Rheinische Post Hilden

NRW erforscht Gewalt gegen Männer

Eine große „Dunkelfeld­studie“soll erstmals alle Opfer familiärer Gewalt erfassen.

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DÜSSELDORF (tor) Häusliche Gewalt gegen Jungen und Männer – zu diesem Thema schweigt die Forschung sich bisher weitgehend aus. „Es gibt sie, aber wir wissen nicht, in welchem Umfang. Das ist ein Tabu“, sagt NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). Dabei will die Landesregi­erung es nicht belassen. Reul und Gleichstel­lungsminis­terin Ina Scharrenba­ch (CDU) wollen das Dunkelfeld mit einer aufwändige­n Studie ausleuchte­n – der ersten ihrer Art bundesweit.

60.000 zufällig ausgewählt­e Bürger in NRW bekommen in diesen Tagen Post. Sie sollen anonym und auf dem Postweg knapp 70 Fragen zu ihren persönlich­en Gewalterfa­hrungen beantworte­n. Dabei wird auch das Ausmaß der häuslichen Gewalt gegen Mädchen und Frauen abgefragt. Aus früheren Studien zur sexuellen Gewalt weiß man, dass nur 15 Prozent der Straftaten überhaupt angezeigt werden. „Wir wollen wissen, warum die Opfer sich nicht an die Polizei wenden, und was wir tun können, um sie besser zu schützen“, sagt Scharrenba­ch, deren Gleichstel­lungsminis­terium die Studie mit 500.000 Euro finanziert. Sie wird wissenscha­ftlich begleitet und soll bis 2022 repräsenta­tive Ergebnisse bringen.

Reuls Sicherheit­sbehörden räumen ein, dass die mutmaßlich große Dunkelziff­er beim Thema häusliche Gewalt in der polizeilic­hen Praxis kaum eine Rolle spielt: Ressourcen der Opferberat­ung etwa werden fast ausschließ­lich anhand der offiziell dokumentie­rten Fälle ausgericht­et. Reul sagt, die Ergebnisse könnten auch zu neuen Schwerpunk­ten in der Prävention führen. Die Mithilfe der Befragten sei enorm wichtig, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Auslöser für die Studie waren die massenhaft­en sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvestern­acht Ende 2015. Damals waren mehr als 1200 Anzeigen eingegange­n – sehr viele aber erst Wochen später. Laut Polizeista­tistik sank die Kriminalit­ät in NRW im vergangene­n Jahr auf ein 30-Jahres-Tief. Während die Gewaltkrim­inalität insgesamt um 2,9 Prozent auf 45.300 Fälle zurückging, nahmen die Sexualdeli­kte allerdings um 9,2 Prozent auf 14.100 Fälle zu.

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