Mit Geduld und Gefühl zum schönen Ton
Ein Test im VHS-Kursus „Schottischer Dudelsack für Anfänger“
Wenn Nils Bosshammer die ersten Töne der schottischen Nationalhymne auf seinem dunkelroten Dudelsack anstimmt, dann zittern die Wände und klirren die Fenster in den Räumen der Volkshochschule. Aus den langen, schwarzen Pfeifen, die neben seinem Kopf in die Höhe ragen, dringt ein sonores Brummen, während der Chanter, die kurze Pfeife in seinen Händen, die bekannte Melodie ertönen lässt. Zu Beginn des Crashkurses „Schottischer Dudelsack für Anfänger“bleibt der Dudelsack jedoch erst einmal im Koffer. Denn als Anfänger wäre man mit dem großen Dudelsack vollkommen überfordert, erklärt Bosshammer. Stattdessen spielen die Einsteiger in den ersten Monaten ausschließlich auf einer Übungsflöte, dem sogenannten Practice Chanter. Auch in den acht 90-minütigen Unterrichtsstunden des VHS-Kurses ist er der Hauptdarsteller. Mit seinen acht Grifflöchern erinnert der Chanter an eine langgezogene Blockflöte. Doch statt mit den Fingerkuppen werden die Grifflöcher mit den Unterseiten der geraden Finger verschlossen. Der Anfänger soll diese Handhaltung verinnerlichen. Ist das geschehen, geht es an das rohrförmige Mundstück der Übungsflöte und damit an den ersten Ton.
Was beim Dudelsack-Profi nach einem Kinderspiel aussieht, ist schwierig. Statt eines satten Klangs entsteht ein Laut, der eher an eine Kuh erinnert. Das Erfolgsgeheimnis für einen vollen Ton ist der Druck: „Bläst man zu leicht, entsteht ein zu tiefer Ton“, erklärt Bosshammer, „bei zu viel Druck hingegen klingt der Ton erst sehr hoch und bricht dann abrupt ab.“
Deshalb braucht es Gefühl für einen stabilen Ton. Und siehe da: Nach zehn Minuten Dudelsack-Crashkurs erklingt der erste brauchbare Laut aus dem Practice Chanter – ein tiefes G. Nächster Schritt: Simple Tonfolgen. Auf das tiefe G, das entsteht, wenn alle Grifflöcher der Flöte geschlossen sind, folgt durch Heben des rechten kleinen Fingers ein tiefes A. Löst man nun auch den linken Ringfinger, ist ein E zu hören.
Ab jetzt ist Multitasking gefragt. Neben der Koordination der Finger erfordern nach wie vor die Handhaltung und die Blastechnik volle Aufmerksamkeit. Schnell beginnen die Hände zu verkrampfen. Dann heißt es durchatmen, Schweiß abwischen, Finger neu auf den Löchern positionieren und erneut ansetzen. Wie jedes neue Hobby verlangt auch das Dudelsacklernen einen langen Atem. Und das im doppelten Sinne. Während der Anfänger sein Lungenvolumen nach wenigen Sekunden erschöpft hat, spielt Nils Bosshammer ohne Atempause. Das Zauberwort: Zirkularatmung. „Während ich mit dem Mund in den Dudelsack blase, atme ich durch die Nase ein“, erklärt er.
Zum Abschluss wird doch noch der ausgewachsene Dudelsack hervorgeholt. Schnell ist klar, warum Anfänger zunächst nur den Practice Chanter zu fassen bekommen. Bevor auch nur an Töne zu denken ist, muss der rote Sack mit Luft gefüllt werden. Gleichzeitig wollen die langen Pfeifen auf der Schulter balanciert und der Sack mit dem Arm fest an den Körper gedrückt werden. Kann man sich dabei noch auf die Position der Finger und den Druck des Blasens konzentrieren, so entlockt man dem Instrument mit ein bisschen Glück einige imposante Töne, die in Sachen Lautstärke einer Sirene in Nichts nachstehen.
Das Fazit des Dozenten nach dem einstündigen Crashkurs: „Auftreten kann man damit noch nicht – aber das ist ein guter Anfang!“Wer mit einer Mischung aus Geduld und Begeisterung für das Instrument die acht Stunden des VHS-Kurses meistert, bringt es vielleicht sogar zur Bühnenreife.