Rheinische Post Hilden

63 Tote bei Anschlag auf Hochzeitsf­eier in Kabul

Ein Ableger der Terrormili­z Islamische­r Staat in Afghanista­n hat die Bluttat für sich reklamiert. Kritik wird jedoch vor allem an den Taliban laut.

- VON AGNES TANDLER

KABUL „Ich habe meinen Bruder verloren, ich habe meine Freunde verloren, ich habe meine Verwandten verloren. Ich werde in meinem Leben nie wieder glücklich sein“, sagt Mirwais, der Bräutigam, im afghanisch­en Fernsehen. Seine Hochzeitsf­eier in der gläsernen Dubai City Wedding Hall im Westen der afghanisch­en Hauptstadt Kabul endete Samstagnac­ht in einem Blutbad. Ein Selbstmord­attentäter sprengte sich inmitten der großen Hochzeitsg­esellschaf­t in die Luft, als Musiker gerade auf der Bühne im vollbesetz­ten Saal auftraten: Mindestens 63 Menschen starben, mehr als 180 wurden verwundet. Unter den Opfern sind viele Frauen und Kinder. Die Terrorgrup­pe Islamische­r Staat (IS), die sich in Afghanista­n „Daesh“nennt, bekannte sich zu dem Anschlag. Die Gegend um den Veranstalt­ungsort ist mehrheitli­ch von Schiiten bewohnt, die in Afghanista­n eine religiöse Minderheit sind und in der Vergangenh­eit bereits das Ziel von Terroratte­ntaten des IS waren. Nach Aussagen von Augenzeuge­n war auch die Hochzeitsg­esellschaf­t schiitisch.

Hochzeiten werden in Afghanista­n groß gefeiert: mehr als 400 Gäste sind nicht ungewöhnli­ch. Reiche Familien laden zwischen 1500 und 2000 Leute ein. Im Zentrum von Kabul sind nach dem Sturz der Taliban 2001 zahlreiche „Hochzeitsp­aläste“ entstanden, die große Räumlichke­iten für solche oft mehrtägige­n Feiern anbieten. Während des Taliban-Regimes in den 90er Jahren waren opulente Hochzeitsf­eiern verboten. Es gab weder Musik noch Tanz, und Frauen und Männer mussten zudem streng getrennt feiern. Nun befürchten viele Afghanen eine Rückkehr in alte Zeiten.

Afghanista­ns Präsident Aschraf Ghani bezeichnet­e den Anschlag als „unmenschli­ch“und erklärte, auch die aufständis­chen Taliban könnten sich nicht aus der Verantwort­ung ziehen, da sie eine „Plattform für Terroriste­n“bieten würden.

Ghanis Seitenhieb auf die Taliban kommt zu einer Zeit der allgemeine­n Unsicherhe­it über die Zukunft des Landes. Ein historisch­es Abkommen zwischen den Taliban und den USA über Frieden soll kurz vor der Unterzeich­nung stehen. Im Wüstenemir­at Katar ist gerade eine weitere Verhandlun­gsrunde zwischen den beiden Konfliktpa­rteien zu Ende gegangen. Die USA suchen fieberhaft ein Ende des fast 18-jährigen Konfliktes. US-Präsident Donald Trump will sich im US-Wahlkampf 2020 damit brüsten, den Afghanista­n-Krieg beendet zu haben. Amerika stehe kurz vor einem „Deal“, sagte Trump am Samstag. Angesichts des engen Zeitfenste­rs wächst die Angst in Afghanista­n vor einem überstürzt­en Ausstieg der USA und einer Rückkehr der Schreckens­herrschaft der Taliban.

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FOTO: AP Angehörige der Anschlagso­pfer während der Beerdigung.

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