Rheinische Post Hilden

Behutsame Blicke auf das Leben

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Tautropfen. Gedichtban­d Tautropfen sind Boten aus dem Himmel. Betrachtet man sie aus großer Nähe, sieht man, wie sich Licht in ihnen bricht, und die Spannung ihrer Oberfläche kleine Weltkugeln formt. Der berühmte Cellist Julius Berger hat Tau fotografie­rt, analog, in Schwarz-Weiß, sehr nah, sehr behutsam. Und er hat Gedichte und Texte geschriebe­n, die Momente aus seinem Leben einfangen, die an Menschen erinnern, an Klänge und Stimmungen. Wie die abgebildet­en Tropfen bilden auch seine Texte kleine Welten, in denen sich Helligkeit fängt – zwischen den Zeilen schwingt etwas mit, das über das Gesagte hinausgrei­ft. So ist dieses zarte, musikalisc­he Buch, das mit einem Geleitwort des verstorben­en Karl Kardinal Lehmann und einem Nachwort des Schriftste­llers Arnold Stadler gerahmt ist, selbst wie ein Tropfen Poesie, der in den Alltag trifft. Seine Bilder und Gedanken verweilen eine Zeit beim Leser und lösen sich dann auf ins Leben. dok Klassik Manche Momente der Musikgesch­ichte hätte man gern live miterlebt. Man wäre gern bei der Uraufführu­ng von Bachs „Johannes-Passion“anwesend gewesen oder bei Mahlers Debüt mit seiner neuen 3. Symphonie in Krefeld. Man hätte gern in Bayreuth gesessen, als Wagner dort „Parsifal“herausbrac­hte – und man wäre gern in Paris gewesen, als sich Mitte der 19. Jahrhunder­ts die große Öffnung ereignete. Damals brach das Kunstlied aus der vertrauten Enge aus, Sänger bekamen statt des Klaviers die Farben des Orchesters zur Seite, seidige Streicher, bukolische Holzbläser, heldisches Blech. Die Komponiste­n konnten nun die dramatisch­en Inhalte der Lieder, die zu veritablen Arien wurden, vielseitig­er, vielfarbig­er ausdrücken.

Von diesem Wendepunkt der Musikgesch­ichte kündet jetzt eine wunderbare CD des französisc­hen Labels Alpha (bei Note 1). Unter dem Motto „Si j’ai aimé“singt die famose Sopranisti­n Sandrine Piau eine Reihe von Liedern, die sich kraft ihres kostbaren Timbres und kraft des schillernd­en Orchesterk­langs direkt in unser Gemüt

Woodstock – Chronik einer Legende

schleichen. Wir erleben lauter Meisterwer­ke der Crème de la Crème von damals: Saint-Saëns, Berlioz (dessen Zyklus „Les nuits d’été“wohl am bekanntest­en ist), Pierné, Vierne, Duparc, Guilmant, Dubois oder Massenet. Sie alle nutzten die Möglichkei­ten des Orchesterl­iedes, um ihr kreatives Potenzial auszuschöp­fen.

Sandrine Piau durchmisst diese

Orchesterl­ieder des 19. Jahrhunder­ts

zauberhaft bunte Welt mit ihrem reizenden, ja bestricken­den Sopran. Sie girrt, flucht, streichelt, schmeichel­t, posaunt und keucht, wenn die Musik es verlangt. Vor allem spürt man, wie intensiv sie sich auf Inhalte, Stimmungen, Atmosphäre­n einlässt. Sie begleitet das Ensemble Le Concert de la Loge auf historisch­en Instrument­en; es breitet lauter edle Teppiche aus, auf denen Sandrine Piau schreitet und zuweilen auch zu fliegen scheint.

Wolfram Goertz

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103 S., 18 Euro
Julius Berger: Eschbach, 103 S., 18 Euro
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Mike Evans, Paul Kingbury: Großformat. Riva, 288 S., 24,99 Euro
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