Jugendfeuerwehr macht für Notfälle fit
Das Wissen um Brandbekämpfung und Erste Hilfe wird bei der Jugendfeuerwehr spielerisch vermittelt. Dieses Wissen nutzten zwei Nachwuchskräfte bei der Evakuierung nach einem Reizgasangriff an einer Haaner Schule.
HAAN Reizgas dringt durch den Türschlitz und in das Klassenzimmer. Das ist keine Übung oder ein makaberer Scherz. Das ist ein Ernstfall – der erste seiner Art für Søren Preis und Katharina Junghöfer, Mitglieder der Jugendfeuerwehr in Vohwinkel. Sie handeln geistesgegenwärtig und begleiten ihre Mitschüler unter improvisiertem Atemschutz auf den Pausenhof der Hauptschule „Zum Diek“in Haan. „In der Jugendfeuerwehr lernt man, Menschen zu helfen und richtig zu reagieren“, erklärt Søren (16) jetzt, zwei Jahre nach dem Vorfall in seiner Schule. „Man bleibt einfach ruhiger in der Situation als andere“, ergänzt Katharina (17). Die beiden Nachwuchskräfte sind sich einig: Das in der Jugendfeuerwehr Gelernte habe sie im Ernstfall souverän handeln lassen. Doch dies sei nur einer von vielen Mehrwerten, die in der Jugendfeuerwehr erfahren werden.
„Für mich ist die Feuerwehr wie eine zweite Familie“, erklärt Søren. „Da kann man immer hingehen und hat jemanden, der zuhört und hilft.“Seit fast sieben Jahren ist Søren bei der Jugendfeuerwehr, Katharina seit fünf. Der Spaß und die Gemeinschaft sind es, was die beiden in der Abteilung hält.
Im ganzen Kreis Mettmann boomt die Jugendfeuerwehr. Die Haaner Gruppe besteht seit 40 Jahren und umfasst aktuell 38 Mitglieder (davon 13 Mädchen) und fünf Betreuer. Bei den wöchentlichen Übungsdiensten lernen die 10- bis 18-Jährigen die Grundlagen des Rettungsdienstes.
„Die Jugendfeuerwehr nutzt das gleiche Material wie die richtige Feuerwehr“, berichtet Hans Löhr, Leiter der Haaner Jugendfeuerwehr. „Dabei wird natürlich auf die Belastbarkeit der Nachwuchskräfte geachtet.“Bei gutem Wetter werden Nassübungen durchgeführt. Falls möglich, werden Übungsobjekte angefahren, um dort zu proben. „Wir müssen den Kindern etwas bieten, während wir sie langsam an die Materie heranführen“, erklärt Löhr. Zur Praxis kommt die Theorie: Die Grundlagen der Ersten Hilfe werden von geschultem Personal vermittelt. Den Jugendlichen wird erklärt wie ein Feuer entsteht, wo die Gefahren stecken und wie ein Notruf abgesetzt wird – alles Wissen, das im Alltag und in der Schule nützlich ist.
Seit 2017 hat die Gartenstadt zudem eine Kinderfeuerwehr. Deren Gründung war erst nach einer Änderung des Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) in Nordrhein-Westfalen möglich. Seither können Kinder ab sechs Jahren Teil der freiwilligen Feuerwehr werden – und das kommt gut an. „Die Warteliste ist leider sehr lang“, gibt Lena Wieland, Betreuerin der Kinderfeuerwehr in Haan, zu. Um 20 Kinder (ungefähr ausgeglichen in der Geschlechterverteilung) kümmern sich sieben Betreuer. „Der Personalschlüssel ist bei Kindern einfach höher als bei Jugendlichen“, erklärt Wieland. Die Kinder treffen sich einmal monatlich, um ebenfalls spielerisch an den Brandschutz herangeführt zu werden. „Wir nutzen alles, was die Großen auch verwenden, aber in angepassten, kleineren Versionen“, so die Betreuerin. Wie auch bei der Jugendfeuerwehr, werden Themen wie Erste Hilfe, Technik, Brand- und Löschlehre vermittelt – „natürlich angepasst auf Kinder und mit Fokus auf Spiel und Spaß.“
Wer einmal Teil der Feuerwehr ist, bleibt meistens ein Leben lang. So ist die Mitgliederakquise im jungen Alter, wenn die Begeisterung für die großen roten Autos und blinkenden blauen Lichter am größten ist, unerlässlich. Nach Kinder- und Jugendfeuerwehr, folgt der Schritt zur Freiwilligen- oder sogar Berufsfeuerwehr. „Wir haben eine Übergangsrate von circa 85 Prozent“, schätzt Löhr. Ab 16 Jahren können die Nachwuchskräfte, bei Einverständnis der Eltern, an Einsätzen teilnehmen – außerhalb des Gefahrenbereichs natürlich. Ihre ersten Ernstfälle erleben sie im Regelfall erst als Teil der freiwilligen Feuerwehr.
Søren und Katharina haben ihren unfreiwilligen Einsatz in der Schule gut verkraftet. Ihr Interesse an Feuerwehr ist ungebrochen. Søren macht eine handwerkliche Ausbildung und überlegt, zur Berufsfeuerwehr zu gehen. Die Praxis aus der Jugendfeuerwehr helfe ihm bei seiner Ausbildung, sagt er. Katharina wurde durch die Jugendfeuerwehr ebenfalls in ihre berufliche Bahnen geleitet: Sie plant eine Ausbildung zum Notfallsanitäter.