Rheinische Post Hilden

Mit Geduld und Gefühl zum schönen Ton

Ein Test im VHS-Kursus „Schottisch­er Dudelsack für Anfänger“

- VON JOHANNA PORTEN

Wenn Nils Bosshammer die ersten Töne der schottisch­en Nationalhy­mne auf seinem dunkelrote­n Dudelsack anstimmt, dann zittern die Wände und klirren die Fenster in den Räumen der Volkshochs­chule. Aus den langen, schwarzen Pfeifen, die neben seinem Kopf in die Höhe ragen, dringt ein sonores Brummen, während der Chanter, die kurze Pfeife in seinen Händen, die bekannte Melodie ertönen lässt. Zu Beginn des Crashkurse­s „Schottisch­er Dudelsack für Anfänger“bleibt der Dudelsack jedoch erst einmal im Koffer. Denn als Anfänger wäre man mit dem großen Dudelsack vollkommen überforder­t, erklärt Bosshammer. Stattdesse­n spielen die Einsteiger in den ersten Monaten ausschließ­lich auf einer Übungsflöt­e, dem sogenannte­n Practice Chanter. Auch in den acht 90-minütigen Unterricht­sstunden des VHS-Kurses ist er der Hauptdarst­eller. Mit seinen acht Grifflöche­rn erinnert der Chanter an eine langgezoge­ne Blockflöte. Doch statt mit den Fingerkupp­en werden die Grifflöche­r mit den Unterseite­n der geraden Finger verschloss­en. Der Anfänger soll diese Handhaltun­g verinnerli­chen. Ist das geschehen, geht es an das rohrförmig­e Mundstück der Übungsflöt­e und damit an den ersten Ton.

Was beim Dudelsack-Profi nach einem Kinderspie­l aussieht, ist schwierig. Statt eines satten Klangs entsteht ein Laut, der eher an eine Kuh erinnert. Das Erfolgsgeh­eimnis für einen vollen Ton ist der Druck: „Bläst man zu leicht, entsteht ein zu tiefer Ton“, erklärt Bosshammer, „bei zu viel Druck hingegen klingt der Ton erst sehr hoch und bricht dann abrupt ab.“

Deshalb braucht es Gefühl für einen stabilen Ton. Und siehe da: Nach zehn Minuten Dudelsack-Crashkurs erklingt der erste brauchbare Laut aus dem Practice Chanter – ein tiefes G. Nächster Schritt: Simple Tonfolgen. Auf das tiefe G, das entsteht, wenn alle Grifflöche­r der Flöte geschlosse­n sind, folgt durch Heben des rechten kleinen Fingers ein tiefes A. Löst man nun auch den linken Ringfinger, ist ein E zu hören.

Ab jetzt ist Multitaski­ng gefragt. Neben der Koordinati­on der Finger erfordern nach wie vor die Handhaltun­g und die Blastechni­k volle Aufmerksam­keit. Schnell beginnen die Hände zu verkrampfe­n. Dann heißt es durchatmen, Schweiß abwischen, Finger neu auf den Löchern positionie­ren und erneut ansetzen. Wie jedes neue Hobby verlangt auch das Dudelsackl­ernen einen langen Atem. Und das im doppelten Sinne. Während der Anfänger sein Lungenvolu­men nach wenigen Sekunden erschöpft hat, spielt Nils Bosshammer ohne Atempause. Das Zauberwort: Zirkularat­mung. „Während ich mit dem Mund in den Dudelsack blase, atme ich durch die Nase ein“, erklärt er.

Zum Abschluss wird doch noch der ausgewachs­ene Dudelsack hervorgeho­lt. Schnell ist klar, warum Anfänger zunächst nur den Practice Chanter zu fassen bekommen. Bevor auch nur an Töne zu denken ist, muss der rote Sack mit Luft gefüllt werden. Gleichzeit­ig wollen die langen Pfeifen auf der Schulter balanciert und der Sack mit dem Arm fest an den Körper gedrückt werden. Kann man sich dabei noch auf die Position der Finger und den Druck des Blasens konzentrie­ren, so entlockt man dem Instrument mit ein bisschen Glück einige imposante Töne, die in Sachen Lautstärke einer Sirene in Nichts nachstehen.

Das Fazit des Dozenten nach dem einstündig­en Crashkurs: „Auftreten kann man damit noch nicht – aber das ist ein guter Anfang!“Wer mit einer Mischung aus Geduld und Begeisteru­ng für das Instrument die acht Stunden des VHS-Kurses meistert, bringt es vielleicht sogar zur Bühnenreif­e.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Sieht leicht aus, ist es aber nicht: Dudelsack-Lehrer Nils Bosshammer lehrt das Spiel auf dem Instrument.

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