Rheinische Post Hilden

Ein Gipfel voller Überraschu­ngen

Erst reist der iranische Außenminis­ter an, dann erwägt US-Präsident Donald Trump sogar ein Treffen mit Irans Präsident Hassan Ruhani. Der G7-Gipfel im mondänen französisc­hen Badeort Biarritz endet mit Fortschrit­ten im Irankonfli­kt – und seltener Einigkeit

- VON KRISTINA DUNZ

BIARRITZ Das bislang letzte bilaterale Treffen zwischen Spitzenver­tretern der USA und des Iran fand am Silvestert­ag des Jahres 1977 statt. Mehr als 40 Jahre ist das nun her, und lange sah es danach aus, dass so schnell auch kein neues Treffen hinzukommt. Doch der G7-Gipfel im mondänen französisc­hen Badeort Biarritz hat Bewegung in den festgefahr­enen Irankonfli­kt gebracht. Nach der Vermittlun­g des französisc­hen Staatschef­s Emmanuel Macron sah US-Präsident Donald Trump eine „sehr gute Chance“für ein Treffen mit seinem iranischen Amtskolleg­en Hassan Ruhani. Es wäre ein historisch­es Ereignis.

Frankreich­s Präsident sagte, die Diskussion­en hätten die Voraussetz­ungen für eine Zusammenku­nft zwischen Trump und Irans Präsident in den kommenden Wochen geschaffen. „Ich denke, dass die Begegnung stattfinde­n kann“, sagte Macron. Trump sagte zu einem solchen Treffen: „Ich denke, es gibt eine sehr gute Chance, dass wir uns treffen.“Ruhani wird Ende September an der UN-Vollversam­mlung in New York teilnehmen. Trump kündigte zudem an, dass die USA und China in ihrem Handelskri­eg „sehr bald“neue Verhandlun­gen aufnehmen werden. Er äußerte auch die Hoffnung auf ein „faires Handelsabk­ommen“mit der EU.

Noch bevor es zu dieser Überraschu­ng kommt, treffen sich die deutsche Kanzlerin und Trump. Normalerwe­ise sind nur ein paar Momente solcher bilaterale­n Gespräche für die Öffentlich­keit bestimmt, danach werden die Türen verschloss­en und das vertraulic­he Gespräch kann beginnen. Aber Donald Trump ist in Plauderlau­ne.

Trump spricht von großer Einigkeit und freundlich­er Stimmung beim G7-Gipfel unter französisc­her Führung. Er findet alles wundervoll und fantastisc­h. Er schwärmt von dem tollen Gipfelort und kündigt an, unter seiner G7-Präsidents­chaft im nächsten Jahr werde der Gipfel an einem ganz besonders tollen Ort organisier­t: Miami. Eigentlich erwartet man, dass Merkel während dieser Ausführung­en die Augen verdreht. Tut sie aber nicht.

Auch Merkel nennt die Gespräche „sehr positiv“und glaubt, dass der öffentlich­e Auftritt mit dem Mann, mit dem sie ob seiner Sprunghaft­igkeit und Polarisier­ung wenig anfangen kann, gleich beendet sein wird. Aber Trump redet und redet.

Über die heiklen Themen: das von ihm gekündigte Atomabkomm­en mit dem Iran, den Handelskri­eg, den er mit Strafzölle­n gegen China ausgelöst hat, und Russland, das er im Gegensatz zu den anderen G7-Partnern gern wieder zum achten Partner machen würde.

In den nächsten 20 Minuten muss Merkel manchmal tief durchatmen, sie schaut auf die Uhr und verzieht hin und wieder das Gesicht. Die Zeit wird nun knapp, um hinter den Kulissen

untereinan­der weiterzuko­mmen. Trump nennt Merkel „brillant“und warnt davor, sie zu unterschät­zen. Es wirkt gönnerhaft. Dann zeigt er sich noch mit Deutschlan­d verbunden. „I have German in my blood“, sagt er mit Blick auf deutsche Vorfahren. Es fließt also deutsches Blut durch seine Adern. Und er wolle auch sehr bald nach Deutschlan­d kommen.

Der größte Erfolg dieses Gipfels dürfte sein, dass sich alle sieben Partner auf eine gemeinsame Linie im Umgang mit dem Iran geeinigt haben. Macron hat Regie geführt und Trump in Schach gehalten. Dafür hat Merkel offensicht­lich auch geschluckt, dass sie sozusagen erst im Anflug des iranischen Außenminis­ters auf Biarritz von dessen Überraschu­ngsbesuch am Sonntag erfahren hat. Der Graben zwischen Europa und Amerika ist schon tief genug. Da sollte es nicht auch noch Risse zwischen Deutschlan­d und Frankreich geben. Der Vorgang zeigt aber, dass Merkels Einfluss in Europa gesunken ist. Gefallen haben dürfte ihr aber, wie Macron verhindert hat, dass sich die ganze Aufmerksam­keit wieder auf den sprunghaft­en und polarisier­enden US-Präsidente­n richtet.

Merkel behandelt die Absprachen zum Iran wie ein rohes Ei. Es habe in Biarritz eine Atmosphäre gegeben, in der „in Koordinier­ung mit den USA“Gespräche mit dem Iran begrüßt worden seien. „Das ist schon mal eine Menge“, sagt Merkel und spricht von einem „ungeheuer fragilen und schwierige­n Prozess“. Merkel hebt hervor: „Europa ist hier sehr einheitlic­h aufgetrete­n.“Und fügt hinzu: inklusive Boris Johnson. Außer beim Brexit war der britische Premier im Einklang mit seinen europäisch­en Partnern.

Macron unternimmt zum Abschluss noch einen Vorstoß in Richtung Trump. Entgegen aller bisherigen Gepflogenh­eiten bittet er ihn zur gemeinsame­n Schlussbew­ertung des dreitägige­n Treffens. Bild und Botschaft aus Biarritz: Der Westen wird zusammenha­lten und wenn nicht, haben die Franzosen, die Europäer, die Lage im Griff. Und Merkel? Sie wird gefragt, ob Macron und Trump das neue Dreamteam von G7 seien. Und sie antwortet: „Das Traumteam von G7 ist G7.“

(mit dpa)

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FOTO: DPA Die G7-Teilnehmer (im Uhrzeigers­inn von oben): Emmanuel Macron, Angela Merkel, Justin Trudeau, Boris Johnson, Donald Tusk (für die EU), Giuseppe Conte, Shinzo Abe und Donald Trump.

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