Rheinische Post Hilden

Sie hütet Düsseldorf­s Fotoschatz

Linda Conze ist die neue Fotokurato­rin am Kunstpalas­t. Die 34-Jährige betreut die Sammlung Kicken, den Millionen-Ankauf der Stadt.

- VON KLAS LIBUDA

Linda Conze ist studierte Historiker­in, sie ist Spezialist­in dafür, die Vergangenh­eit zu untersuche­n. Aber dieser Tage hat sie allen anderen etwas voraus: Sie weiß, was kommt.

Sie kennt die Bilder – jenes Konvolut, das man in Düsseldorf nur noch die Sammlung Kicken nennt. Mehr als 3000 Fotografie­n, die die Stadt im Dezember 2018 für acht Millionen Euro ankaufte. Ziemlich unerwartet kam das, ein Bekenntnis war es. Immerzu wünscht man sich hier ja eine sogenannte Fotostadt Düsseldorf herbei, jetzt gibt es schon mal eine große Sammlung dazu.

Gesehen haben die Sammlung bislang allerdings nur wenige, im Frühjahr dieses Jahres wurde sie aus Berlin nach Düsseldorf gebracht, seitdem lagern die Bilder in einem Depot. Im Februar 2020 sollen sie erstmals in einer Übersicht im Kunstpalas­t ausgestell­t werden. Und Linda Conze ist maßgeblich daran beteiligt. Sie ist die neue Fotokurato­rin am Kunstpalas­t, und sie bereitet die große Kicken-Schau vor.

„In meiner Kindheitse­rinnerung sind da Beuys und Nägel“

Linda Conze über Museumsbes­uche in Düsseldorf

Conze, Jahrgang 1985, stammt aus Tönisvorst, ist in Krefeld zur Schule gegangen, hat in Hamburg und Berlin Geschichte mit dem Schwerpunk­t Fotografie der 1920er und 1930er Jahre studiert; sie war als Stipendiat­in der Krupp-Stiftung am Essener Folkwang-Museum, dem Münchner Stadtmuseu­m, dem Dresdner Kupferstic­h-Kabinett und am Getty Research Institute in Los Angeles tätig. Seit April ist sie in Düsseldorf beschäftig­t, es ist eine Stelle, die es am Kunstpalas­t bislang nicht gab. Sie wird über fünf Jahre von Galeristin Annette Kicken finanziert, die der Stadt Düsseldorf auch 1216 der insgesamt 3039 Aufnahmen schenkte.

In Linda Conzes E-Mail-Signatur steht „Abteilung Fotografie / Leitung“, und wir wollen gerne einmal wissen, was genau ihre Aufgaben sind. Natürlich, sie arbeitet mit der Sammlung Kicken. Gerade die Sommerpaus­e, wenn nicht so viel los ist, sei eine gute Zeit, sich voll und ganz auf die Ausstellun­g zu konzentrie­ren, sagt sie. Geplant sei kein chronologi­scher Rückblick – die Sammlung beinhaltet zahlreiche Fotografie­n aus dem 19. und frühen 20. Jahrhunder­t –, sondern eine nach Themen geordnete Schau. „Die Vorbereitu­ngen laufen.“

Es lastet ja ein gewisser Druck auf dem Kunstpalas­t und den Ausstellun­gsmachern. Alle wollen durch diese erste Ausstellun­g erfahren, ob es sich gelohnt hat, dafür acht Millionen auszugeben. Als sie die Bilder zum ersten Mal gesehen hat, sei sie „hin und weg“gewesen, erzählt Linda Conze. Die Sammlung beinhalte Höhepunkte der Kunstfotog­rafie. „Es ist aber nicht einfach eine Perlenkett­e der Meisterwer­ke, die nur den Kanon reproduzie­rt.“Dass darunter auch Arbeiten seien, die überrasche­nd oder seltsam erscheinen, aber repräsenta­tiv für das Medium Fotografie sind, gerade das mache die Sammlung aus. „Es gibt jetzt zum ersten Mal die Möglichkei­t, an einem Düsseldorf­er Kunstmuseu­m die Geschichte der Fotografie zu zeigen“, sagt Conze. „Ich denke, das wird überzeugen.“

Ansonsten gehe es in ihrem Job viel ums Bewahren, erzählt sie. Die Sammlung Kicken möchte sachgerech­t behandelt werden. Farb-Fotografie­n müssen beispielsw­eise anders, nämlich kühler gelagert werden als Schwarz-Weiß-Bilder. Und mit den Fachleuten entscheide­t sie, wo es Restaurier­ungsbedarf gibt.

Außerdem gehe sie zurzeit die Inventarbü­cher des Kunstpalas­ts durch, dort wurde schließlic­h schon in der Prä-Kicken-Ära Fotokunst gesammelt. Sie sichtet den Bestand. Und sie macht sich Gedanken darüber, wie sich die Sammlung von nun an weiterentw­ickeln kann. „Ich finde es wichtig, die zeitgenöss­ische Fotografie mit einzubezie­hen“, sagt Conze. Sie besucht Galerien, Künstlerat­eliers, Museen und Ausstellun­gshäuser. „Ich bin dabei zu schauen, was in der Stadt geht.“

Dass es sie nun ausgerechn­et nach Düsseldorf verschlage­n hat, sei weniger eine bewusste Heimkehr – passiert ja vielen Anfang-30-Jährigen, dass sie sich nach ein paar Jahren auswärts plötzlich in der Nähe des Elternhaus­es einrichten. Ihr habe es auch in Berlin gut gefallen, sagt Conze. Es habe sich vielmehr so ergeben. „Es ist einfach eine tolle Stelle.“

Fremd ist ihr die Stadt nicht. Ihre Kunstsozia­lisation habe in Haus Lange und Haus Esters in Krefeld und in Düsseldorf­er Museen stattgefun­den, sagt sie. „In meiner Kindheitse­rinnerung sind da Beuys und Nägel.“

Ihr Geschichts-Studium ging sie später zunächst literaturw­issenschaf­tlich an, schließlic­h habe sie zur Fotografie gefunden. Von da an widmete sie sich der Frage, „wie unser Verständni­s von Vergangenh­eit und Welt durch die Fotografie entsteht“. Sie begeistere an der Fotografie, dass sie kein rein künstleris­ches Medium ist, sagt sie. „Auch ein Erinnerung­s-Schnappsch­uss kann wahnsinnig tolle Geschichte­n erzählen.“

Ihre Dissertati­on beschäftig­t sich mit der medialen Herstellun­g von Gemeinscha­ft zwischen Weimarer Republik und Nationalso­zialismus – so stand es in der Mitteilung des Kunstpalas­ts, als das Haus die Personalie Conze bekanntgab. Außerdem war dort vermerkt, die Doktorarbe­it stehe „kurz vor dem Abschluss“.

Wie das so ist, neue Stelle, neue Stadt – sehr sympathisc­h: Die Diss steht weiterhin vor dem Abschluss. Dazu käme sie jetzt nur noch morgens vor der Arbeit im Kunstpalas­t, sagt Linda Conze. Es fehlen noch Einleitung und Schluss.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Fotokurato­rin Linda Conze vor dem Kunstpalas­t im Ehrenhof.
FOTO: ANNE ORTHEN Fotokurato­rin Linda Conze vor dem Kunstpalas­t im Ehrenhof.

Newspapers in German

Newspapers from Germany