Große Themen junger Erwachsener
Serie Zukunftsangst, Sex, Identitätspolitik – das sind typische Probleme der Generation Y. Um diese dreht sich die Netflix-Serie „Dear White People“mit ihrem vornehmlich afroamerikanischen Ensemble. Die Handlung spielt in der Winchester Elite-Uni. Hier ist die Lage angespannt, seitdem eine Studentenverbindung eine „Blackface“-Party veranstaltete, bei der sich Weiße mit schwarzer Farbe anmalten. Die Studenten sind empört, allen voran die streitlustige Sam White, die im Campus-Radio ständig provoziert – aber insgeheim mit einem Weißen eine Beziehung führt. Die dritte und neueste Staffel ist deutlich gelassener als die bisherigen: Die Handlungsstränge sind nicht mehr so weltbewegend, die Serie befasst sich mehr mit den Einzelschicksalen der Figuren, fast schon wie eine reguläre Sitcom. Mit Themen wie „Me Too“oder HIV ist die Serie aber nicht weniger relevant. hem Klassik In diesen Tagen wird viel über Knabenchöre debattiert und über die Frage, ob ihnen auch Mädchen angehören dürfen. Es gibt zahllose Gründe, diese Frage abzulehnen. Einer ist die in diesem Fall wirklich gute alte Tradition, die nichts mit Abgrenzung, sondern mit gewachsener Geschichte zu tun hat.
Heute beschäftigen wir uns mit einem der großen englischen Knabenchöre, dem Choir of St. John’s College in Cambridge. Der hat jetzt unter seinem Dirigenten Andrew Nethsingha eine Reihe von Repräsentations-Werken der Chormusik aufgenommen, die so ein Knabenchor geradezu zwangsläufig im Repertoire hat. Der Anlass war ein Jubiläum: Vor 150 Jahren wurde St. John College Chapel eingeweiht. Diese Musik, die den Festakt beglänzt, ist feierlich, erhaben, sie schwingt melodisch frei aus, sie lässt, wie man so sagt, die Seele der Hörer himmelwärts schweben. Schon das einleitende doppelchörige „Faire is the heaven“von William Harris erfüllt sämtliche derartige Transferaufgaben hinreißend. Natürlich wird die angelsächsische Tradition auf der CD (erschienen bei Signum Classics) bestens gepflegt: Die Großmeister Benjamin Britten, Charles Standford, John Tavener oder Hubert Parry sind mit Meisterwerken vertreten, ein Blick nach Frankreich gilt dem „Salve Regina“von Francis Poulenc, Österreich wird mit Anton Bruckners „Locus iste“sogar im Titel der CD bedacht, Russland mit Rachmaninows
Klangvolles Jubiläum in Cambridge
„Cherubic Hymn“.
Der Chor singt mirakulös, klingt niemals dünn oder gar dürr, mit fabelhafter Intonation und Leuchtkraft. Die Akustik von St. John’s College Chapel muss ihre Gnade gar nicht unter Beweis stellen. Nethsingha ist kein Muskelmusiker, sondern ein Erzromantiker, der Klang am liebsten von sich aus entstehen lässt. So ist es recht. An der Orgel brilliert Glen Demsey, das Cello-Solo spielt Laura van der Heijden.
Wolfram Goertz