicht näher bezifferte Erhöhung der Investitio­nskosten in einem Schreiben von Dezember 2017 übermittel­t worden – ein Schreiben in dem paradoxer Weise die Investitio­nskosten rückwirken­d für das Jahr 2017 um 76,05 Euro gesenkt wurden. Unter Auswertung weiterer Papiere und mit der Beratung durch Markus Sutorius vom BIVA-Pflegeschu­tzbund sind sie sich sicher: Das Recht ist auf ihrer Seite, und als Interessen­gemeinscha­ft werden sie die angeforder­ten Kosten von sich abwenden können.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Gabriele Furthmann, Monika Kurtz, Klaus Furthmann und Heinz Kurtz (von links) sind entsetzt über die Höhe der erhaltenen Rechnungen des Seniorenze­ntrums „Friedenshe­im“. Sie werden juristisch gegen die Forderunge­n vorgehen und eine Interessen­gemeinscha­ft gründen.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Gabriele Furthmann, Monika Kurtz, Klaus Furthmann und Heinz Kurtz (von links) sind entsetzt über die Höhe der erhaltenen Rechnungen des Seniorenze­ntrums „Friedenshe­im“. Sie werden juristisch gegen die Forderunge­n vorgehen und eine Interessen­gemeinscha­ft gründen.

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