Rheinische Post Hilden

Borussia muss in Ruhe hektisch sein

Beim 0:0 gegen den FC Schalke 04 zeigt sich, was Borussia Mönchengla­dbach vorhat. Aber auch, dass noch nicht alles funktionie­rt. Trainer Marco Rose wirbt weiter um Zeit für die nötigen Veränderun­gen.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Matthias Ginter fühlte sich, wie das Ergebnis war: unentschie­den. „Ein bisschen zwiegespal­ten“war der Abwehrchef von Borussia Mönchengla­dbach angesichts des 0:0 gegen den FC Schalke 04 im ersten Spiel der neuen Bundesliga-Saison. Ähnlich ging es seinem Trainer Marco Rose. „Leidenscha­ft, Intensität und Tempo – das klingt erstmal nach Fußball und nicht nach etwas Schlechtem“, sagte der 42-Jährige nach seinem persönlich­en Bundesliga-Debüt mit Blick auf die Merkmale des Spiels. „Es war ordentlich, aber wir werden nie und nimmer damit zufrieden sein. Wir hätten gern gewonnen“, sagte Rose.

Es war das erste Mal Rose-Fußball in der Bundesliga, und die Gladbacher Fans waren bereit, die neue Borussia total zu unterstütz­en. Dass Manager Max Eberl nach dem Spiel vor allem positive Ansätze gesehen hatte und die Borussen trotz des nicht gewonnenen Heimspiels ihre Ehrenrunde drehten, gehört dazu, den neuen Weg voll zu unterstütz­en. Es ist immer auch ein Werben für die Sache. Rose macht das bislang recht geschickt. Die beste Werbung sind indes Ergebnisse, das weiß auch der gebürtige Leipziger. Das 0:0 war dahingehen­d weniger als erhofft.

Die größte Chance, für einen Sieg zu sorgen, hatte Alassane Plea. Doch sein Schuss landete am Pfosten. Wie die Situation entstand, war typisch für den derzeitige­n Zustand der Borussen: Es war eine Mischung aus gewolltem Erzwingen und Zufall. Einen Passversuc­h von Schalkes Matija Nastasic wehrte Denis Zakaria ab, und dann passierte, was Rose nach solchen „hohen Ballerober­ungen“einfordert: Es ging ganz schnell in Richtung Tor des Gegners. Von Zakaria prallte der Ball zu Breel Embolo, der schickte Plea, der schloss ab – mit dem bekannten Ende.

Den Gegner stressen, ihn zu solchen Fehlern zwingen, das ist das Prinzip des Rose-Fußballs. Doch der ist durchaus anders als das, was die Borussen über Jahre gespielt haben: Kombinatio­nsfußball nämlich, über viele Stationen, zuweilen über das gesamte Spielfeld, um in Ruhe auf die Lücke zu warten. Jetzt soll eine gewisse Hektik im Spiel sein, allerdings soll es eine kontrollie­rte Hektik sein: Wird der Ball erobert, muss der Puls runtergehe­n, muss in aller Eile in Ruhe gespielt werden. Es ist gewisserma­ßen ein Paradoxon, das die Gladbacher lösen müssen: Sie müssen in Ruhe hektisch sein. „Die Kunst ist, das Hektische gegen den Ball zu haben, aber ruhig zu bleiben, wenn man den Ball hat“, sagte Ginter.

Das klappte noch nicht so recht gegen Schalke. Hatte Borussia den Ball, wurde viel Energie darauf verwendet, im Rose-Sinne zu agieren. Doch ging dabei zuweilen die Kontrolle verloren. Zwar hatte Borussia 60 Prozent Ballbesitz, doch waren es meist nur kurze Episoden. Da Schalke ähnlich agierte, dabei aber sogar in manchen Szenen etwas strukturie­rter wirkte, war es ein Spiel im Stakkato-Stil: Hin und her ging es, jedoch meist zwischen den Strafräume­n, auch, weil beide Teams gute Defensivar­beit machten.

Rose weiß, dass es Zeit braucht, bis seine Ideen seinen Spielern in Fleisch und Blut übergegang­en sind, bis sie automatisc­h abrufen, was nötig ist. Wie kurz vor der Pause, als Marcus Thuram den Ball holte, dann aber allein war und die Aktion im Sande verlief, weil der Rest nicht nachrückte. „Man hat gesehen, dass die Jungs noch zu viel denken und dadurch den Moment verpassen, in dem man mit dem Ball kreativer sein kann oder gegen den Ball aggressive­r“, sagte Rose. Derzeit sind die Herren aus der Abwehrreih­e die Musterschü­ler: In beiden Pflichtspi­elen der Saison blieb Gladbach ohne Gegentor, erst im Pokal in Sandhausen (1:0) und nun gegen Schalke. Und „es gab gegen Schalke einige Momente, in denen sie bis in die gegnerisch­e Hälfte rein verteidigt haben“, lobte Rose.

Es war zu sehen, dass Borussias Spiel aggressive­r und vertikaler ist als zuvor, und es ist auch zu spüren, dass die Mannschaft umsetzen will, was der Trainer vorhat. „Wir haben ein Level, wo wir hinwollen. Aber wir sind noch im Graubereic­h“, gestand Rose. Was die Borussen auch lernen müssen: Das situative Zurückscha­lten vom Powerfußba­ll. „Wir wollen so intensiv wie möglich spielen, aber man muss sich im richtigen Moment auch mal eine Auszeit nehmen“, sagte der Trainer. Sonst ist die Energie zu früh weg.

Es liegt nun am Trainer, weitere Überzeugun­gsarbeit in seinem Team für die künftigen Aufgaben zu leisten, alles weiter zu erarbeiten. Veränderun­g ist ein stetiger Prozess, das war gegen Schalke recht anschaulic­h zu sehen. Die neue Borussia ist wie eine Larve, die sich peu à peu aus dem Kokon zwängt. „Es wird Spiel für Spiel kommen“, sagte Verteidige­r Nico Elvedi. Gladbach ist in kleinen Schritten auf dem Weg zum Rose-Stil.

Darum ist der Trainer aktuell mit einem 0:0 gegen Schalke auch in dieser Art und Weise zufrieden.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Voller Einsatz an der Linie: Marco Rose.

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