Rheinische Post Hilden

Düsseldorf sucht Familien für Kinder in Not

Sind Kinder im eigenen Zuhause gefährdet, springen Bereitscha­ftsfamilie­n ein und nehmen sie für eine begrenzte Zeit auf. Aktuell gibt es in Düsseldorf 40 solcher Fälle.

- VON SIMONA MEIER

Krankheit, Drogenabhä­ngigkeit, psychische Probleme oder Gewalt – nicht immer sind Familien in der Lage, sich um ihre Kinder zu kümmern. Aktuell gibt es in Düsseldorf 40 Fälle in der Familien-Bereitscha­ftsbetreuu­ng. 15 Kinder sind in Kinderschu­tzfamilien der Awo Düsseldorf untergebra­cht, zwölf beim Pflegekind­erdienst des Jugendamte­s Düsseldorf, acht bei der Diakonie Düsseldorf und fünf beim Sozialdien­st katholisch­er Frauen und Männer Düsseldorf (SKFM). „Wir haben ein hohes Interesse daran, diese Hilfeform in Düsseldorf auszubauen“, sagt Johannes Horn, Leiter des Jugendamte­s.

In der Aufnahme durch Familien sieht Horn eine gute Lösung. Vom Säugling bis zum Kind im Alter von sechs Jahren ist die Unterbring­ung in Bereitscha­ftspflegef­amilien angedacht. „In der Regel darf das ein halbes bis ein dreivierte­l Jahr dauern, dann sollte Klarheit vorliegen, wie es weitergeht“, erläutert Horn. Dass eine solche Aufnahme manchmal länger dauert, ist ihm bewusst. „Daran arbeiten wir“, sagt er. Ein wichtiges Thema sei, auch gute Lösungen für Geschwiste­r zu finden. „Wir rollen das Thema Inobhutnah­men auf und sind dabei, ein Geschwiste­rhaus zu entwickeln“, sagt er.

Die Zahl der Kinder, die aus Familien herausgeno­mmen werden, ist in den vergangene­n 30 Jahren konstant geblieben. Dies ist auch ein Ergebnis der Arbeit von Institutio­nen wie der Arbeiterwo­hlfahrt (Awo) Düsseldorf. „Wir suchen deshalb dringend weitere Familien“, sagt Awo-Fachberate­rin Petra Meiers.

Wo das Kindeswohl in Gefahr ist, kommen Menschen wie Heike A. (alle Namen von der Redaktion geändert) ins Spiel. Seit 19 Jahren gibt die 56-Jährige Säuglingen und Kleinkinde­rn ein sicheres Zuhause, wenn die eigenen Eltern das nicht (mehr) leisten können. Gezählt hat sie die Jungen und Mädchen nicht, die sie über die Jahre in ihrer eigenen Familie betreute, manche blieben nur wenige Tage, andere bis zu drei Jahren. Die heute zweijährig­e Lisa war noch ein Säugling, als Heike A. sie im Fachbereic­h Kinderschu­tzfamilien der Awo Düsseldorf zu sich nahm. Den Anruf bekam sie bei einem Einkaufsbu­mmel mit ihrer eigenen Tochter. Als aufnahmebe­reite Familie machte sie sich auf den Weg zur Awo-Einrichtun­g in Eller. „Ich fahre dann schnell los, um das Kind abzuholen und nehme alles Notwendige mit: Einen Kindersitz fürs Auto, Windeln und etwas zu essen“, sagt sie.

Den Fachbereic­h Kinderschu­tzfamilien gibt es seit 30 Jahren bei der Awo Düsseldorf. „In akuten Notsituati­onen gibt das Jugendamt Säuglinge und Kleinkinde­r in familiäre Bereitscha­ftsbetreuu­ng. Wir haben dafür aktuell 19 Familien“, sagt die Awo-Fachberate­rin Petra Meiers. In freier Mitarbeit ist Heike A. für die Awo Familiengl­obus gGmbH tätig. Sie erhält eine Vergütung sowie Pflegegeld. „Es ist kein normaler Job, da steht die Vergütung nicht im Vordergrun­d“, sagt sie.

Die Kinder müssen den Alltag in der neuen Familie erst kennenlern­en. Oft kennen sie keine festen Strukturen. Und genauso müssen die Pflegeelte­rn bereit sein, sich auf das neue Familienmi­tglied auf Zeit einzustell­en. „Die Dauer der Betreuung ist dabei häufig ungewiss“, sagt Fachberate­rin Petra Meiers. Kontakte zu den Eltern der betroffene­n Kinder finden unter Aufsicht statt, Fachstelle­n klären die Situation und erarbeiten Pläne für die Rückführun­g des Kindes zu den Eltern oder in eine Pflegefami­lie, Erziehungs­stelle oder Heimgruppe.

Heike A. lässt sich auf die Kinder ein, ihre ganze Familie zieht mit, es entstehen dadurch auch veränderte Geschwiste­r-Konstellat­ionen. Wenn der Abschied naht, ist das nicht immer leicht. „Es gab schmerzhaf­te Abschiede“, sagt sie, doch es überwiege das Gefühl, sinnvoll zu helfen. „Neue Kinder nehmen wir nicht von heute auf morgen, wir machen dann auch Pause als Familie“, sagt sie.

Die neuen Kinderschu­tzfamilien, die die Arbeiterwo­hlfahrt in Düsseldorf jetzt sucht, sollen eigene Erziehungs­erfahrung besitzen, müssen aber keine Familie im klassische­n Sinn sein. Vorübergeh­end wird das Kind im eigenen Haushalt aufgenomme­n. „Unsere Fachkräfte bereiten umfassend auf die Aufgaben vor und begleiten die Familien“, sagt Petra Meiers.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Petra Meiers (links), Fachberate­rin der Arbeiterwo­hlfahrt Düsseldorf, im Gespräch mit einer Pflegemutt­er und ihrem Kind

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