Die Leidenschaften des Nicolas Sarkozy
Frankreichs Ex-Präsident hat mit einem Buch fulminanten Erfolg. Das nährt Spekulationen, ob er in die Politik zurückkehren will.
PARIS Er ist wieder da! Nicolas Sarkozy genießt die Aufmerksamkeit der Menge, er winkt entspannt, schüttelt Hände, stellt sich mit seinen Fans für Selfies in Pose. Mehrere Hundert Menschen haben im südfranzösischen Toulon in der Rue Picot auf den ehemaligen Präsidenten gewartet.
Der bahnt sich seinen Weg in Richtung des altehrwürdigen Buchgeschäftes Charlemagne, wo er an einem Tischchen hemdsärmelig neben einem Stapel Bücher Platz nimmt. Dort wird er in der nächsten Stunde alles signieren, was ihm von seinen Bewunderern vor die Nase gehalten wird: einfache Zettel, Autogrammkarten, sogar T-Shirts – und natürlich sein eigenes Buch. „Passions“(„Leidenschaften“) heißt das Werk, das in diesem Frühjahr erschienen ist und sich zur Überraschung vieler Beobachter verkauft „comme des petits pains“, wie warme Semmeln.
Nun haben die Franzosen zu ihren ehemaligen Präsidenten generell ein sehr verklärtes Verhältnis, auch wenn die zuvor von den Wählern mit Schimpf und Schande aus dem prächtigen Elysée-Palast gejagt worden sind. Selbst der überaus unbeliebte und glücklose Staatschef François Hollande, Sarkozys Nachfolger, ist inzwischen ein oft gefragter und gern gehörter Ratgeber unter den zahlreichen Auguren der französischen Politik. Auch Hollandes Buch mit dem Titel „Leçons du pouvoir“(„Lektionen der Macht“) war ein Bestseller und hat sich in den vergangenen Jahren insgesamt 150.000
Mal verkauft – doch wird das von Sarkozy bei Weitem übertroffen. In den ersten Wochen ging „Passions“weit über 200.000 Mal über den Ladentisch, und die zweite Auflage ist bei der Druckerei schon bestellt. Beobachter rätseln über den Erfolg Sarkozys, der seinem Volk vor allem durch seine Sprunghaftigkeit und durch markige Sprüche in Erinnerung geblieben ist. Der als Hitzkopf verschriene Politiker hat sogar ein Bonmot geprägt, als er damals noch als Innenminister forderte, die unruhigen Vororte von Paris, die Banlieue, mit dem „Kärcher“von den kriminellen Jugendlichen zu säubern. Das brachte Sarkozy neben Kritik seiner Landsleute auch ein Protestschreiben der deutschen Firma Kärcher ein, die die Hochdruckreiniger herstellt.
Selbst die politischen Affären tun dem späten Ruhm Sarkozys keinen Abbruch. Aktuell muss sich der ehemalige Präsident noch wegen Bestechung vor Gericht verantworten. Er soll 2014 versucht haben, einen Staatsanwalt am Obersten Gerichtshof zu bestechen, um Informationen zum Stand eines gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens zu erlangen. In Verbindung gebracht wurde er aber auch mit illegaler Wahlkampffinanzierung, Waffenlieferungen und Schmiergeldzahlungen – Vorwürfe, die Sarkozy allerdings immer vehement bestritten und als Verleumdungen seiner politischen Gegner abgetan hat.
Der Erfolg des Buches nährt nun Spekulationen, ob Sarkozy in die französische Politik zurückkehren könnte. Quell dieses Gedankens ist die fatale Schwäche der konservativen Partei. Bei den Europawahlen wurden Les Républicains mit rund 8,5 Prozent der abgegebenen Stimmen gedemütigt. Während das Führungspersonal über den Weg aus der existenzbedrohenden Krise streitet, verlassen immer mehr Anhänger das sinkende Schiff und wechseln ins gegnerische Lager, zum rechtsradikalen Rassemblement National um Marine Le Pen oder zur liberal-konservativen Präsidentenpartei République en Marche. In dieser Situation wirkt der ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy auf seine Anhänger wie ein Heilsbringer, der immer die konservativen Werte vertreten hat und dem es gelingen könnte, die Partei zu einen und zu alter Größe zu führen.
Jean-Yves Mollier, Professor für Geschichte an der Universität in Versailles, hält es in einem Interview mit dem „Figaro“für möglich, dass Sarkozy die Rückkehr auf die politische Bühne im Auge hat. Im Moment müsse diesem Vollblutpolitiker doch unendlich langweilig sein, glaubt Mollier. Es sei offensichtlich, dass Sarkozy auf der Welle des Erfolges reite und alles tue, um wieder ins Gespräch zu kommen: Er schreibt, schüttelt Hände und fährt kreuz und quer durch Frankreich.
Zudem zeigt er sich der ehemalige immer wieder mit dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron. Beide Politiker hoffen offensichtlich, von solchen Auftritten zu profitieren. Macron will beim konservativen Publikum punkten, und Sarkozy sonnt sich im Glanz des Amtsinhabers, der seinen Rat zu suchen scheint. Sarkozy selbst will von Spekulationen um eine mögliche Rückkehr natürlich nichts wissen. Er sei zufrieden, und es gehe ihm gut, erzählt der Ex-Präsident in jede Kamera. Er zeigt dabei sein breites, unschuldiges Sarkozy-Lächeln.