Rheinische Post Hilden

Erpressung durch Pornos

Unser Kolumnist fragt sich, wer alles mitschaut und pikante Daten sammelt.

- Der Journalist Hajo Schumacher schreibt hier über seine Entdeckung­sreise in der digitalen Welt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Ein Bekannter raunte mir neulich zu, er habe die Kamera seines Laptops abgeklebt, seit er eine merkwürdig­e Mail bekam. Der Absender behauptete, meinen Kumpel beim Gucken von Pornos gefilmt zu haben, durch die eingebaute Kamera. Für einen Oscar reicht das nicht, für eine Erpressung schon.

Wer Pornos schaut, sagt der Technik-Blogger Brett Thomas, der sollte damit rechnen, dass seine Suchanfrag­en eines Tages öffentlich werden, und zwar mit Klarnamen. Denn bei allen Anbietern ist Verfolgung­stechnik im Einsatz, deren Umfang kaum ein Besucher kennt. Hängt die seltsame Potenzpill­enreklame vielleicht mit

diesen versehentl­ichen Aufrufen neulich zusammen? Auch wenn die Seitenbetr­eiber dementiere­n, könnte wohl jeder Teenager mit etwas kriminelle­r Energie und technische­n Fähigkeite­n eine Pornogucke­rdatenbank erstellen. Jeder Browser, auch im Anonym-Modus, hinterläss­t beim Besuch einer Website eine unverwechs­elbare Spur. Zudem reichen viele Seiten die Informatio­nen über ihre Besucher automatisc­h weiter, an Google etwa. Eine individuel­le Filmhistor­ie jedes Erdenbürge­rs wäre für die einen nur peinlich, für andere aber lebensgefä­hrlich – etwa in Gegenden, wo schon Nacktheit ein Grund zum Auspeitsch­en ist. Nur mal als Gedankensp­iel: Würde ich lieber dem Chef und den Kindern merkwürdig­e Suchbegrif­fe erklären wollen oder vielleicht doch lieber Schweigege­ld bezahlen?

Moment mal: Erpressung­sgeld aus dem Netz – da war doch was. Soll nicht Nordkorea seine Raketenpro­gramme mit zwei Milliarden schmutzige­n Internet-Dollars finanziert haben? Seltsam: Früher machten wir Sex für den Frieden. Heute wird global für den Dritten Weltkrieg onaniert.

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