Rheinische Post Hilden

Kalkindust­rie braucht Planungssi­cherheit

Lhoist in Wülfrath beschäftig­t rund 600 Mitarbeite­r, fördert etwa 30 Organisati­onen und versucht durch Bürgerdial­og und Besuche, Verständni­s für die Arbeit zu wecken. „Wir wollen nicht geduldet, sondern gewollt sein“, sagt Christian Zöller, Leiter Bürgerd

- VON SABINE MAGUIRE

WÜLFRATH In der Vergangenh­eit schien es fast so, als seien sie hinter dem Werkszaun verschwund­en. Man sah sie noch – und hörte dennoch wenig über die Kalkwerke in Wülfrath. Von dem, was man von ihnen hörte, fühlte sich die Nachbarsch­aft zuweilen belästigt. Beziehungs­status: Es war komplizier­t. Zwischenze­itlich war Rheinkalk zu Lhoist Germany geworden, mit Hauptsitz in Belgien. Die Wülfrather begannen zu fremdeln mit ihrem Kalkwerk, von dem sie nicht mehr wussten, wie stark dessen Bande ins Lokale eigentlich noch waren. Mehr als Wasserstan­dsmeldunge­n zu Geschäftsf­ührerwechs­eln waren von dort kaum noch zu hören, und auch bei den Kalkpensio­nären haderten so einige mit dem Wandel der Zeit.

Es ist Bewegung in die Sache gekommen. Und dass sogar so weit, dass sich der Pensionärv­erein „Kalk Wülfrath“in „Rheinkalk-Lhoist“umbenennen möchte. „Wir wollen, dass die Leute wirklich verstehen, was wir hier machen“, sagt Christian Zöller. Der Leiter Politik- und Bürgerdial­og ist ein begnadeter Kommunikat­or. Wo andere sich in Worthülsen verlieren, weiß er: „Vertrauen wird zerstört, wenn man nicht ehrlich ist.“Das neue Credo im Umgang mit dem Bürger: Alles kommt ungeschmin­kt auf den Tisch, auch wenn es unangenehm ist. Das gilt für beide Seiten - und in der Hoffnung, dass sich sich so am ehesten ein Kompromiss finden lässt.

Inmitten von Klimadebat­ten und Bürgerprot­esten ist eine solche Haltung vermutlich der einzig richtige Weg, um sich durch unruhige Zeiten zu navigieren. Mit Hochglanzb­roschüren lässt sich heutzutage längst niemand mehr abspeisen und allerorten wird mehr als nur ein lapidares Statement zur Nachhaltig­keit gefordert. Das weiß auch Werksleite­r Thomas Perterer, der dazu sagt: „Wer die Abläufe verstehen will, muss rein in den Steinbruch!“Das geht nicht nur bei der RP-Sommertour, sondern demnächst auch bei der „Langen Nacht der Industrie“. Bei Lhoist nutzt man mittlerwei­le jede Gelegenhei­t, um die Leute nahe heranzuhol­en ans Geschehen.

„Akzeptanz gelingt nur durch Verstehen“, weiß Christian Zöller, dass man als Unternehme­n in Vorleistun­g gehen muss. Industriel­le Abläufe seien eher unspannend, inmitten von CO2- Debatten stehe man als Kalkwerk schnell am öffentlich­en Pranger: In Zeiten von Facebook & Co. rücken sachliche Argumente zuweilen in weite Ferne. Dass mehr als 600 Mitarbeite­r keineswegs um ihre Arbeitsplä­tze bangen müssen und stattdesse­n immer noch neue Stellen hinzukomme­n? Dass die Wülfrather Kalkwerke mit einer jährlichen Nettolohns­umme von 30 Millionen Euro zur finanziell­en Stabilisie­rung der Region beitragen? Dass fünfstelli­ge Summen in das karitative Engagement von mehr als 30 lokalen Organisati­onen fließen und beinahe alle der 60 Auszubilde­nden übernommen werden? Wird sowas nicht kampagnena­rtig herausposa­unt und an die große PR-Glocke gehängt, weiß es niemand. Allein der von den Kalkwerken vorangetri­ebene Ausbau des Eignerbach-Rundweges ist eine Investitio­n in Millionenh­öhe, die nicht nur passionier­ten Wanderern zugute kommt.

„Um all das auch zukünftig leisten zu können, brauchen wir Planungssi­cherheit“, weiß Werksleite­r Thomas Perterer. Anders als bei anderen Industrien sei man als Kalkwerk standortge­bunden – der Kalk müsse nun mal dort abgebaut werden, wo er vorkommt. Es könne nicht sein, dass man sich als Unternehme­n für Rentabilit­ät und Wirtschaft­lichkeit schämen müsse. Auch deshalb nicht, weil langfristi­g nicht nur die Mitarbeite­r, sondern eine ganze Region davon profitiere­n könne.

Die Klimaschut­zdebatte werde derzeit sehr emotional geführt – wenn allerdings ein Kalkwerk inmitten langwierig­er und unsicherer Genehmigun­gsverfahre­n nicht mehr planen könne, drohe der Verlust von Arbeitsplä­tzen und die Gefährdung von Existenzen. „Geduldet zu sein, reicht uns nicht, wir wollen gewollt sein“, macht Christian Zöller die Haltung von Lhoist deutlich. Dafür scheue man keinen Disput – und vor allem keine Mühen auf einem Weg, den man nur gemeinsam gehen kann.

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RP-FOTO: BLAZY Nach einer Sprengung im Kalksteinb­ruch wird das gelöste Gestein von riesigen Baggern und Radladern auf große Lastwagen geladen und zur Verarbeitu­ng an anderer Stelle des Werks gebracht.
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RP-FOTOS (2): MIKKO SCHÜMMELFE­DER Ein Kalkzug. Im Hintergrun­d erheben sich Produktion­sgebäude in den Abendhimme­l.
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Christian Zöller (l.) bespricht sich mit Werksleite­r Thomas Perterer.

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