Rheinische Post Hilden

Eine Oase für die Kunst

Ein Denkmal im Hofgarten der Universitä­t und ein Museum bestehend aus dem biografisc­hen Künstlerha­us und dem Erweiterun­gsbau in der Nordstadt: Fast überall in Bonn finden sich Spuren des berühmten Malers August Macke.

- VON THOMAS KLIEMANN

BONN August Macke war noch Schüler, als er 1904 das farbige Blatt „Hofgarten in Bonn“schuf, eine Bleistiftz­eichnung mit Gouache und Kreide. Es ist Mackes früheste Parkszene: Man sieht eine winterlich­e Ulmenallee im Februar 1904, zwischen den Bäumen flanieren Menschen, vorne ist eine Frau mit Kinderwage­n und einem etwas älteren Kind zu sehen, im Hintergrun­d das Akademisch­e Kunstmuseu­m. Der Blick hat sich in den vergangene­n Hundert Jahren kaum verändert – die Ulmen wurden aber nach dem Krieg durch Linden ersetzt. Mackes Perspektiv­e, die Kompositio­n des Hochformat­es ist raffiniert. Der junge Mann hat fraglos Talent. Im Oktober 1904 nimmt er sein Studium an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie auf (und bricht es bald entnervt ab, weil er sie so langweilig und konservati­v findet).

„Zu Mackes Zeiten diente der Platz öfters als Aufmarschp­latz für die Husaren oder das Infanterie Regiment 160“, ist in dem 2017 erschienen­en, sehr lesenswert­en Führer „Mit August Macke durch Bonn“zu lesen, den Horst-Pierre Bothien, Bassim Hashim und Harald Ott herausgege­ben haben. Das Buch rekapituli­ert auch die wechselvol­le Geschichte des Hofgartens, der einst nach Plänen des Barock angelegt war, dann verwildert­e, ab 1895 zum Volksgarte­n umgestalte­t wurde und als Freizeitpa­rk und Veranstalt­ungsplatz aufblühte. Hier gab es Reiterspie­le und Zirkusvera­nstaltunge­n, die NSDAP beging auf dem Platz ihre Kreisparte­itage.

In den Zeiten der jungen Bundesrepu­blik kamen hier Demonstran­ten aus ganz Deutschlan­d zusammen. 1968 gab es die erste Massendemo gegen die Notstandsg­esetze, 1981 und 1983 protestier­ten Tausende

Menschen stehen vor der Hommage, häufig ratlos, bisweilen kopfschütt­elnd oder auch amüsiert

zwischen dem Uni-Hauptgebäu­de und dem Akademisch­en Kunstmuseu­m für den Frieden.

Nicht weit von dem einst als Pathologie gebauten Akademisch­en Kunstmuseu­m für antike Schätze beginnen wir unseren Macke-Parcours. Hier steht seit Mitte 2018 eine von dem Bildhauer Stephan Balkenhol errichtete „Hommage an August Macke“: die Bronzeskul­ptur eines überlebens­großen Mannes in schwarzer Hose und weißem Hemd, der nach oben in einen bunten Baldachin blickt. Die Idee, Balkenhol mit einem Macke-Denkmal zu betrauen, stamme von der ehemaligen Direktorin des August-Macke-Hauses, Margarethe Jochimsen, erzählt deren Nachfolger­in Klara Drenker-Nagels. Balkenhol und Walter Smerling von der Stiftung für Kunst und Kultur seien ins Macke-Haus gekommen, hätten Fotos, Zeichnunge­n und Gemälde studiert, erzählt sie. Ein erster Entwurf zeigte Macke in einem langen Mantel, wie er ihn 1914 auf der Passage von Marseille nach Tunis trug. Er sehe aus wie ein Hausmeiste­r, kritisiert­e jemand Balkenhols erste Idee.

Die realisiert­e Hommage im Hofgarten sei ein „typischer Balkenhol-Mann in schwarzer Hose und weißem Hemd“, sagt Drenker-Nagels. „Mit Macke hat das überhaupt nichts zu tun“, urteilt die Expertin. Auch von einem Denkmal hätte er wohl nicht viel gehalten, sagt sie: „Er hat nicht viel Aufhebens um seine Person gemacht und hat auch nie in solchen Dimensione­n gedacht.“Immerhin: Die „Hommage an August Macke“regt zum Gespräch an. Wann immer ich daran vorbeikomm­e, stehen Menschen da, häufig ratlos, bisweilen kopfschütt­elnd oder auch amüsiert, in der Regel dankbar, wenn man das eine oder andere Detail erklärt.

Wo denn ihr Macke-Lieblingso­rt sei, frage ich Drenker-Nagels. „Na hier!“, sagt die Kunsthisto­rikerin und breitet die Arme in August Mackes ehemaligem Garten aus. Er ist wunderschö­n angelegt, „immer blüht etwas“, sagt sie. Und sie freut sich über die Ruhe. Als Ende 2017 das neue Macke-Museum mit dem biografisc­hen Künstlerha­us und dem modernen Erweiterun­gsbau eröffnet wurde, konnte man sich kaum vorstellen, wie dieser Ort zur Oase im trubeligen Bonner Norden werden könnte. Eine hohe Glasfront schirmt den kleinen Garten vom lärmigen Hochstaden­ring und der nicht minder lauten Bornheimer Straße ab. Das funktionie­rt perfekt, wie man beim leisen Gespräch bei einer Tasse Kaffee auf der Terrasse feststelle­n kann.

Um zu sehen, wie es zu Mackes Zeiten – zwischen 1900 und 1914 – kann man im biografisc­hen Künstlerha­us nachschaue­n: Gemälde, Zeichnunge­n, Pläne und das digitale Bildarchiv lassen die Zeit aufleben. Die Marienkirc­he in der Nordstadt sieht noch fast so aus, wie Macke sie aus dem Atelierfen­ster sah und malte. Die damals gerade gebaute Viktoriabr­ücke kann man heute noch erahnen. Macke hat sie mit Radlern, Flaneuren und Pferdewage­n gezeichnet.

Auf dem Hochstaden­ring marschiert­en einst Mackes Kameraden vom Infanterie­regiment 160 von der Ermekeilka­serne zu ihren Exerzierpl­ätzen. Macke mochte dieses Viertel, den Bildhauer in der Bornheimer Straße, wo er sich Tipps holte, die wuseligen Markthalle­n, wo heute Kunstverei­n und Künstlerfo­rum sind, die Großstadtk­irmes und die Zirkusvera­nstaltunge­n auf dem Adolfplatz (jetzt Frankenpla­tz). Irgendwo zwischen dem Realgymnas­ium an der Doetschstr­aße, wo August zur Schule ging, und dem Wohnhaus der Fabrikante­n-Familie Gerhardt unweit des Macke-Hauses an der Bornheimer Straße sind sich Macke und seine Frau Elisabeth 1903 erstmals auf dem Schulweg begegnet. Sie werden ein Paar, heiraten 1909 und beziehen im Februar 1911 das heutige Macke-Haus, wo im Atelier unterm Dach die meisten Werke des Malers entstanden.

Im Garten des Städtische­n Museums gab es im Mai 1904 den ersten Kuss: „Unter einem Gebüsch aus Goldregen stand eine Bank. Dort setzten wir uns; er warf Stock und Hut ins Gras, ich meine Notenmappe... Da fühlte ich plötzlich seinen Arm um meine Schulter und einen schnellen Kuss auf meiner Backe“, schreibt Elisabeth Erdmann-Macke. Bonns erstes Kunstmuseu­m war in der heute zerstörten Villa Obernier auf dem Areal des Stadtgarte­ns untergebra­cht. Inzwischen residiert es an der B 9 mitten in der Museumsmei­le. Das Kunstmuseu­m Bonn glänzt mit einer hervorrage­nden Abteilung über die Kunst Mackes.

Der Parcours endet biografisc­h am Bonner Hauptbahnh­of. Dort verabschie­deten sich am 8. August 1914 die Soldaten von ihren Familien. Von der Ermekeilka­serne waren sie zum Bahnhof gezogen, unter ihnen August Macke und sein Freund Michel Horster. Von Bonn aus ging es Richtung Koblenz, Luxemburg und nach Belgien. Am 22./23. August geriet Mackes Einheit in ein schweres Gefecht, musste sich in die Champagne zurückzieh­en. Macke fiel am 26. September 1914 – am gleichen Tag wie sein Freund Michel.

Der Maler wurde in einem Sammelgrab auf einem Friedhof bei Souain begraben. Sein Name wurde mit allen weiteren Gefallenen verewigt. Ein Abguss dieser Platte ist im Macke-Haus unterm Dach, dort, wo der Künstler einst sein Atelier hatte, zu sehen. In einem düsteren, engen Raum, der die Trauer jener Tage dokumentie­rt. 1999 wurde wenige Gehminuten vom Museum entfernt, auf dem Alten Friedhof in Bonn, ein Gedenkstei­n für August und Elisabeth Macke enthüllt.

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FOTOS (2): BENJAMIN WESTHOFF Stefan Balkenhols „Hommage an August Macke“steht im Bonner Hofgarten
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FOTO: MACKE-HAUS August Macke, Selbstbild­nis von 1910.
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Neu angelegt nach alten Plänen: Klara Drenker-Nagels im Garten des Museums August-Macke-Haus.
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