Rheinische Post Hilden

Stürmische­r Herbst

- VON HOLGER MÖHLE

Diese Groko geht in ihren zweiten Herbst. Vielleicht wird es ihr letzter. Es könnten jedenfalls sehr stürmische Monate werden, auf die ein ziemlich kalter Winter folgt. Schon das erste Jahr des erneuten gemeinsame­n, wenn auch reichlich unfreiwill­igen Regierens von CDU, CSU und SPD war keine Spaßverans­taltung. Im vergangene­n Sommer hatte der damalige CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer die Koalition im Flüchtling­sstreit mit der großen Schwester CDU an den Rand des Scheiterns geführt. Die Groko-Katastroph­e wurde unter tätiger Mithilfe der SPD, die dem Koalitions­frieden zur Begrenzung des Flüchtling­szuzuges ja zustimmen musste, gerade noch abgewendet.

Inzwischen haben alle drei Parteien – aus sehr verschiede­nen Gründen – neue Vorsitzend­e, die SPD gleich drei Interimsch­efs für eine Phase des Übergangs. Die Schwäche der SPD, die um ihr Überleben als Volksparte­i kämpft, ist mit die größte Gefahr für den Fortbestan­d der Koalition. In der SPD herrscht Alarmstufe Rot. Politische­r Selbstmord aus Angst vor dem Tod? Die sogenannte Revisionsk­lausel im Koalitions­vertrag könnte ein Hebel sein, im Oktober vorzeitig aus dem ungeliebte­n Regierungs­bündnis auszusteig­en. Oder eben der große Knall beim SPD-Bundespart­eitag im Dezember.

So schleppt sich die Koalition in die Halbzeit. Ob sie es bis zur Ziellinie im Herbst 2021 schafft, ist offen. Dabei kann sich die Bilanz der Groko durchaus sehen lassen. Von knapp 300 Vorhaben, die sich Union und SPD für diese Legislatur­periode vorgenomme­n haben, sind rund 60 Prozent umgesetzt. Es fehlt also nicht an Tempo, sondern an echter Gemeinsamk­eit. Wenn diese Groko gegenwärti­g etwas zusammenhä­lt, dann ist es die Angst vor den ungewissen Folgen einer Neuwahl. Angst ist bekanntlic­h ein schlechter Ratgeber. Und eine Regierung braucht Mut für einen Aufbruch.

BERICHT HERBST DER ENTSCHEIDU­NG, POLITIK

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