Eine Oase für die Kunst
Ein Denkmal im Hofgarten der Universität und ein Museum bestehend aus dem biografischen Künstlerhaus und dem Erweiterungsbau in der Nordstadt: Fast überall in Bonn finden sich Spuren des berühmten Malers August Macke.
BONN August Macke war noch Schüler, als er 1904 das farbige Blatt „Hofgarten in Bonn“schuf, eine Bleistiftzeichnung mit Gouache und Kreide. Es ist Mackes früheste Parkszene: Man sieht eine winterliche Ulmenallee im Februar 1904, zwischen den Bäumen flanieren Menschen, vorne ist eine Frau mit Kinderwagen und einem etwas älteren Kind zu sehen, im Hintergrund das Akademische Kunstmuseum. Der Blick hat sich in den vergangenen Hundert Jahren kaum verändert – die Ulmen wurden aber nach dem Krieg durch Linden ersetzt. Mackes Perspektive, die Komposition des Hochformates ist raffiniert. Der junge Mann hat fraglos Talent. Im Oktober 1904 nimmt er sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie auf (und bricht es bald entnervt ab, weil er sie so langweilig und konservativ findet).
„Zu Mackes Zeiten diente der Platz öfters als Aufmarschplatz für die Husaren oder das Infanterie Regiment 160“, ist in dem 2017 erschienenen, sehr lesenswerten Führer „Mit August Macke durch Bonn“zu lesen, den Horst-Pierre Bothien, Bassim Hashim und Harald Ott herausgegeben haben. Das Buch rekapituliert auch die wechselvolle Geschichte des Hofgartens, der einst nach Plänen des Barock angelegt war, dann verwilderte, ab 1895 zum Volksgarten umgestaltet wurde und als Freizeitpark und Veranstaltungsplatz aufblühte. Hier gab es Reiterspiele und Zirkusveranstaltungen, die NSDAP beging auf dem Platz ihre Kreisparteitage.
In den Zeiten der jungen Bundesrepublik kamen hier Demonstranten aus ganz Deutschland zusammen. 1968 gab es die erste Massendemo gegen die Notstandsgesetze, 1981 und 1983 protestierten Tausende
Menschen stehen vor der Hommage, häufig ratlos, bisweilen kopfschüttelnd oder auch amüsiert
zwischen dem Uni-Hauptgebäude und dem Akademischen Kunstmuseum für den Frieden.
Nicht weit von dem einst als Pathologie gebauten Akademischen Kunstmuseum für antike Schätze beginnen wir unseren Macke-Parcours. Hier steht seit Mitte 2018 eine von dem Bildhauer Stephan Balkenhol errichtete „Hommage an August Macke“: die Bronzeskulptur eines überlebensgroßen Mannes in schwarzer Hose und weißem Hemd, der nach oben in einen bunten Baldachin blickt. Die Idee, Balkenhol mit einem Macke-Denkmal zu betrauen, stamme von der ehemaligen Direktorin des August-Macke-Hauses, Margarethe Jochimsen, erzählt deren Nachfolgerin Klara Drenker-Nagels. Balkenhol und Walter Smerling von der Stiftung für Kunst und Kultur seien ins Macke-Haus gekommen, hätten Fotos, Zeichnungen und Gemälde studiert, erzählt sie. Ein erster Entwurf zeigte Macke in einem langen Mantel, wie er ihn 1914 auf der Passage von Marseille nach Tunis trug. Er sehe aus wie ein Hausmeister, kritisierte jemand Balkenhols erste Idee.
Die realisierte Hommage im Hofgarten sei ein „typischer Balkenhol-Mann in schwarzer Hose und weißem Hemd“, sagt Drenker-Nagels. „Mit Macke hat das überhaupt nichts zu tun“, urteilt die Expertin. Auch von einem Denkmal hätte er wohl nicht viel gehalten, sagt sie: „Er hat nicht viel Aufhebens um seine Person gemacht und hat auch nie in solchen Dimensionen gedacht.“Immerhin: Die „Hommage an August Macke“regt zum Gespräch an. Wann immer ich daran vorbeikomme, stehen Menschen da, häufig ratlos, bisweilen kopfschüttelnd oder auch amüsiert, in der Regel dankbar, wenn man das eine oder andere Detail erklärt.
Wo denn ihr Macke-Lieblingsort sei, frage ich Drenker-Nagels. „Na hier!“, sagt die Kunsthistorikerin und breitet die Arme in August Mackes ehemaligem Garten aus. Er ist wunderschön angelegt, „immer blüht etwas“, sagt sie. Und sie freut sich über die Ruhe. Als Ende 2017 das neue Macke-Museum mit dem biografischen Künstlerhaus und dem modernen Erweiterungsbau eröffnet wurde, konnte man sich kaum vorstellen, wie dieser Ort zur Oase im trubeligen Bonner Norden werden könnte. Eine hohe Glasfront schirmt den kleinen Garten vom lärmigen Hochstadenring und der nicht minder lauten Bornheimer Straße ab. Das funktioniert perfekt, wie man beim leisen Gespräch bei einer Tasse Kaffee auf der Terrasse feststellen kann.
Um zu sehen, wie es zu Mackes Zeiten – zwischen 1900 und 1914 – kann man im biografischen Künstlerhaus nachschauen: Gemälde, Zeichnungen, Pläne und das digitale Bildarchiv lassen die Zeit aufleben. Die Marienkirche in der Nordstadt sieht noch fast so aus, wie Macke sie aus dem Atelierfenster sah und malte. Die damals gerade gebaute Viktoriabrücke kann man heute noch erahnen. Macke hat sie mit Radlern, Flaneuren und Pferdewagen gezeichnet.
Auf dem Hochstadenring marschierten einst Mackes Kameraden vom Infanterieregiment 160 von der Ermekeilkaserne zu ihren Exerzierplätzen. Macke mochte dieses Viertel, den Bildhauer in der Bornheimer Straße, wo er sich Tipps holte, die wuseligen Markthallen, wo heute Kunstverein und Künstlerforum sind, die Großstadtkirmes und die Zirkusveranstaltungen auf dem Adolfplatz (jetzt Frankenplatz). Irgendwo zwischen dem Realgymnasium an der Doetschstraße, wo August zur Schule ging, und dem Wohnhaus der Fabrikanten-Familie Gerhardt unweit des Macke-Hauses an der Bornheimer Straße sind sich Macke und seine Frau Elisabeth 1903 erstmals auf dem Schulweg begegnet. Sie werden ein Paar, heiraten 1909 und beziehen im Februar 1911 das heutige Macke-Haus, wo im Atelier unterm Dach die meisten Werke des Malers entstanden.
Im Garten des Städtischen Museums gab es im Mai 1904 den ersten Kuss: „Unter einem Gebüsch aus Goldregen stand eine Bank. Dort setzten wir uns; er warf Stock und Hut ins Gras, ich meine Notenmappe... Da fühlte ich plötzlich seinen Arm um meine Schulter und einen schnellen Kuss auf meiner Backe“, schreibt Elisabeth Erdmann-Macke. Bonns erstes Kunstmuseum war in der heute zerstörten Villa Obernier auf dem Areal des Stadtgartens untergebracht. Inzwischen residiert es an der B 9 mitten in der Museumsmeile. Das Kunstmuseum Bonn glänzt mit einer hervorragenden Abteilung über die Kunst Mackes.
Der Parcours endet biografisch am Bonner Hauptbahnhof. Dort verabschiedeten sich am 8. August 1914 die Soldaten von ihren Familien. Von der Ermekeilkaserne waren sie zum Bahnhof gezogen, unter ihnen August Macke und sein Freund Michel Horster. Von Bonn aus ging es Richtung Koblenz, Luxemburg und nach Belgien. Am 22./23. August geriet Mackes Einheit in ein schweres Gefecht, musste sich in die Champagne zurückziehen. Macke fiel am 26. September 1914 – am gleichen Tag wie sein Freund Michel.
Der Maler wurde in einem Sammelgrab auf einem Friedhof bei Souain begraben. Sein Name wurde mit allen weiteren Gefallenen verewigt. Ein Abguss dieser Platte ist im Macke-Haus unterm Dach, dort, wo der Künstler einst sein Atelier hatte, zu sehen. In einem düsteren, engen Raum, der die Trauer jener Tage dokumentiert. 1999 wurde wenige Gehminuten vom Museum entfernt, auf dem Alten Friedhof in Bonn, ein Gedenkstein für August und Elisabeth Macke enthüllt.