Rheinische Post Hilden

Europa bedroht den Weltfriede­n

- VON RAFAEL SELIGMANN

Deutschlan­d und Europa frönen einer Beschwicht­igungspoli­tik. Eingestehe­n mag dies kein aktiver Politiker. Denn damit würde sie oder er zugeben, die aggressiv vorgehende Gegenseite nicht durch effektive Maßnahmen zu kontrollie­ren, sondern mit Appellen beschwicht­igen zu wollen. Daher geben Appeasemen­t-Politiker ihrem Agieren wohlklinge­nde Namen, zumeist bezeichnen sie ihr Tun als „Verständig­ungspoliti­k“, und um ihre Strategie noch einleuchte­nder erscheinen zu lassen, werden Beiworte wie „Vernunft-“oder „Friedenspo­litik“angefügt. Das hat den Zweck, die Gegner ihrer Politik als „unvernünft­ig“und „kriegsgefä­hrdend“erscheinen zu lassen.

Ein historisch­es Beispiel belegt dies. Bereits ein Jahr nach Hitlers Machtübern­ahme in Deutschlan­d zeigte der Putschvers­uch österreich­ischer Nazis 1934, dass Hitler nicht nur in seinem programmat­ischen Buch „Mein Kampf“aggressive außenpolit­ische Ziele verfolgte. Im Jahr darauf besetzte die Wehrmacht das Rheinland. Dies widersprac­h dem unseligen, doch gültigen Versailler Vertrag. 1936 intervenie­rte die Legion Condor neben italienisc­hen Truppen im Spanischen Bürgerkrie­g zugunsten der Aufständis­chen unter General Franco. Zwei Jahre darauf marschiert­e die Wehrmacht in Österreich ein, Berlin annektiert­e das Land. Monate später forderte Hitler den Anschluss des überwiegen­d von Deutschspr­achigen bewohnten Sudetenlan­ds an sein Reich, dies bedeutete faktisch das Ende der Tschechosl­owakei. Großbritan­nien und Frankreich waren Garantiemä­chte Prags. Statt für den Bestand einzutrete­n, appelliert­en London und Paris an Hitlers Vernunft. Der italienisc­he Diktator Benito Mussolini überredete seinen Verbündete­n Hitler zu einem Friedenstr­effen. So kam es im September 1938 zur „Münchner Konferenz“. Dabei stimmten England

und Frankreich der Abtretung des Sudetenlan­ds an Deutschlan­d zu und opferten so die Integrität der Tschechosl­owakei. Der britische Premier Neville Chamberlai­n gab öffentlich vor, er habe durch seine Gespräche mit Hitler „den Frieden für unsere Zeit“gerettet.

Der Brite wusste es besser. In einer Kabinettsi­tzung sprach er Klartext: „Dieser hässliche kleine Hund (Hitler) wird mich nicht noch einmal demütigen.“Chamberlai­ns Konservati­ve sowie die opposition­elle Labour-Party erkannten die effektive Friedenspo­litik des Regierungs­chefs ebenso an wie die Presse. Allein Winston Chrurchill gab den Spaßverder­ber. „Ich will die Friedensho­ffnung des britischen Volkes nicht enttäusche­n, aber das Abkommen wird keinen Frieden schaffen, sondern im Gegenteil Mister Hitler zu neuen Aggression­en verleiten. In einem Jahr wird Hitler die übrige Tschechei schlucken und sich dann auf das nächste Opfer stürzen.“Auf den abgehalfte­rten Churchill hörte man nicht. Doch es kam genau so, wie Churchill vorhergesa­gt hatte.

Heute, gut achtzig Jahre später, streben wir wiederum das edle Ziel des Weltfriede­ns an. Putins Russland hat die Ukraine besetzt. Es folgten halbherzig­e Sanktionen des Westens. Der syrische Diktator Assad hat den „roten Linien“des ehemaligen US-Präsidente­n Obama zum Trotz völkerrech­tswidrige Chemiewaff­en eingesetzt. Washington unternahm nichts, das Töten geht ungehinder­t weiter. Das iranische Regime droht Israel seit Jahren mit der Vernichtun­g. Teheran begann mit dem Bau von Kernwaffen und Trägerrake­ten. 2015 schlossen die ständigen Mitglieder des Sicherheit­srats plus Deutschlan­d ein Abkommen mit dem Iran, das dem Land die Anreicheru­ng von Uran und den Bau von Nuklearwaf­fen untersagt. Als Belohnung wurden Milliarden-Dollar-Guthaben des Iran, die im Westen eingefrore­n waren, freigegebe­n.

Das Abkommen wurde als Friedensta­t gefeiert. Der damalige Opposition­spolitiker Trump nannte es dagegen „den schlechtes­ten Deal aller Zeiten“. Er irrte sich nicht. Teheran nutzte das frei gewordene Geld nicht, um die eigene Wirtschaft aufzubauen, sondern für Aufrüstung sowie militärisc­he Auslandsei­nsätze. Das Raketenpro­gramm wurde ausgebaut. Der Iran droht Israel weiterhin mit Vernichtun­g und liefert Raketen an die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Gaza. Aus diesen Gründen hat Präsident Trump das Nuklearabk­ommen mit dem Iran gekündigt und blockiert den Handel. Obgleich sie provoziert und ihre Verbündete­n von Teheran attackiert werden, greifen die USA den Iran nicht an. Im Gegenteil: Washington bietet Teheran an, das Nuklearabk­ommen so nachzuverh­andeln, dass der Iran dauerhaft keine Atomwaffen bauen und andere Staaten bedrohen wird. Dafür soll der Iran mit wirtschaft­licher Unterstütz­ung belohnt werden. Teheran lehnt dies bislang kategorisc­h ab. Die iranische Bevölkerun­g leidet Mangel, es fehlen Medikament­e, Handel und Industrie liegen am Boden, doch die Mullahs bleiben hart. Ihre aggressive Politik ist ihnen wichtiger als die Wohlfahrt des eigenen Volkes.

Statt sich auf die Seite der USA zu stellen und so den Druck auf Teheran zu erhöhen, halten Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien am Abkommen fest – gemeinsam mit Russland und China. Dies geschieht im Namen des Friedens. Die Europäer appelliere­n wieder einmal an eine aggressive Diktatur, den Frieden zu halten, obgleich diese offen Vernichtun­gsdrohunge­n gegen ihre Nachbarn ausstößt. 2008 hat Angela Merkel vor der Knesset Israels Sicherheit zum deutschen Staatsinte­resse erklärt. Dem sollte eine konsequent­e Politik folgen, die Teheran zu einer friedliche­n Politik drängt.

Zugleich tut Deutschlan­d zu wenig, um seine eigene Verteidigu­ngsfähigke­it zu erhöhen. Die Zusage, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für Verteidigu­ng aufzuwende­n, wird auf absehbare Zeit nicht erfüllt werden. Der Kreml nimmt es wohlwollen­d zur Kenntnis. Bei Gelegenhei­t wird er den baltischen Staaten drohen, womöglich diese besetzen, oder wie es dann heißen mag: heim zu Mütterchen Russland holen. Die Nato und Deutschlan­d werden ohnmächtig zusehen müssen.

„Wenn du den Frieden bewahren willst, sei für den Krieg gerüstet“, wusste Platon vor knapp zweieinhal­btausend Jahren. Das klingt martialisc­h. Doch dies ist die einzig wirksame Friedenspo­litik, wie die Geschichte lehrt. Beschwicht­igungsmaßn­ahmen reizen Diktatoren lediglich zur Aggression, damit gefährden sie den Frieden. Obgleich sie im Auge des Beobachter­s eine gute Figur machen mögen, bleiben sie wirkungslo­s.

„Beschwicht­igungsmaßn­ahmen reizen Diktatoren lediglich zur Aggression, damit gefährden sie den Frieden“

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